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Die Buntstifte stoßen auf rege Nachfrage.

© Hautfarben-Buntstifte UG

Berliner Start-up : Mit hautfarbenen Buntstiften gegen Rassismus

„Gib mir mal die Hautfarbe!“ Gut, aber welche? Ein Berliner Start-up hat Buntstifte in verschiedenen Hautfarben entwickelt. Inzwischen sind sie in ganz Europa gefragt.

Von Gabrielle Meton

Die ersten hautfarbenen Buntstifte sind auf dem Wohnzimmertisch von Malte Bedürftigs Eltern entwickelt worden. Ende 2016 standen Rassismus und Diskriminierung gerade im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte, als Malte Bedürftig und Thomas Noppen fanden, dass Hautfarbe nicht länger nur Rosa bezeichnen könne. Nach den Stiften, die sie zunächst in Briefkästen einwarfen, um Aufmerksamkeit für das Thema Alltagsrassismus zu wecken, entstand „plötzlich eine riesige Nachfrage“, erinnert sich Malte Bedürftig. 

Gemeinsam mit Diversity-Experte:innen und einer Künstlerin haben Bedürftig und Noppen eine Palette von zwölf Buntstiftfarben entwickelt und das Berliner Start-up Hautfarben-Buntstifte gegründet. Die Palette soll, wenn die Nuancen gemischt werden, die größtmögliche Vielfalt an Hautfarben ermöglichen. Bis heute werden die Farbtöne regelmäßig überarbeitet, um möglichst allen denkbaren Hauttönen gerecht zu werden. 

Zwar sind die Produkte von Hautfarben-Buntstifte etwas teurer als die Stifte der großen Handelsmarken – doch alle Einnahmen gehen an den Verein GoVolunteer und die gemeinnützige Unternehmergesellschaft HiMate!, die ebenfalls von Malte Bedürftig und Thomas Noppen gegründet wurden und unter dem Dach der Muttergesellschaft „Join Impact“ angesiedelt sind. 

Die Nachfrage ist hoch, vor allem bei Lehrkräften

Sowohl bei Privatkund:innen als auch bei Händler:innen und Organisationen sind die Stifte beliebt. Allein in Berlin sind die Produkte in über 50 Buch-, Schreibwaren- oder Spielzeuggeschäften zu finden. Hilfsorganisationen verteilen sie außerdem immer wieder bei ihren Aktionen. „Wir haben vor allem ein schönes Feedback von Kitas und Schulen“, sagt Sarah Maria Röckel, Head of Social Business bei Hautfarben-Buntstifte.

Sie ist Erziehungswissenschaftlerin und erinnert sich, dass eine rassismuskritische Bildung nicht Inhalt ihres Masters war. Viele Erzieher:innen und Lehrkräfte freuten sich, dass sie „endlich ein Tool haben, um das Thema mit den Kindern zu besprechen“, sagt Röckel. Die Buntstifte machten den Zugang zum Thema Rassismus viel leichter.

Kinder mit dunkler Hautfarbe bekommen die Rückmeldung vom Umfeld, dass sie anders seien, nicht zugehörig.

Nkechi Madubuko, Soziologin und Diversity-Trainerin

Das Bildungssystem gehe derzeit nicht auf genug Diskriminierungsfragen ein und reproduziere rassistische Stereotype stark., sagt die Soziologin und Diversity-Trainerin Nkechi Madubuko. Kinder würden schon sehr früh auf ihre körperlichen Merkmale und die damit verbundenen Stereotype hingewiesen, meint Madubuko. „Kinder mit dunkler Hautfarbe bekommen die Rückmeldung vom Umfeld, dass sie anders seien, nicht zugehörig. Sie könnten keine deutsche Identität haben oder erleben verbale Ausgrenzung bis hin zu physischer Gewalt.“

Spielmaterialien allein reichen nicht, um etwas zu verändern

Ab neun Monaten unterscheiden Kinder zwischen Hautfarben und mit etwa drei Jahren unterscheiden sie Augenformen, die Art zu sprechen und kennen den optischen Unterschied zwischen armen und reichen Menschen. „Wenn das Bild einer weißen, christlichen, deutschsprachigen Mittelschichtsfamilie zur Normalität konstruiert wird, empfinden sich alle Kinder, die nicht in dieses Bild passen, als nicht dazugehörig“, sagt Soziologin Madubuko.

Ihrer Meinung nach können die hautfarbenen Buntstifte in verschiedenen Nuancen also eine Hilfe sein – sowohl „für die Kinder, die sich selbst in ihren Hautfarben zeichnen können, sodass sie sich repräsentiert fühlen“, als auch für „die Kinder, die weiß sind“. Die Stifte vermittelten den Kindern, dass man mit einer dunkleren Hautfarbe genauso zugehörig ist wie mit einer weißen, so Madubuko.

Das funktioniere aber nur, wenn das Ganze in ein Konzept eingebracht werde. Von den elf Elementen der rassismuskritischen Erziehung, die die Soziologin in ihrem BuchErziehung zur Vielfalt: Wie Kinder einen wertschätzenden Umgang mit Unterschieden lernen“ behandelt, sind Spielmaterialien im Kinderzimmer tatsächlich nur eines. 

Diese Stifte in verschiedenen Hautfarben seien nur „die Spitze des Eisbergs“. „Wir haben eine dominante Kultur und müssen uns damit auseinandersetzen. Wenn es keine Auseinandersetzung mit der diskriminierenden Realität von Kindern gibt, helfen keine Hautfarben-Buntstifte der Welt“, appelliert Madubuko. Eltern, Erzieher:innen, Pädagog:innen und Lehrpersonal sollten sich also auch bemühen, sprachsensibel zu sein, eigene Vorurteile zu reflektieren und den Kindern Sachinformationen über Rassismus und Diskriminierung zu geben.

Langsam bestellen auch Händler:innen aus ganz Europa die Hautfarben-Buntstifte, eine englischsprachige Variante der Packung wurde schon hergestellt und die Organisatoren denken darüber nach, neue Übersetzungen hinzuzufügen, um ihre Stifte leichter nach Spanien oder Frankreich exportieren zu können. Außerdem bemüht sich das Unternehmen, andere Formen der Vielfalt darzustellen. Ihre Puzzles zeigen Menschen mit Behinderungen und verschiedene Formen von Partnerschaft und Liebe. Auf dem „Malbuch für alle“ sind Menschen verschiedener Religionen zu sehen. Es ist wohl an der Zeit, die Welt mit einer etwas vielfältigeren Brille als der rosaroten zu sehen.

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