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Die Toten an der Berliner Mauer (hier vor dem Brandenburger Tor im Juli 1986) wurden oft heimlich verbrannt und die Asche vergraben.

© Holschneider/dpa

55 Jahre Mauerbau: Erst erschossen, dann heimlich eingeäschert

Jahrelang vertuschte die DDR die Todesumstände von Maueropfern. Daran soll jetzt eine Gedenktafel erinnern.

Heimlich eingeäscherte Opfer des Schießbefehls an der einstigen Mauer erhalten jetzt einen Ort der Trauer für ihre Angehörigen, die oftmals nie erfahren haben, wo die Asche ihres Verwandten in die Erde versenkt wurde. Anlässlich des 55. Jahrestages des Mauerbaues am 13. August 1961 wird an diesem Freitag, dem 12. August, 14 Uhr, auf dem neuen Teil des Friedhofs Baumschulenweg eine Gedenktafel eingeweiht. Dabei erinnern der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn und Bezirksbürgermeister Oliver Igel an die Geschehnisse, die mit dem Mauerbau ihren Anfang nahmen. Der Text der Gedenktafel nimmt darauf Bezug: „Das alte Krematorium Baumschulenweg diente dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR als Ort der Vertuschung der Todesumstände für diejenigen Menschen, die zwischen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer starben. Die Umsetzung des Schießbefehls an der Mauer sollte geheim bleiben. Totenscheine und Sterbeurkunden wurden verfälscht, Beweismittel manipuliert, Angehörige im Ungewissen gelassen, getäuscht und eingeschüchtert. Manche der hier in aller Heimlichkeit eingeäscherten Toten wurden an bis heute unbekannter Stelle beigesetzt, die Asche einiger auch an dieser Anlage. Im Gedenken an die bekannten und unbekannten Toten der Berliner Mauer, für die Angehörige keine Grabstelle für die Trauer haben“.

Die Vorgänge um Tote an der Mauer – Menschen, die aus der DDR und Ost-Berlin nach West-Berlin fliehen wollten – wurden jahrelang vom Ministerium für Staatssicherheit vertuscht. Die DDR wollte weder internationales Aufsehen erregen noch Ansehen verlieren. Für die Beisetzung oder Einäscherung der Mauertoten hatte die Stasi die Regie im Krematorium Baumschulenweg. Das MfS hatte konkrete Vorgaben zur „Bearbeitung von Leichenvorgängen, soweit es sich um Vorkommnisse an der Staatsgrenze zu Westberlin“ handelte. Leute vom MfS überwachten die Einäscherung. Aus Namen der Mauertoten wurde „Unbekannt“. Wo die Urne beigesetzt oder die Asche verstreut wurde, lässt sich vielfach nicht nachvollziehen. Aber nach ausgiebigen Recherchen konnte der Aschenhain auf dem damaligen Zentralfriedhof Baumschulenweg identifiziert werden, auf dem Mauertote ohne Grabstein oder Namensplakette beigesetzt wurden. Daran soll die Gedenktafel erinnern – und an die Zeit der Teilung mit ihren brutalen Folgen und Geschehnissen.

Es ist zwar Zufall, aber passt in diesen Zusammenhang: In Sichtweite der Tafel liegt das Grab des letzten an der Mauer Erschossenen Berliners, Chris Gueffroy. Der 20jährige wollte dem Wehrdienst entgehen und wurde, als er mit einem Freund durch den Britzer Zweigkanal von Treptow nach Neukölln schwamm, von einer Kugel ins Herz getroffen. Nicht nur in den nahen Kleingartenkolonien „Harmonie“ und „Sorgenfrei“ wurde dieser staatlich geförderte Mord bekannt, er spielte in allen Medien eine große Rolle. Deshalb konnte dieser Fall nicht wie andere vertuscht werden. In die „Berliner Zeitung“ wurde eine Traueranzeige als Einladung zur Beerdigung lanciert – viele kamen. Es war der Anfang vom Ende der Zeit des Vertuschens aus schlechtem Gewissen.

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