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Die Cottbuser Nordkurve im Spiel gegen den BFC Dynamo aus Berlin.

© IMAGO/Matthias Koch

Ermittlungen nach Fußballspiel: Cottbuser Fans singen Polizei-Vernichtungsfantasien im Stadion

Während eines Hochrisikospiels gegen den BFC Dynamo stimmen Cottbusser Ultras einen Gesang an, in dem über Mord an Polizisten fabuliert wird. Nun ermittelt die Polizei.

Fast eine Viertelstunde blieb es am vergangenen Dienstag still in der Nordkurve des Stadions der Freundschaft in Cottbus. Erst nach 13 Minuten und 12 Sekunden begannen die Cottbuser Ultras, die auf der Nordtribüne des Stadions ihre Heimat haben, die Mannschaft aktiv zu unterstützen.

Der Stimmungsboykott zu Beginn richtete sich gegen strenge Polizeiauflagen beim Hochrisikospiel der Lausitzer gegen den BFC Dynamo aus Berlin-Hohenschönhausen in der Regionalliga Nordost. Neben dem Großeinsatz mehrerer Hundertschaften hatte die Polizei beide Fanlager im Voraus mit einem Materialverbot belegt. Banner und Fahnen waren im Stadion nicht erlaubt.

Dass sich die Cottbuser Kurve dann ausgerechnet nach 13 Minuten und 12 Sekunden erstmals zu Wort meldete, hat einen Grund. Die Zahlenkombination 1312 steht für die jeweiligen Buchstaben im Alphabet. Zusammen ergibt das den Code „ACAB“, „All Cops Are Bastards“, beliebt bei Demonstrationen jeglicher Art und eben auch in der Fußballszene.

„Er geht ins Stadion und tötet Polizisten“

Sehr viel weniger verklausuliert kam der Hass der organisierten Fanszene von Energie gegenüber der Staatsmacht schließlich in einem Gesang zum Ausdruck, dessen Strophen gleich mehrmals durch das Stadion an der Spree schallten. Ein auf TikTok veröffentlichtes Video klärt auf, was genau gesungen wurde. Der Clip wurde offenbar von einem User aufgenommen, der sich zum Zeitpunkt des Liedes selbst in der Nordkurve befand.

Im exakten Wortlaut singt die Anhängerschaft der Rot-Weißen: „Stell dir vor, du kriegst ein Kind. Und es wird ein Sohn. Er geht zum Fußball und wird autonom. Er reist durchs ganze Land, um zu vernichten. Er geht ins Stadion und tötet Polizisten.“ Es folgt das fast obligatorische „Olé, Olé, Olé“.

Die Polizei, die auch während des Spiels in großer Zahl im Stadion vertreten war, bekam von den Vernichtungsfantasien der Cottbus-Fans zunächst nichts mit. Erst im Nachhinein sei man durch das Video auf den Fall aufmerksam geworden, sagt Sprecherin Ines Filohn dem Tagesspiegel. Von Amts wegen habe man am Donnerstag Ermittlungen eingeleitet.

Hochrisikospiel: Behelmte Polizei im Stadion der Freundschaft vergangene Woche.
Hochrisikospiel: Behelmte Polizei im Stadion der Freundschaft vergangene Woche.

© IMAGO/Matthias Koch

Während sich Energie und der BFC vergangene Woche mit einem 1:1 trennten, gab es vor allem abseits des Platzes brisante Entwicklungen. Im Januar war ein Mitarbeiter des BFC-Fanprojekts vor seiner Haustür überfallen worden. Die Unbekannten raubten diverse Materialien der Ultras des ehemaligen DDR-Rekordmeisters, was die Auflösung der organisierten Fanszene der Berliner zur Folge hatte. So besagt es der Kodex in dem Milieu, wonach sich Ultra-Vereinigungen auflösen müssen, wenn ihre Zaunfahnen von gegnerischen Fans gestohlen werden.

Der Überfall auf den Mann des Fanprojekts sorgte bundesweit für Aufsehen, auch weil eine solch brutale Tat direkt vor der Haustür des Opfers als ungewöhnlich gilt. Noch größer wurde die Schmach für den BFC schließlich, als vermummte Anhänger von Energie einen Tag vor dem Spiel in Cottbus das geraubte Fanmaterial im Sportforum Hohenschönhausen verbrannten – der Heimstätte des Ostberliner Viertligisten. Ein Video der Aktion wurde später auf YouTube veröffentlicht.

1:0 für das Plexiglas. Der erfolglose Versuch Berliner Fans auf das Spielfeld zu gelangen.
1:0 für das Plexiglas. Der erfolglose Versuch Berliner Fans auf das Spielfeld zu gelangen.

© IMAGO/Matthias Koch

Trotz dieses Vorfalls blieb es am vergangenen Dienstag überraschend ruhig in Cottbus. Zurückzuführen ist das vor allem auf das starke Polizeiaufgebot. Die Beamten hatten unter anderem mit einem Wasserwerfer und Hundertschaften aus Berlin und Bayern vorgebeugt. Lediglich direkt zu Beginn des Spiels musste die Partie kurzzeitig unterbrochen werden, weil ein Teil der Gästefans aus der Hauptstadt Pyrotechnik zündete und vergeblich versuchte, auf den Rasen zu gelangen.

Sowohl die Anhängerschaft von Energie Cottbus als auch die Szene des BFC machen immer wieder durch antisemitische und rassistische Vorfälle auf sich aufmerksam. Die rechtsextreme Gruppierung „Inferno Cottbus“ hatte sich 2017 aufgelöst, um einem möglichen polizeilichen Verbot zuvorzukommen. Dieselben Akteure sind jedoch auch heute noch in der Cottbuser Kurve präsent. Der Brandenburger Verfassungsschutz zählt Teile der Fußballszene in der Lausitz zum rechten „Mischgebilde“, zu dem auch Protagonisten aus den Milieus Security, Rocker und Kampfsport gezählt werden.

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