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Berlin: Ein Fall für die Feierwehr

Während am Potsdamer Platz die „Firefighter Challenge“ läuft, steigt auf Straßenfesten die Stimmung – je nach Blickwinkel

Bei städtischen Festivitäten gibt es eine Regel: Je unglamouröser die Veranstaltung, desto überzeugter und engagierter sind die Veranstalter. So sehr, dass man als Besucher manchmal nicht mehr sicher ist, ob man sich nicht vielleicht doch an Berlins „Place to be“ befindet.

Auf der zweiten Berliner „Firefighter Challenge“ sind am Potsdamer Platz etwa 150 Männer verschiedener Nationalitäten und Ortsvereine der Freiwilligen Feuerwehr in einen Wettstreit getreten. Den ganzen Sonnabend durchlaufen sie eine Art Parcours mit Feuerwehrkontext: unter anderem ein 19 Kilo schweres Schlauchpaket auf einen Turm tragen, 80 Kilogramm schwere Dummies über den Potsdamer Platz ziehen und einen Gegenstand nur mit Hilfe des Wasserstrahls eines Feuerwehrschlauches zum Umfallen bringen. Das ganze mit Rammstein-Musik-Untermalung. Die Moderatoren sind euphorisch und rufen immer wieder „Ready to rumble!“ Der Applaus der Umstehenden ist so laut, dass Menschen, die sich vorher noch nie mit dem Fan-Potenzial der Freiwilligen Feuerwehr beschäftigt haben, doch lieber auch mal ein Foto mit der Handykamera schießen. Man weiß ja nie.

Ein Ort, an dem es weniger laut zugeht, ist eine Tiergartener Bäckerei. Im Rahmen der „Magistrale 2008“, dem Kunst- und Kulturtag auf der Potsdamer Straße, an dem es zahlreiche Ausstellungen, Performances und Lesungen gibt, hat eine Künstlergruppe Betten in die Bäckerei gestellt. Man hört meditativen Walgesang, und in einem Bett liegt ein Mann und schläft. Schon seit mehr als einer Stunde. Die Künstler wollen den Schlaf in den öffentlichen Raum tragen, fordern eine Gesellschaft, in der es nicht mehr schluffig und faul rüberkommt, wenn man sich mittags für zwei Stündchen mal unter einen Baum oder auf den Bürotisch legt. Rührend und sympathisch. Die Sympathie wird in dem Moment empfindlich gedrosselt, als die Künstler kleine Kästchen verteilen und die Besucher fragen, ob sie nicht Teil einer geplanten Installation werden wollen und bereit wären, ihren morgendlichen Schlaf, also die getrocknete, grindartige Tränenflüssigkeit, die sich über Nacht im Augenwinkel angesammelt hat, in dieses zu Kästchen legen und an die Künstler zu schicken.

Wem das zu persönlich ist, der sollte seine Zeit lieber auf einem Bezirksstraßenfest verbringen, auf dem man sicher sein kann, nicht angesprochen zu werden. Zum Beispiel auf der 25. „Singenden, klingenden Sonnenallee“, dem Neuköllner Herbststraßenfest. Auch dieses Fest gibt sich selbstbewusst. Die Selbstbeschreibung als „Festmeile“ und die Beschreibung der Besucher als „in Einkaufs- und Feierlaune“ befindlich, ist zumindest am Samstagvormittag reiner Euphemismus. Aber der Moderator auf der Bühne lässt nicht locker und spricht zwischen Bratwurstgrill und Schuh-Fabrikverkaufsstand vor einem einzigen alten Mann auf einer Bierbank von „dem“ Event der Hauptstadt, von dem noch ewig gesprochen werden wird. Zumindest bis zum nächsten Wochenende. Denn da findet das Resifest in Reinickendorf statt. „Das schärfste Straßenfest aller Zeiten“, heißt es auf dem Plakat. Elena Senft

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