zum Hauptinhalt
Eine Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus.

© dpa/Wolfgang Kumm

Update

29-Euro-Ticket, Energiezuschüsse, Mietenstopp: Berliner Abgeordnetenhaus beschließt Drei-Milliarden-Euro-Hilfspaket

In Rekordzeit hat das Berliner Abgeordnetenhaus einen Nachtragshaushalt beschlossen. Damit einher gehen umfangreiche Entlastungen für die Berliner.

| Update:

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat am Montag als erstes deutsches Landesparlament ein umfassendes Entlastungspaket verabschiedet. Die Parlamentarier erhöhten das milliardenschwere Hilfspaket am Wochenende noch einmal von 2,6 Milliarden Euro auf 3 Milliarden Euro. Es wurde am Montagmittag mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken beschlossen.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte im Parlament: „In Düsseldorf, Wiesbaden und sogar in München wird noch über Maßnahmen diskutiert. Wir beschließen hier heute ein Entlastungspaket, das ziemlich einzigartig ist im Bundesvergleich.“

Giffey sagte, man wollte mit dem Entlastungspaket die Maßnahmen der Bundesregierung unterstützen. Durch das Paket werden unter anderem das 29-Euro-Ticket für alle Berliner, ein Neun-Euro-Ticket für arme Menschen, der Kündigungs- und Mietenstopp für kommunale Mieter sowie weitere Energiehilfen für Verwaltung, Privatpersonen und Vereine und soziale Träger und auch ein Insolvenzschutz für die Berliner Wirtschaft finanziert.

Berlin könne sich das leisten, sagte Giffey, weil man nicht nur mehr Steuereinnahmen durch die Inflation habe, sondern auch besser als andere Bundesländer durch die Pandemie gekommen sei. „Berlin liegt mit 3,7 Prozent Wachstum deutlich über dem Bundesschnitt“, sagte Giffey.

2,6 Milliarden Euro des Entlastungspaketes werden vor allem aus 1,3 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen und durch schon frühzeitig eingeplante Einnahmeänderungen finanziert. Dies war die ursprüngliche Höhe des von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) vorgeschlagenen Nachtragshaushaltes. Das Parlament hatte diese Summe am Wochenende noch einmal um 400 Millionen Euro erhöht, wofür neue Schulden gemacht werden müssen. Damit wurde eine deutliche Erhöhung der Hilfen für Unternehmen, der Sanierung maroder Schulen und für energetische Sanierungen freigegeben.

Außerdem werden künftig auch Menschen mit Kohle- und Ölheizungen bei den Energiekosten unterstützt. Eine eher kleiner Posten veranschaulicht die ernsthaften Bestrebungen des Senats zur Rekommunalisierung der Gas- und Fernwärmeversorgung der Stadt: Drei Millionen Euro zusätzlich dürfen für das Anheuern von Beratungsfirmen zum Abwickeln des Deals mit dem schwedischen Energie-Konzern Vattenfall investiert werden.

Franziska Giffey sagte dazu im Abgeordnetenhaus: „Gute Sozialpolitik ist dann finanzierbar, wenn wir gute Wirtschaftspolitik machen. Ich will beides.“ Mit Blick auf die am Mittwoch anstehende Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofes über eine komplette Wahlwiederholung sagte die SPD-Politikerin: „Dieser Nachtragshaushalt ist Zeichen für die Handlungsfähigkeit dieser Landesregierung, für unsere Entschlossenheit und Schnelligkeit.“

Kai Wegner kritisiert beschlossenes Entlastungspaket

Deutliche Kritik am Entlastungspaket kam von Oppositionsführer Kai Wegner (CDU). Er sagte bei seiner Rede: „Der Senat will sich eine Menge Geld geben lassen. Aber er hat noch keinen Plan, was er damit eigentlich anstellen will.“ Bislang sei noch nicht klar, wie genau die Menschen entlastet werden sollten. „Für diesen Haushalt feiern sie sich. Für die Berliner gibt es aber nichts zu feiern“, sagte Wegner.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende kritisierte mit Blick auf das erwartete Urteil des Verfassungsgerichtes schon am Mittwoch auch die fehlende Geschwindigkeit. „Erst verschläft der Senat die korrekte Organisation der Wahlen und jetzt verschläft der Senat fast die Energiehilfe für alle Berliner“, sagte Wegner. Senat und Abgeordnetenhaus hatten den Haushalt in nur 14 Tagen erst im Senat beschlossen und dann im Parlament verabschiedet. Der Grund ist die drohende Rechtsunsicherheit durch das Verfassungsgerichtsurteil zur Wahl im vergangenen Herbst.

Ähnlich äußerte sich auch die AfD-Vorsitzende Kristin Brinker: „Ein Nachtragshaushalt ist mit der gleichen Sorgfalt aufzustellen wie ein regulärer Haushalt. Die gesamten Beratungen umfassten gerade einmal wenige Tage“, sagte sie.

Die Opposition sieht das Geld an einigen Stellen falsch investiert. CDU-Fraktionschef Wegner forderte etwa, die Parkgebühren komplett auszusetzen für den Zeitraum der Krise. Das entlaste die Autofahrer Berlins und sei ein Förderprogramm für die Berliner Händler. Stattdessen finanziere die Koalition ein „Parkplatzvernichtungsprogramm“, meint Wegner.

Auch FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sieht Geld fehlinvestiert: „Eine halbe Milliarde Euro für den Alleingang 29-Euro-Ticket wären an anderer Stelle besser aufgehoben gewesen. Wir Freie Demokraten haben daher beantragt, sowohl auf die Erhöhung der Netzentgelte bei der landeseigenen Stromnetz Berlin GmbH, als auch auf die Erhebung der Straßennutzungsgebühren im Jahr 2023 zu verzichten“, sagte der FDP-Politiker.

SPD, Grüne und Linke verteidigen Entlastungspaket

Die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und Linken verteidigten das Entlastungspaket gegen jede Kritik. SPD-Fraktionschef Raed Saleh zeichnete das Bild einer langfristigen Entlastungsstrategie von Rot-Grün-Rot. „Der Nachtragshaushalt schafft soziale Sicherheit für die Berlinerinnen und Berliner“, sagte der SPD-Politiker. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Silke Gebel sagte in ihrer Rede: „Seit Oktober hat Berlin als einziges Bundesland ein 29-Euro-Ticket. Wir bewahren ein soziales Berlin. Mobilität darf kein Luxusgut sein.“

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz betonte die Geschwindigkeit, mit der die Koalition das Hilfspaket beschlossen hatte: „Wir haben als rot-grün-rote Koalition schneller und entschlossener gehandelt als die Ampel auf Bundesebene. Und wenn sie fragen, was ist denn der Unterschied der Berliner Koalition zur Ampel?“ Schatz beantwortete die Frage gleich selbst: Es sei die Beteiligung der Linkspartei, die den Unterschied mache.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false