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© dpa / Christian Ender

„Die Staatsanwältin platt machen“: Neue Hinweise zu Tilo P. im Neukölln-Prozess

Im Prozess zur rechtsextremen Anschlagsseri legen die Ermittler mit abgehörten Telefonaten und Zeugen gegen einen der Angeklagten nach. Die Beweiskraft muss das Gericht prüfen.

Bislang hatte die Staatsanwaltschaft kaum harte Beweise gegen die beiden Neonazis Tilo P. und Sebastian T. Sie werden verdächtigt, an mindestens zwei Brandanschlägen unter anderem auf das Auto des Linke-Politikers Ferat Kocak beteiligt gewesen zu sein. Nach den ersten Verhandlungstagen vor dem Amtsgericht Tiergarten liegen neue, teils widersprüchliche Hinweise zum früheren AfD-Politiker P. vor. Zuerst hatte die „B.Z.“ berichtet.

Ermittler des Landeskriminalamtes hatten im Februar ein Telefonat abgehört, dass P. aus der Untersuchungshaft in Moabit heraus mit seiner Freundin geführt hat. Dabei sagte der 39-Jährige, er habe „nur Schmiere“ gestanden, aber nicht an dem Tag, als Kocaks Autos in Brand gesetzt wurde. Er wolle Sebastian T. auch „nicht verpfeifen“ und wisse gar nicht, ob T. den Anschlag begangen hat.

Zuvor hatte der Neonazi Maurice P. dem Verfassungsschutz eine ähnliche, aber weniger präzise Aussage von Tilo P. übermittelt. Maurice P. befand sich zur gleichen Zeit wie Tilo P. in Untersuchungshaft, spitzelte für den Nachrichtendienst und wurde dafür später von der Haft verschont. Wie der Verfassungsschutz der Generalstaatsanwaltschaft im November 2021 mitteilte, soll P. dem Neonazi-Spitzel gesagt habe, dass man ihm „jetzt auch noch wegen der anderen Sachen was anhängen“ wolle, dabei habe er „nur Schmiere“ gestanden.

Schwer belastet wird P. von der Exfreundin seines Bruders

Schwer belastet wird P. von der 46-jährigen Ex-Freundin seines Bruders. Letzterer soll ihr regelmäßig „aufs Maul gehauen“ haben. LKA-Beamten sagte die Kosmetikerin aus Schleswig-Holstein im August, dass sie ein Gespräch der beiden Brüder und deren Mutter belauscht habe. Dabei soll P. berichtet haben, dass er in Untersuchungshaft „einen Kumpel“, „auch so ein Neonazi“, wieder getroffen habe.

Offenbar handelt es sich um Maurice P. Dem habe er erzählt, dass er das „Auto angezündet hat“ und „an den Brandstiftungen beteiligt gewesen“ sei. Die Zeugin berichtete auch, dass sie Tilo P. gefragt habe, ob er mit den Brandstiftungen zu tun hat. Er habe sie „nur hämisch angegrinst“.

Daneben soll Tilo P. häufig mit einem „Basti“ telefoniert haben. Ob es sich um dem mitangeklagten Sebastian T. handelt, blieb unklar. Beide sollen sich darüber unterhalten haben, dass sie die „Staatsanwältin platt machen“ und herausfinden wollen, wo sie wohnt. In einem Gespräch mit ihr soll sich P. abfällig über die vielen Ausländer am Strand geäußert haben und „dass man mit einem Lkw drüberfahren sollte“. Mögliches Motiv für die Aussage der 46-Jährigen ist Rache: Tilo P. soll sie beleidigt haben. Zudem wollte sie gegen ihren Ex-Freund und P. bei der Polizei eine Strafanzeige stellen.

Erst vor Gericht wird sich zeigen, welchen Beweiswert all das hat. Montag ist der dritte von bislang zehn geplanten Prozesstagen gegen P. und T. Der Verteidiger von Tilo P., der Anwalt Mirko Röder, sagte: „Wenn die Ermittlungen auf mittelbare Zeugenaussagen und Knastzeugen zurückgreifen müssen, stehen sie unmittelbar vor Waterloo.“ Er ließ offen, ob er eine vernichtende Niederlage für die Anklage oder seinen Mandanten meint.

P. und T. sind wegen Sachbeschädigung und Brandstiftung anklagt. Sie sollen am 1. Februar 2018 die Autos des Buchhändlers Heinz Ostermann und des Linke-Politikers Kocak in Brand gesetzt haben. Die Ermittler machen beide auch für anderen Taten in der Serie rechtsextremer Attacken, mehr als 70 Straftaten seit 2013, verantwortlich.

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