zum Hauptinhalt
Die Berliner Polizei löst am späten Samstagabend die propalästinensische Versammlung an der Sonnenallee in Neukölln auf.

© dpa/Paul Zinken

„Das war Kriegsverherrlichung“: Ruf nach Verbot propalästinensischer Gruppen in Berlin wird lauter

Der Bundeskanzler, Berlins Antisemitismusbeauftragter und weitere Politiker äußerten sich beschämt. Auf der Sonnenallee hatten Demonstranten am Samstagabend die Terrorattacken auf Israel gefeiert.

Nach mehreren Aktionen propalästinensischer Gruppen wie „Samidoun“ in Berlin infolge des Angriffs der islamistischen Hamas auf Israel sind Forderungen nach einem Verbot laut geworden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte die propalästinensischen Freudenfeiern. „Wir akzeptieren es nicht, wenn hier auf unseren Straßen die abscheulichen Attacken gegen Israel gefeiert werden“, sagte der SPD-Politiker am Sonntag in Berlin. „Das Leid, die Zerstörung, der Tod von so vielen Menschen kann für niemanden Anlass zur Freude sein.“

Anhänger der Gruppe „Samidoun“ waren am Sonnabend auf der Sonnenallee aufmarschiert, um die Terrorattacken auf Israel zu feiern. „Eine Organisation wie Samidoun darf sich nicht in Deutschland betätigen“, sagte Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) am Sonntag dem Fernsehsender „Welt TV“. „Seit Samidoun stärker in Neukölln aktiv ist, haben wir vermehrt hetzerische Demonstrationen, auf denen Israelhass propagiert wird“, sagte Hikel. Er forderte das Bundesinnenministerium auf, ein Betätigungsverbot gegen die radikale Gruppe auszusprechen. „Die widerliche Terrorpropaganda von Samidoun ist in Israel zu Recht verboten und muss auch in Deutschland verboten werden“, sagte er.

Anhänger von „Samidoun“, einer Vorfeldorganisation der Terrorgruppe PFLP, hatten am Sonnabend auf der Sonnenallee zunächst Süßigkeiten verteilt – nach eigenen Angaben als „Feier des Sieges des Widerstands“. Nach Interviews eines Teams von „Welt TV“ hatten mehrere Samidoun-Männer die beiden Journalisten bedrängt und dazu gezwungen, die Aufnahmen zu löschen. Am Abend dann hatten sich mehr als 60 Personen in der Sonnenallee versammelt, Samidoun übertrug Livebilder davon via Instagram. Auch linke Gruppen hatten sich an der Aktion beteiligt.

Auch Berlins Antisemitismusbeauftragter Samuel Salzborn forderte am Sonntag ein schärferes Vorgehen gegen Anhänger des palästinensischen Terrors in der Hauptstadt – bis hin zum Verbot. Er zeigte sich erschüttert über das selbstbewusste Auftreten palästinensischer Gruppen in Berlin nach dem brutalen Vorgehen der Hamas gegen israelischer Bürger.

Antisemitismusbeauftrager: „Samidoun zeigt sich als zentraler Akteur“

„Ohne organisatorische Strukturen wäre das in diesem Ausmaß nicht denkbar, es bedarf dringend Vereins- und Betätigungsverbote, wie sie bei der Innenministerkonferenz Ende 2022 bereits thematisiert wurden“, sagte Salzborn. „Es ist nicht fünf vor, sondern schon lange fünf nach zwölf für das Agieren der wehrhaften Demokratie gegen antisemitisch-terrorverherrlichende Organisationen.“ Die Zuständigkeit, zu prüfen, welche Organisationen dabei in den Blick genommen werden müssen, liege beim Bund, sagte Salzborn. Und er fügte hinzu: „Samidoun zeigt sich aber seit geraumer Zeit als zentraler Akteur.“

Die Demonstranten hatten unter anderem „Yallah Intifada“, „Free Palestine“ und „From the river to the sea“ skandiert, das von der Polizei üblicherweise bei Demonstrationen verboten wird, da es das Existenzrecht Israels infrage stellt. Auch Sprechchöre wie „Hoch die internationale Solidarität“ und „Deutschland finanziert, Israel finanziert“ waren zu hören.

Der antisemitische Hass richtet sich gegen Jüdinnen und Juden, aber auch gegen die Pressefreiheit und das Gewaltmonopol des Staates.

Samuel Salzborn, Antisemitismusbeauftragter des Landes Berlin.

„Wer sich bei solchen antisemitischen Terrorattacken nicht mit Israel solidarisiert, ergreift Partei für den antisemitischen Terror“, sagte der Antisemitismusbeauftragte Salzborn. „Wir erleben das auf Berliner Straßen, der antisemitische Hass wird verbunden mit Angriffen auf Presse und Polizei. Er richtet sich gegen Jüdinnen und Juden, aber auch gegen die Pressefreiheit und das Gewaltmonopol des Staates.“

Bezirksbürgermeister Hikel sagte zu den Aktionen in Neukölln: „Ich war entsetzt, das war Kriegsverherrlichung.“ Derlei Aktionen sollten bewusst den Rechtsstaat provozieren und Opfer aus Israel verhöhnen. Hikel mahnte außerdem, dass Präventionsprogramme überprüft werden müssten: „Wir müssen schauen, wie gut die Projekte an den Schulen funktionieren, wie wirksam sie wirklich sind. Das ist eine langfristige Aufgabe.“

Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD).

© dpa/Paul Zinken

Bereits am Samstag hatte sich Hikel zu den palästinensischen Angriffen auf Israel und der Sicherheitslage in Berlin geäußert. „Tage wie heute zeigen einmal mehr unser Privileg, in Frieden leben zu dürfen“, erklärte er über den Kurznachrichtendienst X. Er appelliere an alle in Neukölln und in Berlin, diesen Frieden zu bewahren.

„Es ist nachvollziehbar, dass es in den kommenden Stunden und Tagen zu Solidaritätsversammlungen kommen wird. Aber in keinem Fall ist Gewalt oder die Verherrlichung von Terror gerechtfertigt“, erklärte Hikel. „Ich bin sicher, dass die Polizei Berlin das Versammlungsrecht sicherstellt und gleichzeitig rigoros gegen jede Straftat vorgehen wird. Dabei hat sie meine volle Unterstützung.“

Berliner Politiker äußern sich beschämt

Zuvor hatte am Sonnabend der israelische Botschafter Ron Prosor vor Angriffen auf israelische und jüdische Einrichtungen in Deutschland gewarnt. In der jetzigen Situation bestehe die „höchste Gefahr“ solcher Anschläge, sagte er. Er vertraue aber auf die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden. „Ich weiß, dass der Bürgermeister von Berlin und auch die Innenministerin die Sache jetzt im Griff haben.“

Ron Prosor, israelischer Botschafter in Deutschland.

© dpa/Fabian Sommer

Prosor sagte, Jubel über die Ermordung von Zivilisten habe keinen Platz – weder in Israel oder Deutschland noch sonst irgendwo auf der Welt. „Diejenigen, die das tun, müssen zur Strafe gebracht werden“, sagte er. Samidoun sei „ein trojanisches Pferd“, das die deutsche Demokratie missbrauche. „Was sind diese Leute? Das sind Barbaren“, so der israelische Botschafter. Die Aktionen von Samidoun dürfe man „in Berlin und auch an anderen Plätzen nicht erlauben“.

Der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Dirk Stettner, hatte noch am Abend im Hinblick auf die Aktionen erklärt: „Ich schäme mich für unsere Stadt.“ Die langjährige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau (Linke) sagte nach „Samidoun“-Aktion in Neukölln infolge der Hamas-Angriffe auf Israel: „Wer diese Verbrechen auf Berliner Straßen oder im Netz feiert, macht sich zum Komplizen.“ Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) erklärte: „Solche Bilder wie in der Sonnenallee will ich in unserer Gesellschaft auch nicht dulden.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false