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Grenzenlos unterwegs: Von Zehlendorf nach Lettland: Wir sind Europa!

Unsere Autorin kann sich noch daran erinnern, wie sie als Kind lange Stunden an der Grenze warten musste. Heute erscheint einem das grenzenlose Reisen selbstverständlich. Dabei sollte jeder von uns das friedliche Miteinander viel mehr schätzen. Und sich dafür einsetzen.

Wir fahren einfach rüber. Das einzige Zeichen, das noch auf einen Grenzübertritt hinweist, ist der einsam vergessene Grenzposten. Wie ein Überbleibsel, durch welches ich mich um einige Jahrzehnte zurückversetzt fühle. Welche Menschen haben hier wohl gearbeitet, wie viele standen Ewigkeiten mit Angst und Unbehagen vor den Schranken mit einem dumpfen Gefühl von Panik. Und dann liegt der Posten schon einige hundert Meter hinter uns, und wir sind einfach so nach Lettland gereist. Und doch blieb über die Sommerferien das Gefühl, dass jeder Grenzübertritt, jeder alte Posten auf unserer Reise durchs Baltikum uns zeigen will, wie sehr sich die Lage verändert hat.

Grenze bedeutete ein Gefühl von Eingesperrtsein und Beklemmung

Bei dem Gedanken an Grenzkontrollen erscheint bei mir sofort eine bestimmte Szene vor dem inneren Auge: Als ich sieben oder acht Jahre war, standen wir mit vollem Auto mit unseren Schlitten im Gepäck an der Grenze zum Riesengebirge. Draußen war es extrem kalt, und vor uns waren die nächsten zweihundert Meter gepflastert mit anderen wartenden Autos und LKWs. Und wir alle wollten nur eins: Durch die Grenzkontrolle, die einem Nadelöhr glich, auf die andere Seite. Endlich diesem unendlich langen Warten ein Ende setzen.

Es war einmal eine Grenze, und irgendwann gab es auch mal Grenzposten!
Es war einmal eine Grenze, und irgendwann gab es auch mal Grenzposten!

© privat

Diesen Film, so oder so ähnlich, kennen vermutlich viele Menschen. Und viele verbinden diesen wahrscheinlich mit einem Gefühl des Eingesperrtseins, mit Beklemmung. Und wenn man sie fragt, wie viel Zeit sie wohl vor so einem Nadelöhr verbracht haben, beginnen sie, länger in ihrer Vergangenheit zu graben. Für mich bedeutete dieses Warten damals einfach Langeweile. Doch für Viele war eine solche Grenze - vor allem nach nach West, aber auch nach Ost - eine schwere Hürde. Würde man an seinem ersehnten Ziel ankommen?

Ob die ehemalige Grenze gleich um die Ecke nach Brandenburg oder auch nach Frankreich oder Österreich, heute ist es kaum vorstellbar, erst nach langen Kontrollen diese Grenzen passieren zu können. In meiner bewussten Erinnerung fällt mir sonst keine weitere wirkliche Kontrolle mehr ein. Wenn, dann nur diese eine aus einer verschwommenen Kindheitserinnerung, ganz weit weg.

Die EU muss sich weiterentwickeln

Durch das Schengen-Abkommen können wir in so viele Länder unbeschwert einreisen. Allein die Möglichkeit, mit dem Perso in der Tasche ungebunden quer durch Europa reisen zu können, schafft ein Gefühl von Grenzenlosigkeit. Grenzen überschreiten ohne Warten zu müssen.

Hätten wir die bis jetzt verlaufenen Entwicklungen unseren Großeltern vor vierzig Jahren erzählt, hätte wahrscheinlich kaum einer eine so grenzenlose Entwicklung Deutschlands und Europas für möglich gehalten. Und ich denke auch, dass man die Tätigkeit der einzelnen europäischen Organe oder das Schengen-Abkommen hinterfragen muss.

Ein Herz für Flüchtlinge

Es kann nicht alles gut sein, sonst müsste sich die EU auch nicht weiterentwickeln. Aber dennoch finde ich, sollten wir nicht das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren, das freundschaftliche Miteinander.

Hier ist Europa, und hier ist Lettland!
Hier ist Europa, und hier ist Lettland!

© privat

Und sind wir nicht schon auf dem besten Wege, dieses Ziel zu erreichen? Schließlich sind wir alle ein Teil dieser Entwicklung. In Brüssel werden lediglich die großen Beschlüsse gefasst, aber die wirkliche Aufgabe liegt bei jedem von uns, da wir nur gemeinsam Grenzenlosigkeit und Freiheit leben können. Auch wenn es manchmal vielleicht etwas schwer fällt, das "Miteinander" zu leben, sollten wir vor allem auch Verantwortung gegenüber Flüchtlingen zeigen. Wir alle würden auf die gleiche Reaktion hoffen, wenn wir aufgrund von Krieg oder Verfolgung unsere Heimat verlassen müssten.

Wir haben das Glück, diese friedensorientierte Entwicklung leben zu dürfen und innerdeutsche sowie europäische Grenzen eigentlich nur noch aus dem Geschichtsbuch zu kennen. Durch Diplomatie und aus dem aufeinander Zugehen kennen wir keine wirklichen Grenzen mehr! Nun liegt es an uns allen, diese zu leben und zu erweitern.

Die Autorin ist 17 Jahre und lebt mit ihrer Familie in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin dieser Zeitung.

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