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Britta Jürgs leitet den AvivA-Verlag

© Klara-Emilia Kajdi

Verlag aus Moabit: Vergessenen Frauen eine Stimme geben

Seit einem Vierteljahrhundert betreibt Britta Jürgs den AvivA-Verlag. Dort veröffentlicht sie fast ausschließelich Bücher von Frauen und über Frauen.

Berlin zeigt sich an diesem Februartag von seiner trübsten und windigsten Seite. Doch in Britta Jürgs Büro in der Emdener Straße in Moabit dominieren bunte Farben: Für die Cover der Bücher, die sie in ihrem AvivA-Verlag publiziert, wählt sie mit Vorliebe ein leuchtendes Türkis, ein strahlendes Orange oder ein sattes Rot aus – das seien ihre Lieblingsfarben, erzählt sie mir. Längst sind sie außerdem zu einem Markenzeichen des unabhängigen Verlags geworden, den die gebürtige Frankfurterin (das Frankfurt am Main) seit 1997 als Ein-Frau-Unternehmen führt.

Dass es den AvivA-Verlag überhaupt gibt, hängt mit einer Lücke zusammen. Anfang der 1990er-Jahre recherchierte Britta Jürgs unter anderem über Künstlerinnen und Schriftstellerinnen des Surrealismus. Und fand in Deutschland keine Bücher dazu. „Wie in so vielen Themenbereichen gab es damals zwar lauter Texte über die Männer des Surrealismus, aber nicht über die Frauen“, erzählt sie.

Also entschied sie, selbst welche in Auftrag zu geben – und dafür gleich einen Verlag zu gründen. Es entstand eine ganze Reihe mit Porträts über Künstlerinnen der Jahrhundertwende, des Expressionismus, der Neuen Sachlichkeit und des Dadaismus, die den Grundstein für die verlegerische Arbeit der Literaturwissenschaftlerin und Kunsthistorikerin legten.

Mit der Namenswahl – „Aviva“ kommt aus dem Hebräischen und ist die weibliche Form von „Frühling“ – stand dann auch der Schwerpunkt fest: Der AvivA-Verlag publiziert ausschließlich – mit zwei Ausnahmen – Texte von Frauen und über Frauen. Viele von ihnen, wie Ruth Landshoff-Yorck oder Lili Grün, waren zu Lebzeiten sehr bekannt, verschwanden nach ihrem Tod aber im Vergessen. Sie bekommen in der Reihe „Wiederentdeckte Schriftstellerinnen“ ihre gebührende Anerkennung.

Auf Schatzsuche in Antiquariaten

Auch den Mut, den Frauen wie Nellie Bly oder Alma M. Karlin aufbrachten, die Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts allein auf Weltreise gingen, würdigt der Verlag. Im vergangenen Herbst erschien überdies der letzte Text, den Virginia Woolf vor ihrem Selbstmord publizierte – eine Biografie des Künstlers Roger Fry – zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt.

Einige der lange vergessenen Texte hat Britta Jürgs beim Stöbern in Antiquariaten oder durch Hinweise von Autorinnen und Autoren gefunden. Oftmals hat dies erstmal eine aufwändige Recherche zur Folge, um die Rechteinhaber der lange verstorbenen Autorinnen zu ermitteln.

Preiswürdiges Engagement

Für ihr verlegerisches Engagement wurde Britta Jürgs bereits mehrfach ausgezeichnet: 2019 und 2022 erhielt sie den Deutschen Verlagspreis und 2020 den Berliner Verlagspreis; 2021 bekam sie die Rahel-Varnhagen-von-Ense-Medaille, die für besonderen Verdienste um die Förderung des literarischen Lebens in Berlin vergeben wird. Auf der Leipziger Buchmesse im kommenden April wird ihr außerdem der Kurt-Wolff-Preis verliehen.

Nach über 25 Jahren ist Britta Jürgs noch immer tagtäglich mit Freude bei der Arbeit. Obwohl die Zeiten für Verlage, vor allem jene ohne großen Konzern im Hintergrund, nicht leicht sind: Die Preise für Papier sind gestiegen, sodass viele Verlage auch die Preise für Bücher anheben mussten – während gleichzeitig immer weniger Menschen Bücher kaufen.

Hinzu kommt die Schwierigkeit, auf einem Buchmarkt mit jährlich über 70.000 Neuerscheinungen als kleiner Verlag überhaupt sichtbar zu bleiben. An Rente denkt die 59-Jährige trotzdem noch lange nicht: Sie will weitermachen, solange es geht.

Dies ist ein Text aus dem wöchentlichen Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Mitte, der jeden Mittwoch erscheint. Weitere Themen in dieser Woche sind unter anderem:

  • Same procedure as every year: Berlin hat schon wieder gewählt – das sind die Ergebnisse für Mitte
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  • Unternehmen insolvent: Bau der „Einheitswippe“ in Gefahr
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