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Kurbad Prenzlauer Berg. Das Wasser ist kalt, aber das Ambiente warm. Tagsüber wird im neuen Stadtbad wieder geschwommen, abends weiterhin gefeiert.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin-Prenzlauer Berg: Im Stadtbad Oderberger Straße wird wieder geschwommen

Das Stadtbad Oderberger Straße ist nach 30 Jahren wieder offen für alle – und erfrischend kühl. Das Becken unter Stuckdecken wurde für 18 Millionen Euro saniert.

1972 trottete Anke Schmalz mit anderen ABC-Schützen von der Gleimstraße rüber in die Oderberger Straße: Ein Mal wöchentlich kamen die Kinder der Polytechnischen Oberschule hierher, um Schwimmen zu lernen. Und weil die durchtrainierte 50-Jährige heute noch „in der Schönhauser“ wohnt, im Herzen von Prenzlauer Berg, zieht sie an diesem Montagmorgen wieder ihre Bahnen im 20-Meter-Becken. Dass das nach Jahrzehnten wieder möglich ist, grenzt – in diesem Fall darf man es wohl wirklich so sagen – an ein kleines Berliner Weltwunder.

Denn ein Stadtbad von 1920 zu betreiben, mit Stuck und Kartuschen an den Wänden, einem mit Säulen und Bögen aufgehübschtem Piano Nobile sowie großen Fensterflächen, ist so rentabel wie, sagen wir: ein Barockschloss in der Mark. 18 Millionen Euro investierte Sprachschulen-Besitzerin Barbara Jaeschke in den Pool mit Saunabereich und trotz Eintrittspreisen von sechs Euro „können wir davon nicht mal die Reinigung bezahlen“.

Barbara Jaeschke hat das alte Stadtbad Oderberger Straße sanieren lassen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Warum Jaeschke trotzdem diesem Wunsch des Bezirks erfüllte? „Weil wir mit dem Bad das Karree schließen konnten, zu dem unser Hotel und unsere Sprachschule gehören.“ Jetzt hat Jaeschke, die 1983 als Kleinunternehmerin aus Niedersachsen in die Mauerstadt West-Berlin zog, ihre eigene ruhige „Insel“ in der rummeligen Ost-Touristenmeile: im Inneren des Blocks zwischen Kastanienallee und Oderberger Straße.

Manufakturen gab es hier zu DDR-Zeiten, die Hüte fertigten, Kleider schneiderten und Berlin-Kosmetik rührte hier Salben an. Heute feiern Audi-Manager das neue Modell, Lobbyisten Finanzminister Wolfgang Schäuble oder Gäste einen Jubilar, sie schlendern über Kieswege im Blockinneren, kurz, die Präsentations- und Party-Noblesse hat übernommen.

Die Wassertemperatur liegt bei nur 22 Grad

Auf halber Treppe im Becken stoppt eine junge Frau mit Schultertatoo, sie verzieht das Gesicht: „uuuhhh, ist das kaaalt!“. Der Vater der beiden Jungs mit den orangeleuchtetenden Schwimmflügeln rät der Unternehmerin, sie möge die von der Decke herunterhängenden Lampenzylinder durch „Heizleuchten“ ersetzen. Nur Anke Schmalz findet die Temperatur genau richtig: „Bei den meisten Bädern steigt man mit rotem Kopf aus dem Wasser, wenn man richtig schwimmt“, sagt die Vereinssportlerin von „Aqua Berlin“.

Auch Chefin Jaeschke findet 22 Grad ausreichend. Zumal sie vor Veranstaltungen die Temperaturen wieder drosseln muss, damit die Braut nicht kocht in ihrem Hochzeitskleid oder der Manager in seinem Dreiteiler. Veranstaltungen wird es nämlich trotz Schwimmbetrieb weiterhin geben. Dann drücken Pumpen das Wasser in ein zweites, unterm Bad gelegenes Auffangbecken, der türkis geflieste Beckenboden wird hochgefahren, mit Schutzfolie überzogen und steht als Tanzfläche bereit . Dann tragen die Mannen vom Hotelbetriebs, das auch im Altbau untergebracht ist, Speisen und Getränke auf und die Party kann steigen.

Am ersten Tag nur wenige Badegäste

So gesehen schließt das sanierte Badehaus nahtlos an die eigene bewegte Geschichte an: An die frühe als Bäderanstalt ebenso wie an die spätere als Partylocation in der Hauptstadt der Provisorien. Nur dass keine strenge Tür mehr das Publikum sortiert sondern einfach nur Cash – wer’s bezahlen kann, bekommt es.

Und wie kommt es an im Kiez? Eine Handvoll Schwimmer sind es an diesem Morgen. Dabei rang der Bezirk hart darum, dass nicht noch ein Spa-Betrieb zur Bespaßung von Hotel-Gästen hier entsteht. Und der Verdienst von Unternehmerin Jaeschke ist es, Wort gehalten zu haben, obwohl „das Bad Geld verbrennt“.

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