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Der Linienverzweiger auf dem Tuchollaplatz.

© Thomas Lang

Die vielleicht kleinste Galerie Berlins: Der Linienverzweiger in Lichtenberg wird 20 Jahre alt

Seit fast 20 Jahren wird in einem ehemaligen Linienverzweiger auf dem Tuchollaplatz in Lichtenberg Kunst präsentiert. Die aktuelle Ausstellung besteht aus Müll.

Anfang des 20. Jahrhunderts dienten Linienverzweiger (LVz) zum Zusammenfassen von Telefonkabeln. Oberirdisch sehen sie aus wie Litfaßsäulen, sie haben heutzutage keine Funktion mehr. Eines der letzten Exemplare steht auf dem Tuchollaplatz in Berlin-Lichtenberg und wird für Kunstinstallationen verwendet.

Das Projekt ist das Ergebnis von bürgerlichem Engagement: „Wir wollten für unseren Tuchollaplatz ein Objekt haben, mit dem wir etwas anfangen können – und keinen bronzenen Zille“, erzählt der Künstler Thomas Lang, der von Beginn an dabei war.

Im Jahr 2001 wollte die Stadt erst eine Bronzestatue von Heinrich Zille anstelle des Linienverzweigers aufstellen. Immerhin hatte der bekannte Grafiker und Künstler einst in der Nähe gewohnt. Man entschied sich jedoch für das Projekt aus der Bürger:innenschaft. Ein Jahr später erhielt Thomas Lang Geld für die Umsetzung des Projekts. Der Bezirk finanzierte den Umbau des Linienverzweigers.

Die aktuelle Ausstellung von Lacy Barry: Bitte nähertreten!
Die aktuelle Ausstellung von Lacy Barry: Bitte nähertreten!

© Lacy Barry

Anfangs stellte sich der Linienverzweiger quasi selbst aus. Die neu eingesetzten Glasscheiben ermöglichten den Einblick in seine Technikgeschichte. Dann wurde eine Kurbel montiert, mit der ein „Fotokarussell“ mechanisch zu bedienen war. Titel: „fünfbauwagensiebencontainervierautos“. Zu sehen war ein Straßenpanorama der Pfarrstraße, aufgenommen 1996, als die Straße eine einzige Baustelle war.

Es folgte der „Schmetterlingseffekt-Generator“: eine interaktive Webinstallation, in der silberne Schmetterlinge aus dem gegenüber ansässigen Schmuckatelier im Linienverzweiger bewegt werden konnten.

Bis heute finden hier in loser Folge Ausstellungen statt. Der Linienverzweiger ist Schaufenster für kreative Menschen aus der näheren Umgebung. So veranstaltete der Buchladen Paul+Paula aus der Pfarrstraße mehrere Matinees mit dem Linienverzweiger als Bühnenbild.

Nichts ist eigentlich Müll.

Lacy Barry, Künstlerin

Derzeit bespielt Lacy Barry den Verzweiger. Noch bis zum 17. November ist ihre Ausstellung „Hyper-Colored-Oracle-Mountain“ zu sehen. Die Künstlerin präsentiert eine Ausstellung über Müll und wie dieser zu Nährstoff im Umweltsystem werden kann. „Nichts ist eigentlich Müll“, sagt Barry. Alles könne wiederverwendet werden und einen Nutzen erfüllen.

Der hyperfarbige „Oracle Mountain“ ist komplett aus kaputten Dingen, übrig gebliebenen Materialien und Farbe, Pappe, Bastelmaterial und Papier aus anderen Recyclingprojekten hergestellt. „Ich bearbeite meinen Müll, arrangiere ihn schön und betrachte ihn als einen Teil von mir, als ein Spiegelbild meiner selbst, ein Orakel meines Lebens und einen Hinweis darauf, dass die Zeit nicht linear ist, ebenso wenig wie die Organismen, Landschaften und Materialien, die sich in ihrem Kreislauf befinden“, sagt Barry. 

Die nächste Ausstellung folgt ab dem 18. November: Die Künstlerin Annette Erlenwein wird etwas über die Thematik „prekäres Wohnen“ in der vielleicht kleinsten Galerie Berlins inszenieren. Erlenwein wird direkt eine ganze Ausstellungsreihe arrangieren.

Auch das Programm für 2023 ist in Vorbereitung. Es soll Klangkunst, Skulptur, Fotografie, Installation, Lesung und vielleicht sogar ein Kino geben. Denn nächstes Jahr feiert der Linienverzweiger 20-jähriges Jubiläum: 2003 fand die erste kleine Ausstellung statt.

Hier die Themen aus dem aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für den Bezirk Lichtenberg

Immer freitags erscheint der Tagesspiegel-Newsletter für Lichtenberg. Den gibt es in voller Länge, einmal pro Woche mit vielen konkreten Bezirksnews, Tipps, Terminen unter tagesspiegel.de/bezirke. Und diesmal berichtet Robert Klages unter anderem über diese Themen:

  • Maskierte Sänger:innen im ehemaligen Stasi-Gefängnis: Belarussischer „Volny Chor“ in der Gedenkstätte Hohenschönhausen
  • Morddrohungen, eine Entführung und der Fall mit dem Merkel-Treffen: der Journalist Trung Khoa Lê stellt sich vor
  • Alkoholkonsum: Lichtenberg einziger Bezirk, in dem die vorzeitige Sterblichkeit gestiegen ist
  • Warum zahlen Eltern Steuern und warum kann man freihändig Fahrradfahren: 20 Jahre KinderUni
  • Leiter des Beckenbodenzentrums tanzt wie Travolta: KlinikAward für beste Branding-Kampagne geht ans Sana Klinikum
  • Mal wieder Aufnahmestopp im Tierheim
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