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Ein Auszubildender in einem Handwerksbetrieb beim Schweißen eines Metallrohrs.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Unternehmen und Bewerber finden nicht zusammen: Viele junge Menschen in Berlin ohne Ausbildungsplatz

Politik und Arbeitgeberverbände sehen unterschiedliche Ursachen für die Unterversorgung. Einig ist man sich darin, dass Betriebe und Bewerber besser zusammenfinden müssen.

Zum Start des Ausbildungsjahres 2023/2024 hatten laut Zahlen der Berliner Arbeitsagentur 3707 Bewerberinnen und Bewerber keinen Ausbildungsplatz. Das sind rund 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig konnten 1328 bei der Arbeitsagentur gemeldete Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Insgesamt meldeten Berliner Unternehmen der Arbeitsagentur 15.832 betriebliche Ausbildungsstellen, ein Plus von 5,4 Prozent.

„Die Situation auf dem Berliner Ausbildungsstellenmarkt ist prekär“, sagte Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) am Donnerstag bei der Vorstellung der Zahlen. „Es werden noch immer zu wenig Ausbildungsplätze gemeldet, um allen Jugendlichen ein Ausbildungsangebot machen zu können. Das bereitet uns seit Jahren erhebliche Sorgen.“

Eine Sichtweise, der Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, widersprach. Die Zahlen der Arbeitsagentur würden nur eine „Teil-Realität“ des Ausbildungsmarktes abbilden. Eder verwies auf das Ausbildungsportal der IHK, auf dem aktuell etwas mehr als über 12.000 Ausbildungsplätze in Berlin angeboten werden. Teilweise stammen die Annoncen noch aus dem vergangenen Jahr.

Die Diskrepanz liegt unter anderem daran, dass einige Branchen wie Pflege, Erziehung sowie der öffentliche Dienst nicht in den Daten der Arbeitsagentur auftauchen. Zudem melden nicht alle Unternehmen ihre Ausbildungsplätze bei der Arbeitsagentur.

3707
Bewerber sind ohne Ausbildungsplatz

„Die Berliner Wirtschaft hat trotz konjunktureller Turbulenzen mehr Ausbildungsstellen gemeldet und damit den Aufwärtstrend nach dem pandemiebedingten Tief von 2020 fortgesetzt“, sagte Eder. „Aber die Unternehmen konnten erneut viele ihrer freien Plätze nicht besetzen.“

Einig sind sich die Akteure über ein anderes Problem: „Wir stellen fest, dass die gewünschten Berufe und die angebotenen Ausbildungsstellen häufig nicht zusammenpassen“, sagte Ramona Schröder, Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit. So gebe es etwa in den Bereichen IT und medizinische Versorgung häufig deutlich mehr Bewerber:innen als Angebote. Gleichzeitig finden laut IHK-Chef Eder viele Unternehmen, etwa in der Gastronomie oder im Fleischer- oder Bäckerhandwerk, keine Bewerber:innen.

Ausbildungsbündnis will im Dezember erste Maßnahmen beschließen

Um in Zukunft mehr junge Menschen in Ausbildung zu bringen, wollen CDU und SPD gemeinsam mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden im Rahmen eines Ausbildungsbündnisses Maßnahmen entwickeln, um das Ausbildungsangebot zu erhöhen und den Übergang von Schule in Ausbildung zu verbessern.

So soll unter anderem ein digitales Praktikumsportal eingerichtet werden. Auch die Einführung eines Azubiwerks, das sich analog zum Studierendenwerk unter anderem um bezahlbaren Wohnraum kümmert, wird diskutiert. Erste konkrete Maßnahmen sollen auf der nächsten Sitzung des Ausbildungsbündnisses am 4. Dezember beschlossen werden.

Wenn nicht alle Akteure bereit sind, eine Schippe draufzulegen, wird die Wirtschaft das Bündnis auch wieder verlassen.

Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK

Ganz so harmonisch, wie auf der Auftaktveranstaltung des Bündnisses Ende August dargestellt, scheint die Arbeit jedoch nicht zu verlaufen. IHK-Chef Eder drohte gar, wieder aus dem Bündnis auszutreten, sollten andere Akteure nicht „eine Schippe drauf legen“. Was er damit konkret meine, wollte Eder nicht ausführen.

Übergeordnetes Ziel des Bündnisses ist die Schaffung von 2000 zusätzlichen Ausbildungsverträgen bis 2025. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, soll eine Ausbildungsumlage in Kraft treten. Unternehmen, die nicht ausbilden, müssten dann einen jährlichen Beitrag zahlen, der jenen Unternehmen, die Menschen anlernen, zugutekommt oder für übergreifende Ausbildungsmaßnahmen genutzt wird.

Arbeitgeberverbände halten die Umlage für unfair und unnötig. Kleine Betriebe, die Probleme hätten, Berwerber:innen zu finden, würden dadurch größere Unternehmen finanzieren. Auch bezweifeln die Verbände, dass dadurch zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden.

Befürworter wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sehen in der Umlage hingegen ein Solidarsystem und einen Anreiz für Unternehmen, Ausbildungsplätze zu schaffen. „Zu viele Berliner Betriebe bilden nicht aus und setzen darauf, dass die Hauptstadt Fachkräfte anzieht, die andernorts ausgebildet wurden“, sagte Nele Techen, stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg. „Sie beschneiden damit die Zukunftsperspektiven der jungen Berlinerinnen und Berliner. Das ist fahrlässig – wirtschaftlich und gesellschaftlich.“ Der Anteil der Betriebe, die ausbilden, ist in Berlin mit rund elf Prozent aller Unternehmen unterdurchschnittlich im Ländervergleich.

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