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Nachhaltigkeit ist oft eine Frage des Geldes: bei den Firmen und bei den Konsumenten.

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„Sustainability Week“ bei der IHK Berlin: So sollten Firmen über Nachhaltigkeit sprechen

Berlins Industrie- und Handelskammer (IHK) hat eine Veranstaltungsreihe gestartet, um Unternehmensverantwortliche zu informieren, wie sie ihre Firma „enkeltauglich“ aufstellen können. Kommunikation spielt eine Schlüsselrolle.

Nachhaltigkeit ist in einigen sozialen Milieus zum Schimpfwort geworden. Das Wort wird unter anderem mit unzumutbaren Veränderungen, mit Abstieg und Verlust, zum Beispiel von Industriearbeitsplätzen, assoziiert. In den USA geht es so weit, dass ultrakonservative republikanische Politiker:innen Bemühungen um eine nachhaltige Unternehmensführung (ESG = Environmental, Social and Corporate Governance, auf Deutsch: Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführung) als „woke capitalism“ beschimpfen.

Die Debatten in Deutschland sind weniger toxisch, aber trotzdem fragen sich auch hierzulande Unternehmer:innen, wie sie am besten über Nachhaltigkeit sprechen sollen, ohne sich gleich einen Shitstorm einzufangen, nur weil sie im kommenden Winter mit Wärmepumpen heizen werden.

Wie das gelingen kann, darüber ließ die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin am Montag vier Expert:innen im Ludwig Erhard Haus diskutieren. Die Veranstaltung bildete den Auftakt der „Sustainability Week“. Bis Freitag führt die IHK Berlin insgesamt zehn Veranstaltungen durch, unter anderem zu der Frage, was der Fachkräftemangel mit Nachhaltigkeit zu tun hat oder was Geschäftsführer:innen machen können, um ihre Firma „enkeltauglich“ aufzustellen.

Zielkonflikte in Zusammenhang mit Nachhaltigkeit

Bei dem Auftaktgespräch spiegelte sich wider, wie schwer es Unternehmen offenbar haben, korrekt über die eigenen Nachhaltigkeitsambitionen zu sprechen. Nicht nur die derzeitige Kulturkampf-Atmosphäre sei ein Minenfeld, Firmen könnten sich auch schnell den Vorwurf einhandeln, Greenwashing zu betreiben – also nicht wirklich nachhaltig zu wirtschaften, sondern Verbraucher:innen mit falschen Versprechungen zu betrügen. Beispiele von Greenwashing sind grüne Werbekampagnen von Erdölfirmen oder Umweltsiegel, die tatsächlich keine positiven Auswirkungen auf die Natur haben.

Firmen müssen es ernst meinen. Man darf Nachhaltigkeit nicht als reines Marketingmittel betreiben.

Anabel Ternès, Geschäftsführerin des Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement an der Berlin University of Applied Sciences

Laut Anabel Ternès, Geschäftsführerin des Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement an der Berlin University of Applied Sciences, gehören Nachhaltigkeitstaten und die Kommunikation darüber dennoch untrennbar zusammen: „Firmen müssen es ernst meinen. Man darf Nachhaltigkeit nicht als reines Marketingmittel betreiben, noch es nur umzusetzen, weil es eine lästige Vorgabe ist“, sagte sie. Die Geschäftsführung müsse alle Mitarbeitenden einbinden, mithilfe von positiven Narrativen sowie mit konkreten und konstruktiven Lösungsideen, ohne dabei etwas zu beschönigen.

Der Geschäftsführer der Beratungsagentur Sustentio, Marius Hasenheit, sagte, mit so einer offenen Kommunikationsweise könne man sowohl Führungskräfte als auch den Arbeiter am Band überzeugen. Zudem könne man mit ihr die Konsument:innen mitnehmen: Als Beispiel nannte er ein Chemieunternehmen, das einen schädlichen Stoff aus seiner Produktionslinie entfernen möchte, dessen Waren dann aber kürzer haltbar wären: Mit einer offenen Erzählkultur nach außen könne man die Verbraucher:innen an solchen Zielkonflikten teilhaben lassen.

Die Macht der Konsumentscheidung

Offene Narrative, das klingt so schön. Doch dass die beste Kommunikationsstrategie bei engstirnigem Widerstand wenig bewirke, gab Ellen Weiland zu bedenken. Sie meldete sich aus dem Publikum heraus und stellte sich als Nachhaltigkeitsmanagerin beim Ostdeutschen Sparkassenverband vor.

Weiland erlebe im Alltag, dass Sparkassen-Vorstände teils Ausreden fänden, um Nachhaltigkeitsbemühungen zu vermeiden. „Eine Klimaschutzausrede von einem Sparkassen-Vorsitzenden, und die Diskussion dreht sich im Kreis.“

Laut ihr ist der Einfluss von Plattformen, die Lügen über den menschengemachten Klimawandel verbreiten, auf Entscheider:innen in der Wirtschaft groß. Sie verlangte nach Gegenkampagnen, zum Beispiel könnten die Kammern gängige Lügen über den Klimawandel auf einer eigenen Plattform entkräften. Diese sollten als Argumentationshilfe für Nachhaltigkeitsbeauftragte wie sie dienen, denn alleine könne man die alten Führungsriegen in den Unternehmen nicht überzeugen.

Auch eine andere Erzählung kritisierte Weiland: Der Kunde habe weniger Einfluss als oft vermutet, ihrer Erfahrung nach spielen Konsumentscheidungen eine untergeordnete Rolle. „Bei unseren Abfragen geben 85 Prozent der Kunden an, dass für sie Nachhaltigkeit nicht relevant sei. Aber eigentlich sagt diese Präferenz viel mehr über die Berater aus.“ Die Finanzberater:innen hätten Sorge, nachhaltige Anlagen vorzuschlagen, weil sie denken, diese spiegelten einen zu kleinen Ausschnitt des Geldmarkts wider.

Die „Sustainability Week“ veranstaltet die IHK Berlin zum ersten Mal, wobei sie 2022 schon das „Festival der Nachhaltigkeit“ abgehalten hatte. Damals waren mehr als 1000 Unternehmer:innen zusammengekommen, diesmal sollen sich schon 1300 Leute angemeldet haben. Am 22. März wird die „Sustainability Week“ mit einer Veranstaltung zur biobasierten Kreislaufwirtschaft enden. 

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