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In Berlin ist Karstadt Charlottenburg an der Wilmersdorfer Straße von der Schließung bedroht.

© Cay Dobberke

Update

Berliner Warenhaus vor Schließung: Keine Ersatzarbeitsplätze für Karstadt-Beschäftigte aus Charlottenburg

Karstadt Charlottenburg an der Wilmersdorfer Straße schließt voraussichtlich Anfang 2024. Das Personal kann nicht auf neue Jobs im Galeria-Konzern hoffen.

| Update:

Der Betriebsratsvorsitzende von Karstadt Charlottenburg zeigte sich pessimistisch. Nach der für Anfang 2024 erwarteten Schließung der Filiale in der Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße werde „keine Person einen neuen Arbeitsplatz erhalten“, sagte Andreas Werner am Dienstagabend im Wirtschaftsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf. Die insolvente Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof plane in Berlin „keine Übernahme“ des Personals bedrohter Standorte.

Das bestätigten im Ausschuss auch Ralph Thomas aus dem Fachbereich Handel der Gewerkschaft Verdi in Berlin und der Betriebsratsvorsitzende von Karstadt am Kurfürstendamm, Ricardo Gottberg-Adeoye. In der Wilmersdorfer Straße geht es laut Werner um rund 110 Arbeitsplätze – darunter 75 Angestellte des Warenhauses sowie Mitarbeiter der separaten Feinkostabteilung „Galeria Markthalle“ und Beschäftigte von Untermietern, die nach dem „Shop-in-Shop“-Konzept verkaufen.

Kritik an Investor René Benko

Der CDU-Vizefraktionschef in der BVV, Karsten Sell, hat mit einigen Leuten bei der Warenhauskette und dem Mutterkonzern Signa gesprochen. Karstadt Charlottenburg habe „keine Chance“, weil Signa dort nur Mieter sei und kein Neubauprojekt starten könne, sagte er dem Tagesspiegel.

Signa-Gründer René Benko interessiere sich nur für Immobilien. Das hätten „alle gewusst“ oder wissen können, als Benko die Warenhäuser von Karstadt und Kaufhof übernahm.

Eigentümer des Grundstücks ist die Firma Redevco, die zur Unternehmensgruppe Brenninkmeijer (C&A) gehört. Sie hat eigene Pläne für neue Geschäfts- und Wohnhäuser und eine Bauvoranfrage beim Bezirksamt gestellt (Tagesspiegel berichtete). Der Mietvertrag mit Karstadt läuft in rund einem Jahr aus.

Die Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne) plant für Ende Januar ein Treffen mit Vertretern der Redevco und Karstadt beziehungsweise Signa. „Wir brauchen Ankermieter für die Wilmersdorfer Straße“, betonte sie in der Ausschusssitzung.

Neue Perspektive am Ku’damm

Auch am Kurfürstendamm wird es spannend. Das dortige Karstadt-Areal gehört Signa. Der Konzern wollte zuerst drei Türme bauen, von denen aktuell noch ein bis zwei „Hochpunkte“ im Gespräch sind.

Der Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Fabian Schmitz-Grethlein (SPD) hält ein neues Hochhaus grundsätzlich für vertretbar. Das Warenhaus bleibt bis auf Weiteres geöffnet, weil es ein Top-Standort mit hohem Umsatz ist.

In veränderter Form könne Karstadt am Ku’damm zum Neubauprojekt gehören, hatte Signa früher einmal angekündigt. Das jetzige Gebäude würde jedoch abgerissen. Sollte sich das Unternehmen mit dem Berliner Senat einigen, werde die anschließende Bauzeit auf vier bis fünf Jahre geschätzt, sagte der Betriebsratsvorsitzende Gottberg-Adeoye.

Der österreichische Multimilliardär René Benko kontrolliert die Signa-Holding, der die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof gehört.
Der österreichische Multimilliardär René Benko kontrolliert die Signa-Holding, der die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof gehört.

© imago images/Eibner Europa

Die jetzigen rund 160 Beschäftigten müssten dann mit ihrer Kündigung rechnen. Betroffen wären auch mehr als 200 Mitarbeiter anderer Unternehmen, die in dem Warenhaus am Ku’damm tätig sind.

Der Berliner Senat müsse seine im Sommer 2020 mit Signa geschlossene Absichtserklärung namens Letter of Intent (LOI) „kritisch hinterfragen“ und prüfen, wie der Konzern „gezwungen werden kann, sich daran zu halten“, sagte Gewerkschaftsvertreter Ralph Thomas. In dem „Letter of Intent“ hatten beide Seiten vereinbart, vier der sechs damals bedrohten Karstadt-Filialen in Berlin für mindestens drei bis fünf Jahre zu erhalten.

Der Senat muss die Verabredung mit Signa kritisch hinterfragen.

Ralph Thomas, Verdi

In der Wilmersdorfer Straße werde eine Sicherung des Standorts „für mindestens zehn Jahre angestrebt“, hieß es. Als Gegenleistung stellte die Landesregierung in Aussicht, Signas Bauprojekte am Kurfürstendamm, am Alexanderplatz in Berlin-Mitte und am Hermannplatz zwischen Kreuzberg und Neukölln zu erleichtern.

Mietvertrag in Wilmersdorf läuft 2024 aus

Ob der Betreiber des Kaufhauses in der Wilmersdorfer Straße diese Standortsicherung für zehn Jahre tatsächlich jemals angestrebt hat, ist fraglich. Auf Tagesspiegel-Anfrage, ob Galeria sich für eine Mietvertragsverlängerung eingesetzt habe, teilte ein Sprecher mit: Der Vermieter habe Galeria bereits 2020, also im Jahr der gemeinsamen Abschlusserklärung mit dem Senat, mitgeteilt, „dass er an einer Verlängerung des 2024 auslaufenden Mietvertrages nicht weiter interessiert ist, weil er das Grundstück neu erschließen möchte.“

Der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker, Direktkandidat bei der Abgeordnetenhauswahl für Charlottenburg-Wilmersdorf, sagte dem Tagesspiegel, die angekündigte Schließung von Karstadt in der Wilmersdorfer Straße zeige erneut „das brutale Vorgehen von Signa gegen die Interessen von Beschäftigten.“ Für das Unternehmen zählten nur hohe Renditen. „Damit hat sich die Geschäftsgrundlage erledigt, um mit Signa weiter zu verhandeln.“

Der Letter of Intent zwischen Senat und Signa war von Anfang an falsch.

Juliane Schwarze, Grünen-Abgeordneter

Auch Julian Schwarze, Stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, sieht sich darin bestätigt, dass Signa kein guter Partner sei: „Der Letter of Intent zwischen Senat und Signa war von Anfang an falsch.“

Signa halte die Zusagen von damals nicht ein, auch die zugesagten Investitionen von 45 Millionen Euro in vier Kaufhausstandorte seien nie gemacht worden: „Es drängt sich die Vermutung auf, dass Signa nie ernsthaft am Erhalt der Standorte interessiert war.“

Stattdessen geht es Signa aus Sicht Schwarzes nur um die Immobilienentwicklung und nicht um die Kaufhäuser, wie auch die Vorhaben am Hermannplatz oder am Kudamm zeigten: „Am Kudamm wurden aus Hochpunkten im Letter of Intent durch Hinterzimmerentscheidungen zuletzt Hochhäuser mit bis zu 120 Metern. Es ist höchste Zeit, die Signa-Vorhaben einer kritischen Revision zu unterziehen und wo nötig, auch zu stoppen.“

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  • Sichere Schulwege, ein bezirkseigener Abschleppwagen und die Zukunft des ICC – unsere BVV-Themenvorschau
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