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Stanzteile für Mercedes gehören zu den wichtigsten Produkten der Firma Ahlberg.

© Ahlberg

Berliner Unternehmer übergibt an Sohn: „Der Bauch ist wichtiger als der Kopf“

Die Firma Ahlberg Metalltechnik in Adlershof kommt gut durch die Krise – trotz der Abhängigkeit von der Autoindustrie. Auch Tesla gehört zu den Kunden. Zeit für einen Generationenwechsel.

Herr Ahlberg, Sie sind von Mercedes aus Stuttgart zur Metalltechnik Ahlberg nach Adlershof gewechselt – das ist nicht gerade ein Karrieresprung.
Fabian Ahlberg: Ich war glücklich bei Mercedes, hatte viel Verantwortung und bin viel herumgekommen. Aber irgendwann ging es im Gespräch mit meinem Vater um die Zukunft: Entweder wird die Firma veräußert oder an die nächste Generation übertragen. Nicht zuletzt meine Chefs bei Mercedes haben mir zur Selbstständigkeit geraten, da es in einem eher kleinen Unternehmen mehr Gestaltungsspielraum gibt als im Konzern.

Haben Sie das Unternehmer-Gen vom Vater geerbt, der nach vielen Jahren als angestellter Manager vor 20 Jahren unbedingt selbstständig werden wollte?
Fabian Ahlberg: Das kann sein. Ich wollte irgendwann etwas Eigenes haben, früher sogar mal ein Café oder eine Bar eröffnen. So frei sein wie möglich und die finalen Entscheidungen selbst treffen.

Das ist im Familienunternehmen leichter als im Konzern.
Fabian Ahlberg: Dazu unterscheidet sich der Alltag. In unserer Firma schaut man, dass alles läuft, und macht sich dann Gedanken um die Optimierung. Bei Mercedes geht es in der Fertigung primär um Optimierungen in bestehenden Prozessen.

Mario Ahlberg arbeitete als Manager für Herlitz und Strato, bis er sich vor 19 Jahren die erste Firma kaufte.

© Ahlberg

Herr Ahlberg, wie haben Sie Ihren Sohn nach Adlershof gelockt?
Mario Ahlberg: Er hat die Entscheidung für sich und seine Familie ohne Druck treffen können. Klar war uns dabei immer, dass nur einer führen kann. Deshalb werde ich Ende 2024 die Führung des operativen Geschäfts an Fabian abgeben.

Wie läuft bislang die Zusammenarbeit?
Mario Ahlberg: Besser als gedacht. Im letzten Jahr hat Fabian die Fertigung übernommen, das ist der Bereich, mit dem ich mich am wenigsten beschäftige. Er konnte das nach drei Wochen besser als ich. Jetzt lernt er den Vertrieb kennen und die wichtigen Kunden, und im nächsten Jahr übernimmt er den kaufmännischen Teil.

Wer trifft die Entscheidungen?
Mario Ahlberg: Alles, was eine Tragweite von mehr als drei Jahre hat, wird gemeinsam entschieden. Bei manchen Themen habe ich noch das letzte Wort.
Fabian Ahlberg: Wir sind beide eher rationale Typen, das erleichtert die Zusammenarbeit.
Mario Ahlberg: Wobei für den Unternehmer der Bauch wichtiger als der Kopf ist. Fabian ist noch zugewandter und kann noch besser mit den Leuten umgehen als ich. Das sehe ich mit Freude.

Was machen Sie sonst anders?
Fabian Ahlberg: Ich habe mir die Frage gestellt, wo es Potenzial gibt. Das ist vor allem im Engineering der Fall, weil man das nicht einfach nach Osteuropa oder China verlagern kann. Das Stanzen von Teilen ist unser täglich Brot, und das machen wir auch noch viele Jahre. Doch im Engineering und vor allem im Sonderbetriebsmittelbau kann ich mit einer effizienten Fertigung und einem guten Projektmanagement höhere Margen erzielen und neue Projekte gewinnen.

Gibt das die regionale Wirtschaft her?
Fabian Ahlberg: Es gibt hier ausreichend Industrie. Und wir haben erstklassige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie viele junge Führungskräfte. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sie gerne bei uns arbeiten.

Fabian Ahlberg arbeitete als Wirtschaftsingenieur für Mercedes, bis er 2021 in das Familienunternehmen einstieg.

© Ahlberg

Wie groß ist die Abhängigkeit der Firma von der Autoindustrie?
Fabian Ahlberg: Ein Drittel des Umsatzes erwirtschaften wir mit Autoherstellern, ein Drittel mit Automobilzulieferern und ein weiteres Drittel mit anderen Industrien.
Mario Ahlberg: Wir liefern 4,9 Millionen Teile im Jahr direkt an Mercedes; in jedem Mercedes sind somit zwei Teile aus Adlershof. Bei den Stanzteilen hat der Konzern weltweit wenige Zulieferer, wir sind der kleinste und der flexibelste und liefern an jeden Standort der Welt.

Welche Folgen hat der Wandel zur Elektromobilität?
Mario Ahlberg: Wir produzieren auch kleine Stückzahlen, zum Beispiel Teile für die 48-Volt-Batterie. Als es in die große Serie ging, waren wir da. Von 2025 an bringt uns eine neue Batterie-Baugruppe 2,5 Millionen Umsatz im Jahr. Wir profitieren von unserer Flexibilität und von dem Vertrauen, das wir über die Jahre aufgebaut haben.
Fabian Ahlberg: Knapp 90 Prozent unserer Stanz- und Umformteile gehen als Verbindungselemente oder Halterungen in Motorenwerke, die natürlich stark von der Antriebswende betroffen sind. Ein Großteil dieser Teile wird auch im Elektroautofahrzeug benötigt, um die Vielzahl der Kabel der gesamten Bordnetzelektronik zu halten.

Zwei Jahre habe ich versucht, mit Tesla in Kontakt zu kommen. Jezt bauen wir erste Sondermaschinen.

Mario Ahlberg, Inhaber von Ahlberg Metalltechnik GmbH

Gibt es Geschäfte mit Tesla in Grünheide?
Fabian Ahlberg: Tesla produziert meines Wissens fünf Modelle, davon lediglich das Model Y in Grünheide. Mercedes hat ungefähr 30 aktive Baureihen. Solange kein neues Fahrzeug auf den Markt kommt, benötigen sie keine neuen Teile beziehungsweise neue Lieferanten. Tesla lässt die Teile rund um die Welt produzieren und transportieren. Mehr Potenzial hat für uns zunächst der Sonderbetriebsmittel- und Vorrichtungsbau. Hier ist räumliche Nähe wichtig, unsere Ingenieure sind in 20 Minuten in Grünheide.
Mario Ahlberg: Zwei Jahre habe ich versucht, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Vor knapp einem Jahr haben die sich dann bei uns gemeldet, und kurz danach hatten wir den ersten Auftrag. Jetzt bauen wir erste Sondermaschinen für Grünheide.

Wie macht sich aktuell die Rezession bemerkbar?
Mario Ahlberg: Im vergangenen Jahre hatten wir einen Umsatz von 21 Millionen Euro, in diesem Jahr bleiben wir unter 20 Millionen. Das erste Quartal war noch sehr gut, danach ging es bergab. Die Autoindustrie hat 15 Prozent und die Bauindustrie sogar 35 Prozent weniger abgerufen. Inzwischen gibt es wieder einen höheren Auftragseingang.  

Der Berliner Zukunftsort schlechthin: Adlershof.

© picture alliance / ZB/euroluftbild.de/euroluftbild.de/Robert Grahn

Wird profitabel gearbeitet?
Mario Ahlberg: In den 19 Jahren seit der Gründung haben wir immer Geld verdient; manchmal zu wenig, wie Fabian meint, und da hat er vermutlich auch recht. Aktuell passen wir die Investitionen an. Die große Maschine, die wir für das erste Quartal 2024 bestellt haben, kommt. Alles andere stellen wir zurück. 

Werden die Ziele trotzdem erreicht: Die Belegschaft soll von 180 bis 2025 auf 250 wachsen und der Umsatz von 20 auf 30 Millionen Euro steigen?
Fabian Ahlberg: Das funktioniert primär durch die Übernahme einer weiteren Firma, die Gespräche mit Kandidaten laufen. Grundsätzlich haben wir eine sehr gute Organisationsstruktur, die weiteres Wachstum ermöglicht. Der Bereich Engineering trägt rund ein Viertel zum Umsatz bei, diesen Anteil wollen wir auch durch Akquisitionen deutlich steigern.

Sind genügend Firmen auf dem Markt?
Fabian Ahlberg: Ja, viele ältere Firmeninhaber müssen die Nachfolge regeln. Ideal wäre für uns auch ein Unternehmen im süddeutschen Bereich, um dort ein Standbein zu haben.

Den Umzug von Stuttgart nach Berlin haben Sie nicht bereut?
Fabian Ahlberg: Nein, wir glauben alle an die Zukunft der Firma und auch von Köpenick, wo man wunderbar am Wasser leben kann.
Mario Ahlberg: Es gibt eine herausragende Vielfalt. Von elf Nachwuchsführungskräften kommen jeweils zwei aus den westlichen und den östlichen Bezirken Berlins, jeweils einer aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Polen und Frankreich. Der Arbeitgeber Ahlberg ist attraktiv – und die Stadt ist es auch.

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