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Von den 56 Berliner Verkehrsunfalltoten des Vorjahres waren fast die Hälfte Senioren.

© Mike Wolff

Berliner Straßenverkehr: Zahl der Unfälle mit Senioren steigt rapide

Die Verkehrsunfälle mit alten Menschen haben sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Experten fordern regelmäßige Fahrtests für Hochbetagte.

Die älteste Person, die 2016 im Berliner Straßenverkehr ums Leben kam, war 96 Jahre alt „In der Kaiserin-Augusta-Allee überquerte gegen 16.40 Uhr ein 96-jähriger Fußgänger bei schlechten Sichtverhältnissen und regennasser Fahrbahn die Straße und wurde hierbei von dem Audi eines 49-Jährigen erfasst“, lautete die Meldung aus dem Polizeipräsidium. Zum Tempo des Autofahrers und dessen möglicher Schuld an diesem Unfall steht in der Meldung nichts. Tatsächlich gilt der Autofahrer als Verursacher, gegen ihn wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

In der Unfallstatistik der Polizei beginnt die Kategorie „Senior“ bei 65 Jahren.  Von den 56 Verkehrsunfalltoten des Jahres 2016 waren 26 Senioren, also fast die Hälfte. Dies ist ein neuer Rekord. Noch erschreckender ist, dass 16 der 21 getöteten Fußgänger über 65 Jahre alt waren. Darunter war auch die 85-Jährige, die im November in Steglitz mit ihrem Rollator die Kreuzung Feuerbach-Ecke Körnerstraße überquerte. Sie wurde von einem nach links abbiegenden Laster umgefahren. Abbiegende Kraftfahrzeuge sind gegenüber Fußgängern immer wartepflichtig – so die Theorie. Praktisch gilt das Recht des Stärkeren, also des Autos. In Polizeimeldungen wird bei solchen Unfällen gerne das Wort „übersehen“ verwendet, was mittlerweile vor allem von Fahrradaktivisten als Verharmlosung angeprangert wird. Auch in diesem Fall wird gegen den Autofahrer als Verursacher ermittelt, teilte die Polizei auf Nachfrage mit.

Unfallzahlen haben sich verdoppelt

Aus Sicht von Unfallforschern wird die Zahl der Unfälle mit Senioren in Berlin weiter steigen. Das hat zwei Gründe: Die Berliner werden immer älter, Stichwort demografischer Wandel. Die Älteren sind aber auch wesentlich mobiler als in früheren Generationen, egal ob zu Fuß, mit dem Auto oder per Rad, sagte ein leitender Verkehrspolizist. Im Jahr 2013 lag der Anteil der Senioren unter den Getöteten noch bei 22 Prozent, nun sind es 46 Prozent. Die Unfallzahlen bei Senioren haben sich in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt. 2015 waren sie in fast 16 000 der 138 000 Unfälle verwickelt, das sind 11,4 Prozent. Vor 15 Jahren lag die Quote nur bei 5,2 Prozent.

Mehrere tödliche Unfälle wurden von Senioren verursacht. Tragisch verlief ein Unfall in Steglitz: Ein 72-Jähriger verursachte einen Blechschaden. Seine Ehefrau stieg aus; als sie vor dem Wagen stand, gab ihr Mann plötzlich Gas und überfuhr sie. Die 73-Jährige war sofort tot. Im März fuhr ein 79-Jähriger eine drei Jahre jüngere Radfahrerin tot, weil er sie ohne ausreichenden Sicherheitsabstand überholte, und Ende Dezember tötete eine abbiegende 74-Jährige eine Radfahrerin.

Fahrtests werden empfohlen

Wie berichtet, plädieren die Unfallforschung der Versicherer (UDV) mittlerweile für Fahrtests für ältere Senioren, wie es sie zum Beispiel in der Schweiz Pflicht sind. Drei von vier Unfällen, in die über 75-jährige Autofahrer verwickelt sind, wurden auch von ihnen verursacht, sagte UDV-Chef Siegfried Brockmann.

Der Deutsche Verkehrsgerichtstag empfahl im Januar ebenfalls Fahrtests: „Ältere Menschen stellen als Kraftfahrer ein zunehmendes Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr dar“, heißt es in einem Positionspapier des Gremiums. Das Wort des Verkehrsgerichtstages hat Gewicht. Seine Empfehlungen werden regelmäßig von der Politik in Gesetzes- oder Verordnungsform gegossen.

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