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Berlin setzt klare Zeichen gegen Rechtsaußen. Aus Tradition!

© imago/IPON

Ausgrenzung, die Wirkung zeigt: Warum sich in Berlin alle gegen die AfD stellen

Nicht nur in Thüringen ist die AfD auf dem Vormarsch, in Berlin bleibt die rechtsextreme Partei tabu. Weshalb die Brandmauer in der Hauptstadt hält.

Ein Zwischenruf von Sebastian Leber

Es waren gleich zwei Schreckensnachrichten, die zuletzt aus dem thüringischen Sonneberg nach Berlin schwappten. Erstmals setzte sich ein AfD-Kandidat bei einer Landratswahl durch. Und dann gratulierte die dortige „Junge Union“, die Jugendorganisation der CDU, diesem AfD-Mann auch noch öffentlich zum Wahlsieg.

Sie rief sogar dazu auf, jetzt „Ideologie und Wahlkampfrhetorik“ beiseitezulassen und sich „sachorientierter Politik“ zuzuwenden. Als hätte der Vertreter einer normalen, demokratischen Partei gewonnen.

In Berlin ist ein solcher Tabubruch zum Glück undenkbar. Denn so viele Risse die Brandmauer gegen die AfD in unterschiedlichen Teilen Deutschlands mittlerweile zeigt: In Berlin ist diese Mauer intakt.

In der Parteienlandschaft, der Zivilgesellschaft, auch im Alltag der Stadt gilt weiterhin die Übereinkunft, dass die AfD nichts als Widerspruch verdient. Dass es keine Zusammenarbeit und keine Annäherung gibt. Dass diese Partei einfach Bäh bleibt.

Berlin setzt klare Zeichen gegen Rechtsaußen. Aus Tradition.
Berlin setzt klare Zeichen gegen Rechtsaußen. Aus Tradition.

© imago/IPON

Das zeigt sich in allen Lebensbereichen, man kann das durchdeklinieren. Es materialisiert sich in den Anti-AfD-Aufklebern in zahllosen Kneipen, Clubs und Sportvereinen, in den Statements von Kulturbetrieben und Wirtschaftsbossen, es zeigt sich, wenn Danger Dan in der Wuhlheide „nie, nie wieder“ sagt und 17.000 Menschen ihn feiern.

Keine Räume im Stadtgebiet

Seit Gründung hat die Partei massive Probleme, im Stadtgebiet überhaupt einen Veranstaltungsort für ihre Parteitage zu finden. Mehrfach musste sie am Ende nach Brandenburg ausweichen oder in einem provisorischen Festzelt auf einer Wiese in Biesdorf unterkommen.

Als ihr im März vom Bezirk Spandau eine Aula zur Verfügung gestellt wurde, verhängte der Schulleiter aus Protest den Schriftzug seines Gymnasiums. Dieses solle weiter für Toleranz und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stehen, bekannte er öffentlich.

Wer sich in Berlin mit der AfD einlässt, macht sich sozial unmöglich.

Tagesspiegel-Reporter Sebastian Leber

In Berlin ist es eine gute Tat, es dieser Partei und ihren Funktionären möglichst schwer zu machen, jederzeit und auf allen denkbaren Wegen. Denn hier wird die AfD als das behandelt, was sie ist: eine Partei, die systematisch Rechtsextreme in ihren Reihen duldet und in hohe Ämter hievt. Die die Demokratie von Innen her angreift. Und bei der es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der Verfassungsschutz sie als gesichert rechtsextremistisch einstufen wird.

Wer sich in Berlin mit der AfD einlässt, macht sich sozial unmöglich. Ja, das ist eine Form von Ausgrenzung, und zwar eine, die Wirkung zeigt.

Protestwähler wählen hier CDU

Die allgemeine Verachtung der AfD geht so weit, dass auch deren Anbiedern an unzufriedene Bürger als vermeintliche „Protestpartei“ nicht zieht. Bei der jüngsten Wahl wandten sich die Unzufriedenen deshalb der CDU zu und machten Kai Wegner zum Regierenden. Man kann das als Selbstverständlichkeit sehen, tatsächlich ist es eine Errungenschaft.

In Berlin keine Alternative – die Partei, die das Wort im Namen trägt.
In Berlin keine Alternative – die Partei, die das Wort im Namen trägt.

© dpa/Silas Stein

Im Berliner Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen haben sich die demokratischen Parteien darauf verständigt, Anträgen der AfD grundsätzlich nicht zuzustimmen. Auch unter Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grünen, Linken und den aktuell nur auf Bezirksebene vertretenen Liberalen wird hart gestritten, es wird gestichelt, gelästert und offen angefeindet.

Doch dies geschieht, bei aller wechselseitiger Empörung, stets unter der Prämisse, dass hier ein legitimer demokratischer Wettbewerb um Überzeugungen und Argumente stattfindet – und dass die AfD kein Teil dieses Wettstreits ist.

Solange dieser Konsens existiert, ist ausgeschlossen, dass die AfD je in Regierungsverantwortung, an Gelder und Gestaltungsmacht gelangt. Und es bleibt sichergestellt, dass jede Stimme für die AfD eine vergebene ist.

Die Konservativen ziehen mit

Insbesondere gehören hier Berlins Christdemokraten gefeiert. Denn in anderen Landesteilen sind es vor allem ihre Parteifreunde, die Zweifel an der Wichtigkeit der Brandmauer streuen, informell bereits Kontakte zur AfD pflegen und vereinzelt schon für AfD-Anträge gestimmt haben.

Spricht man mit Berliner CDU-Mitgliedern, spürt man, dass ihnen die Ausgrenzung der AfD keine Strategie ist, sondern eine unbedingte Herzensangelegenheit. Es sind Menschen, die eher ihre Partei verlassen würden, als irgendeine Form von Kooperation hinzunehmen. Das wird sich auch in kommenden Legislaturperioden nicht ändern. Das ist zementiert.

Zur Wahrheit gehört leider auch, dass es Ausnahmen gibt. In Reinickendorf hat die CDU mehrfach Stimmen der AfD genutzt, in Neukölln sprechen Beobachter von fehlender Abgrenzung.

In Raguhn-Jeßnitz wurde nun ein AfD-Mann zum Bürgermeister gewählt. Nächstes Jahr folgen Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, die AfD lockt bereits und deutet an, Minderheitsregierungen der CDU zu tolerieren. Umso wichtiger werden die Signale sein, die von Berlin ausgehen.

Als vor fünf Jahren Zehntausende Berliner gegen die AfD demonstrierten, zu Fuß am Brandenburger Tor und in Booten auf der Spree, kommentierte der damalige Bürgermeister Michael Müller auf Twitter: „Was für ein eindrucksvolles Signal für Demokratie und Freiheit, gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze.“

Die AfD verklagte ihn deshalb, doch das Bundesverfassungsgericht gab Müller recht. Gegen Rassismus und gegen menschenfeindliche Hetze zu sein, sei wesentlicher Teil von Grundrechten und Verfassung, stellte das Gericht klar.

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