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Das Denkmal für den Politiker Ernst-Thälmann im gleichnamigen Park.

© Thilo Rückeis

Thälmann-Park unter Denkmalschutz: Aus Liebe zur Platte

Die Siedlung am Ernst-Thälmann-Park in Prenzlauer Berg steht künftig unter Denkmalschutz – sie wurde als „DDR-Prestigeprojekt“ eingestuft. Die Anwohner finden das gut.

Ernst Thälmann blickt siegessicher die Greifswalder Straße hinunter, seine Faust ist geballt. Hinter dem gewaltigen Torso des 1944 ermordeten Chefs der Kommunistischen Partei Deutschlands erheben sich Hochhäuser in Gestalt aufgefächerter Bücher, ein großer Park, Plattenbauten, eine Schwimmhalle, die ehemalige „Mich-Eis-Bar“, das Kulturzentrum „Wabe“. „Hier fühlen sich alle wohl“, lautet Helga Ulbrichts Urteil über das Leben in dem Quartier: Die Mieten seien erschwinglich, die Fenster dreifach verglast und die Wände gut isoliert.

Seit fünf Jahren lebt Ulbricht, nicht verwandt, nicht verschwägert, in dieser „idealtypischen Siedlung für die sozialistische Gesellschaft in der späten DDR“. So jedenfalls beschreibt ein Gutachter des Landesdenkmalamtes das 26 Hektar große Areal zwischen Danziger und Greifswalder Straße zwischen Ella-Kay- und Lilli-Hennoch-Straße. Auf Anfrage bestätigte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dass das förmliche Verfahren laufe und die Siedlung Ernst-Thälmann-Park in die Berliner Denkmalliste eingetragen werde. Sie sei im Rahmen einer flächendeckenden Erfassung und Prüfung von zehn Berliner Großsiedlungen ausgewählt worden, weil sie weitestgehend authentisch überliefert sei.

Nur wenige Jahre vor dem Fall der Mauer wurde die Siedlung vollendet. Seit Januar gilt sie nunmehr als „gestalterischer und funktionaler Höhepunkt der (ganzen) Ost-Berliner Wohnungs- und Stadterweiterungspolitik“. Deshalb müsse das „Prestigeprojekt der DDR“ erhalten bleiben, fordern die Denkmalpfleger in dem Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt. Das findet Anwohnerin Ulbricht auch: „Der Ernst-Thälmann-Park wird als Erinnerung an die DDR gebraucht.“ Alle anderen Bauten aus dieser Zeit, der Palast der Republik und das Lenin-Denkmal, seien ja schließlich längst abgerissen.

Denkmalschutz für ganze Ensembles aus der Zeit der DDR-Moderne, das ist ein neuer Trend in der Berliner Stadtentwicklung. Waren zuvor vor allem Einzelbauten wie das Haus des Lehrers oder die „Zuckerbäckerbauten“ an der östlichen Frankfurter Allee unter Schutz gestellt worden, geraten nun verstärkt ganze Häuserzeilen, Quartiere oder Planungsgebiete in den Blick der Politik. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hatte im vergangenen Jahr sogar ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Schutzwürdigkeit aller Bauten aus DDR-Zeiten rund um den Alexanderplatz neu bewerten soll.

Dass nun der Thälmann-Park ganz schnell geschützt werden soll, überrascht sogar den zuständigen Bezirksstadtrat von Pankow, Jens-Holger Kirchner (Grüne). „Ungewöhnlich“ nennt es Kirchner, dass er „erst auf eigene Anfrage hin davon in Kenntnis gesetzt wurde“ – das Bezirksamt sei selbst auch Eigentümer der Grundstücke. Gut findet der Stadtrat den Beschluss trotzdem. Nun könnten endlich die nötigen Arbeiten in Angriff genommen werden: „Die Grünflächen, das Kulturzentrum und auch die Gebäude der Gewobag sind sanierungsbedürftig.“ Hinzu komme die „enorme Grundwasserverseuchung“ im Thälmann-Park. Auch die stamme noch aus DDR–Zeiten – aber „die wird ja wohl nicht unter Denkmalschutz stehen“.

Zum „letzten Fort der DDR“ hatte das Boulevardblatt „BZ“ die Siedlung schon einmal erklärt. Und einige Bewohner, die ihren Namen lieber nicht nennen wollen, sehnen jedenfalls in dieser Hinsicht alte Zeiten zurück: „Früher war das Denkmal angeleuchtet und jeden Tag lief die Polizei vorbei, da wurde nichts angeschmiert“, sagen sie mit Blick auf das Graffiti. Und überhaupt: „Zu DDR-Zeiten war der Park mal schön“ – inzwischen aber ziemlich verkommen.

Wehrhafte Bewohner gründeten deshalb vor gut einem Jahr die „Initiative Ernst-Thälmann-Park“. Den Anstoß hätten die spürbaren „Begehrlichkeiten von Investoren“ gegeben. Rund um den Park seien Neubauten entstanden. Mit dem „25-jährigen Dornröschenschlaf“, in dem die Siedlung lag, sei es jedenfalls vorbei.

Die Anwohner sind sich darin einig, dass vor allem die Grünflächen erhalten werden müssen. „Wir brauchen unseren Park, wir wohnen hier ja mitten in der Stadt“, sagt Günther Brendel. Der 84-Jährige nutzt die Februarsonne dazu, sein Auto auf dem Parkplatz der Siedlung zu polieren. Als einer der ersten Mieter zog er ein. Geblieben ist er bis heute. Der frühere Maler und Grafiker lebt in einer der Maisonettewohnungen mit Atelierraum: im neunten Stock mit Blick über Berlin.

Bis in den Westen sogar? Auch dort lässt das Landesdenkmalamt prüfen, welche Projekte der Internationalen Bauausstellung (IBA 87) unter Schutz gestellt werden. Bauten, Ensembles oder Gartenanlagen, die bis 1990 entstanden, können als „Zeugnisse einer abgeschlossenen Geschichtsepoche“ als Denkmale eingetragen werden. Jede „Veränderung“ an den Denkmälern sei dadurch zwar nicht ausgeschlossen – Eingriffe müssten aber abgestimmt und genehmigt werden.

Im Thälmann-Park geht's um mehr als Ostalgie, sagt unser Autor Ralf Schönball: Einen Meinungsbeitrag zum Thema lesen Sie hier.

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