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Teilnehmer einer verbotenen Pro-Palästina-Demonstration zünden im Bezirk Neukölln Pyrotechnik.

© dpa/Schreiner

Update

Antisemitismusbeauftragter unterstützt Vorgehen: Knapp die Hälfte pro-palästinensischer Kundgebungen in Berlin verboten

Die Hälfte der pro-palästinensischen Demonstrationen wurde zuletzt verboten. Berlins Antisemitismusbeauftragter hält das für richtig – und notwendig. Aber es gibt auch Skepsis.

| Update:

Die Berliner Polizei hat nach eigenen Angaben zuletzt knapp die Hälfte pro-palästinensischer Kundgebungen verboten. Seit dem Terroranschlag der islamistischen Hamas am 7. Oktober seien bis Dienstag (24. Oktober) 35 Versammlungen angemeldet oder spontan durchgeführt worden. „Von diesen wurden 17 verboten“, teilte eine Polizeisprecherin am Mittwoch auf Anfrage mit. Nach ihren Angaben wurde in zwei Fällen Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. In beiden Fällen hatte das Berliner Verwaltungsgericht das Verbot im Eilverfahren bestätigt.

Die Polizei betonte, der Schutz der Meinungs- und Versammlungsfreiheit habe „höchste Priorität“. Die Behörde prüfe „in jedem Einzelfall sehr akribisch, ob und unter welchen Bedingungen Versammlungen durchgeführt werden können, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu verhindern“, hieß es. Dabei gelte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Zugleich verwies die Polizei darauf, dass sich in Berlin nach dem Massaker mit mehr als 1400 Toten zahlreiche Menschen auf den Straßen versammelten und die Angriffe feierten. Dabei seien „offen gewaltverherrlichende, volksverhetzende, israelfeindliche und antisemitische Parolen“ gerufen worden, es sei zu Sachbeschädigungen gekommen und Polizei- sowie Rettungskräfte seien massiv angriffen worden.

Vor diesem Hintergrund habe die Polizei in den vergangenen zwei Wochen mehrere Demonstrationen und deren Ersatzveranstaltungen untersagt. Die Polizei begründete das mit der Gefahr, dass es zu antisemitischen Äußerungen und der Billigung der Gewalt der Hamas-Terroristen kommen könne. Bereits im Frühjahr hatte die Polizei palästinensische Demonstrationen untersagt, weil sie volksverhetzende und antisemitische Parolen, Gewaltausbrüche und Gewaltverherrlichung erwartete. Auch hatten Gerichte das Vorgehen gebilligt. Die Strategie der Polizei stößt insbesondere in der palästinensischen Community auf Kritik.

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Berlins Antisemitismus-Beauftragter Samuel Salzborn hält Verbote von Demonstrationen, bei denen Straftaten zu erwarten sind, für richtig. „Versammlungsverbote gegen antisemitische, gewaltverherrlichende, zu Gewalt aufrufende Versammlungen sind absolut notwendig“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (DPA). „Da gibt es meines Erachtens auch rechtlich nichts zu diskutieren, weder auf der Ebene des Versammlungsrechts, noch auf Ebene der Grundrechte, weil hier nicht ein Recht auf freie Meinungsäußerung solitär steht, sondern in Relation zu anderen Rechten wie zum Beispiel der Menschenwürde oder dem Antidiskriminierungsschutz.“ Ein Versammlungsverbot sei in solchen Fällen keine leichtfertige Entscheidung. „Es ist ein scharfes Schwert, aber es ist auch notwendig.“

In Berlin haben wir einen Schwerpunkt der antisemitischen, gewaltverherrlichenden Organisationen.

Samuel Salzborn, Berlins Antisemitismus-Beauftragter

Dass eine Reihe von Versammlungen und Gedenkveranstaltungen nicht verboten worden seien, zeige, dass mit Augenmaß gehandelt werde, sagte Salzborn. „Antisemitische Jugendliche allein würden nicht immer wieder solche großen Versammlungen möglich machen.“ Hier gehe es um Strukturen, die besonders bestimmte Städte beträfen. „In Berlin haben wir einen Schwerpunkt der antisemitischen, gewaltverherrlichenden Organisationen“, betonte Salzborn. „Das Land Berlin hat im vergangenen Jahr damit begonnen, antisemitische Versammlungen zu verbieten, die aus solchen Hintergründen organisiert worden sind.“ Diese Verbote hätten auch vor dem Verwaltungsgericht Berlin und dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Bestand gehabt.

Verfassungsrechtler äußert Bedenken

Gegen Demonstrationsverbote gibt es aber auch Bedenken. Der Verfassungsrechtler Michael Wrase vom Wissenschaftszentrum Berlin sagte der RBB-„Abendschau“ am vergangenen Freitag, grundsätzlich gelte das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. „Zunächst einmal muss man schauen mit den Veranstaltern zusammen, ob bestimmte Auflagen möglich sind, ob solche Verstöße vielleicht geahndet werden können von Einzelpersonen durch Ordner.“

Skeptisch ist Wrase insbesondere bei Verboten, die sich auf jegliche Ersatzveranstaltungen über die folgenden zehn Tage erstrecken, wie sie zuletzt in Berlin ausgesprochen wurden. „Das würde ich nur dann für zulässig ansehen, wenn wir wirklich von einer akuten Gefährdungslage ausgehen können“, sagte der Verfassungsrechtler. „Das ist aus meiner Sicht so jetzt generell über diesen langen Zeitraum nicht dargetan.“ (dpa)

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