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Eine Polizistin der Berliner Fahrradstaffel im Einsatz.

© Kai-Uwe Heinrich TSP

Andere Prioritätensetzung: Wie Berlins Fahrradstaffel die Verkehrswende voranbringen könnte

Radfahrende Polizisten sind eine Chance für den Wandel zu einer fahrradgerechten Stadt. Doch momentan befassen sie sich in Berlin zu häufig mit Randproblemen.

Ein Kommentar von Henning Onken

Ob wir uns bereits mit den sogenannten Radfahrerpolizisten beschäftigt hätten, fragt ein Leser. Sein Vorwurf: Die Beamten gingen bequem auf Bußgeld-Safari, natürlich bei den Radlern. Beobachtet hat er das an einer vielbefahrenen Route in Mitte, die durch einen Bühnenaufbau blockiert wurde. Tickets zu je 55 Euro hätten die „wohlpositionierten“ Beamten dort in Serie verteilt, weil kaum jemand für das kurze Stück auf dem Gehweg abstieg. Ist das unverhältnismäßig?

Man könnte entgegnen, dass ein Fahrrad ein neutrales Vehikel ist, auf dem sich Polizistinnen und Polizisten durch die Stadt bewegen und alles ahnden, was ihnen vor die Augen kommt. Zu Gefährdern zählen auch Gehwegradler.

Doch die jüngsten Zahlen lassen vermuten, dass sich die Prioritäten der Fahrradstaffel verschoben haben: In den ersten drei Jahren der seit 2014 bestehenden Einheit richteten sich etwa ein Viertel der Anzeigen gegen Radfahrende, inzwischen ein Drittel. Verliert die Staffel langsam ihren Auftrag aus den Augen, wird sie „von Blechniks gekapert“, wie ein Aktivist vermutet?

Mit Augenmerk auf das „Verhalten von und gegenüber Radfahrenden“ sollen die Fahrradcops den Verkehr beobachten, so vage hat Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) das Aufgabenfeld beschrieben. Genannt hat er auch Gehwegradler und rechtsabbiegende Autofahrer. Doch gerade die Abbiegeverstöße werden kaum noch verfolgt.

Der Senat täte gut daran, seine Staffel stärker im Sinne der beabsichtigten Mobilitätswende einzusetzen und dies auch öffentlich klarzustellen. Mit abschreckender Regelmäßigkeit werden Radfahrende von Rechtsabbiegern schwer verletzt oder gar getötet. Neun von zehn Fahrradfahrern empfinden zu enges Überholen als größte Gefahr. Und welche Antworten hat die Polizei darauf? Keine, schreibt sie als Antwort auf eine Anfrage. Keine gerichtsfesten Messgeräte, keine Verurteilungen.

Das ist zu einfach! 60 Beamte, auf dem Fahrrad unterwegs in der Stadt: Das könnte die Chance sein für eine fahrradgerechtere Stadt. Für die konsequente Durchsetzung anderer Prioritäten. In einer Millionenstadt ist ein Fahrrad kein neutrales Vehikel. Wer täglich draufsitzt, merkt woran es hapert in der Verkehrswende.

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