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Über den Dingen: Der „Kaiser“ Franz Beckenbauer in der ARD-Doku.

© MIS, Patrick Becher, Montage: Frederic Schmidt

Beckenbauer-Doku: Ein deutscher Held, vor dem die Welt keine Angst hat?

Die ARD-Doku „Beckenbauer“ kratzt am Mythos des Ex-Fußballstars, Trainers, Funktionärs und Lebemanns. Eines macht dabei besonders traurig.

8. Juli 1990. Ein Mann schlendert mit Händen in den Hosentaschen gedankenversunken übers Feld des Olympiastadions in Rom. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist gerade Weltmeister geworden, Trainer Franz Beckenbauer auf der Höhe seines Ansehens. Ein fast ikonisches Bild. Was denkt er? Wo kommt er her? Wo will er noch hin?

Zu viel Brimborium um einen Fußballer? Wer mit dem Namen Beckenbauer nicht viel anfangen kann, wird nun mit der Doku „Beckenbauer“ (ARD, 8.1., 20.15 Uhr) eines Besseren belehrt, alleine schon wegen der Prominenz der Zeitzeugen, die Beckenbauer, Spitzname „Der Kaiser“, würdigen.

Günter Netzer, Paul Breitner, Sepp Maier, Harald Schmidt, Albert Ostermaier, vor allem aber die Politiker Otto Schily, Joschka Fischer und Wolfgang Schäuble, womit schon gesagt ist, welche Rolle das 1945 geborene Arbeiterkind aus München-Giesing in den vergangenen 50, 60 Jahren gespielt hat. Und mit Spielen ist nicht nur die Eleganz seiner Pässe gemeint.

Franz Beckenbauer ist ein nationales Sonntagskind. 

Joschka Fischer, Ex-Außenminister

Eine Sportler-Doku gleichsam als Reise durch die Geschichte der Bundesrepublik. Teils mit Altbekanntem, die Stationen seiner Karriere: 1965 der Aufstieg mit seinem FC Bayern in die Bundesliga, 1974 Weltmeister im eigenen Land (nicht wegen Trainer Helmut Schön, sondern wegen seines selbstbewussten Kapitäns), erster Profi mit Manager und Werbeverträgen.

Dann Steuer-Ärger, Gastspiel und High Society bei Cosmos New York und im Studio 54, nach viel öffentlichem Druck Dienst an der maladen deutschen Nationalmannschaft, die Beckenbauer in Rom zum Weltmeister coachte. Zu guter Letzt holte der Kaiser die WM 2006 nach Deutschland. Der kann alles.

Dachte man. Und denkt man zunächst mit der Doku. Diese verschweigt nicht die Schatten in Beckenbauers später Karriere, seine non-chalanten Einlassungen zum WM-Gastheber Katar („ich habe da keine Arbeitssklaven gesehen“). Das hat man dem Mann, der sonst offenbar alles tun und lassen konnte, nicht mehr überall verziehen. Dann das „zerstörte Sommermärchen“, die mutmaßlich gekaufte WM 2006, die Korruptionsaffäre. Dazu 2015 der frühe Tod seines Sohnes Stephan.

Beckenbauer, der Kaiser, am Ende doch eine traurige Gestalt? Die archivreiche Doku der BR-Autoren Philipp Grüll und Christoph Nahr enthält sich einer Wertung. Er sei ein „Mensch, ein Mensch eben auch mit Fehlern“ (Schäuble), ein „nationales Sonntagskind“ (Fischer), ein „deutscher Held, vor dem die Welt keine Angst hat“ (Ostermeier). Diese Sätze bleiben hängen, genauso wie das Eingeständnis seiner Ex-Freundin Diana Sandmann, dass Beckenbauer schlichtweg nicht Nein sagen konnte.

Und die traurige Erkenntnis, dass aktuelle Statements des Porträtierten fehlen. Der 78-Jährige hat sich, in Salzburg lebend, seit längerem aus der Öffentlichkeit zurück gezogen, gesundheitlich stark angeschlagen. Bruder Walter Beckenbauer hat im Film das letzte Wort: Es ginge ihm nicht gut, es sei jammerschade. Fast wirkt das schon wie ein Nachruf.

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