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Viel Arbeit für die Bundesagentur. Nicht nur vor der Tür.

© Imago/Nikita

Gegen den Fachkräftemangel: Heil fordert Unternehmen auf, ältere Beschäftigte einzusetzen 

Fachkräfte sollen zukünftig länger arbeiten, statt in Frührente zu gehen. Zudem profitiert der deutsche Arbeitsmarkt bereits von über 85.000 Ukrainern, die seit Kriegsbeginn Beschäftigung gefunden haben.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die deutschen Unternehmen im Kampf gegen den Fachkräftemangel aufgefordert, stärker auf ältere Beschäftigte zu setzen. „In Zeiten des wachsenden Arbeits- und Fachkräftemangels kann unsere Volkswirtschaft nicht auf erfahrene Beschäftigte verzichten“, sagte er dem „Spiegel“. „Die Zeit, in der in vielen Großkonzernen über 60-Jährige zum alten Eisen gepackt werden, muss vorbei sein.“

Derzeit liegt die gesetzliche Altersgrenze in der Rentenversicherung bei 66 Jahren. Im Durchschnitt gehen Beschäftigte jedoch mit 64,1 Jahren deutlich früher in Rente. Angesichts der großen Personalprobleme in der Wirtschaft, die sich in den kommenden Jahren durch den Renteneintritt der Baby-Boomer-Generation noch verschärfen werden, hatte auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor dem Trend zur Rente mit 63 gewarnt: „Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können.“

Arbeitgeber etwa forderten bereits eine Erhöhung des Renteneintrittsalters von derzeit 67 Jahren. Die Ampel-Parteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag jedoch vereinbart, dass es diese Anhebung nicht geben soll. Auch Heil hatte einer weiteren Anhebung des Renteneintrittsalters auf über 67 Jahre in der Vergangenheit eine Absage erteilt.

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Geflüchtete aus der Ukraine entlasten den Arbeitsmarkt massiv

Nach Studien des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln erhöht sich der Mangel an Fachkräften, Spezialisten und Experten bis 2026 quer durch die Wirtschaftssektoren. Demnach gehören zu den „Engpassberufen“ mit besonders hohen Fachkräftelücken keineswegs nur High-Tech-Branchen.

Besonders gesucht werden zum Beispiel Fachkräfte für den Verkauf oder in der Kinderbetreuung und Kindererziehung sein. Auch in der Alten- und Krankenpflege ist mit einem wachsenden Fachkräftemangel zu rechnen. In stärkerem Maße als bisher schon werden auch in der Kraftfahrzeugtechnik oder in der Heizungs- und Klimatechnik Mitarbeiter fehlen.

Das IW hat sich in einer an diesem Wochenende veröffentlichten Studie auch den Wachstumssektor der Digitalisierung angeschaut. Das Ergebnis: 2026 könnten in diesem Bereich 106.000 qualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Vor der Coronakrise waren es 2018 etwa 100.000 Stellen, die offen geblieben waren – der bisherige Höchststand. Laut IW mangelt es vor allem an Arbeitnehmern mit Elektronik-Kompetenz. Hier müsse mit gezielter Ausbildung und Zuwanderung Abhilfe geschaffen werden.

Eine Entlastung des Arbeitsmarkts könnte nach Informationen der Bundesagentur für Arbeit durch Menschen aus der Ukraine entstehen, die wegen des Kriegs aus dem Land geflohen sind. Schon jetzt seien rund 65.000 Ukrainerinnen und Ukrainer mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt als vor Beginn der Krieges, sagte Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur. Hinzu kämen 21.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Minijobs. Sie alle trügen zur Bekämpfung des Personalmangels in der deutschen Wirtschaft bei.

Die Bundesagentur für Arbeit erwarte laut Terzenbach, dass die Zahl der Beschäftigten aus der Ukraine in den nächsten Wochen und Monaten deutlich steigen werde – dann, wenn die Frauen und Männer die Integrations- und Berufssprachkurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) absolviert hätten. Mehr als 500.000 Zuwanderer hätten im vergangenen Jahr an solchen Kursen teilgenommen, sagte der Präsident des BAMF, Hans-Eckhard Sommer. Die Zahl bedeute eine Verdoppelung im Vergleich zu 2021.

Meine Devise heißt also: Automatisierung küsst Demografie.

Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, zum Fachkräftemangel in ihrer eigenen Behörde

„Nahezu alle haben eine Chance auf dem Arbeitsmarkt“, sagte Terzenbach. Es sei die Absicht gewesen, die Menschen aus der Ukraine nicht sofort in Helferjobs zu vermitteln, sondern sie gemäß ihrer Möglichkeiten einzusetzen. Ein Problem dabei sehe er jedoch in der Kinderbetreuung. „Es stehen zu wenig Betreuungsplätze zur Verfügung, die Kommunen haben in ihrer Bedarfsplanung die Krise nicht vorhersehen können“, sagte Terzenbach.

35.000
von 113.000 Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit gehen absehbar in den Ruhestand.

Ein wichtiger Grund für die Fachkräftelücke ist allerdings nicht nur der Abgang von Arbeitnehmern der Boomer-Generation. Sie hängt auch mit dem Wandel in der Wirtschaft zusammen. So gibt es in den Digitalisierungsberufen einen deutlichen Beschäftigungsaufbau, der eine wachsende Nachfrage bewirkt, die trotz Mehrbeschäftigung in diesen Sparten nicht gedeckt werden kann.

Allerdings gibt es auch Berufsfelder, in denen 2026 mit deutlich weniger Stellen gerechnet wird. Laut IW gehören dazu Bankkaufleute, Bürotätigkeiten oder die Buchhaltung sowie der Metallbau.

Auf zunehmende Automatisierung will die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, in ihrer eigenen Behörde setzen. Dies sei nötig, „um künftig unsere Leistungen mit weniger Menschen erbringen zu können“, sagte Nahles der „Augsburger Allgemeinen“ vom Montag. Auch ihre Behörde spüre das schwindende Angebot an Fachkräften: So würden „absehbar“ 35.000 von 113.000 Beschäftigten der Agentur in den Ruhestand gehen, sie glaube nicht, diese vollständig durch Rekrutierung neuer Mitarbeiter ersetzen zu können.

„Meine Devise heißt also: Automatisierung küsst Demografie“, sagte Nahles der „Augsburger Allgemeinen“. Die Bundesagentur werde so zum Vorbild für andere Wirtschaftsbereiche. Die Automatisierung sei „ein wichtiger Knopf, auf den wir zur Bekämpfung des Fachkräftemangels drücken müssen“, ergänzte die ehemalige SPD-Chefin. (mit dpa/AFP)

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