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Oliver Welke moderiert die "Heute Show", Politiker wollen eher nicht in seiner Satiresendung vorkommen.

© Willi Weber

"heute show" im ZDF: Oliver Welke - der Anchorman des Spotts

Immer wieder freitags: Wer in Oliver Welkes „heute show“ landet, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Besuch in einer Redaktion, die Spitzenpolitiker das Fürchten lehrt.

Freitag, kurz nach elf. In der Redaktion der „heute show“ stehen die meisten Türen offen, aber Fernseharbeit sieht auch in Köln- Mülheim hinter den Kulissen eher unspektakulär aus. In den Büros sitzen Autoren, Grafiker, Redakteure an Schreibtischen und Monitoren – und vier gelangweilt auf Bildschirme blickende junge Leute: drei Männer, eine Frau. Hier wird in zwei Fünf-Stunden-Schichten gesichtet, hier werden Versprecher, ungeschickte und entlarvende Aussagen in Nachrichten, Talkshows, Parlamentsdebatten, Politmagazinen und Regionalsendungen aufgespürt. Das ist, man sieht es in den Gesichtern, keine lustige Arbeit.

Politikerinnen und Politiker, die die meist zweifelhafte Ehre haben, in der „heute show“ erwähnt zu werden, dürfen sich auf etwas gefasst machen. Das gilt auch für Regierungskreise. „Aufgrund des Feedbacks unserer Gäste wissen wir schon, dass im Kabinett ab und zu ein Spruch fällt. Natürlich finden es die Minister besonders amüsant, wenn die anderen im Fokus stehen und nicht sie selbst“, sagt Oliver Welke. Der 49-jährige Moderator hat an diesem Vormittag, kurz vor der abschließenden Regie-Besprechung und knapp sechs Stunden vor Beginn der Aufzeichnung, keine Zeit. Doch drei Tage später gibt es die Gelegenheit, mit ihm zu telefonieren. Das Interview muss allerdings autorisiert werden – was üblich ist in der Branche und dennoch bemerkenswert für eine Sendung, die nicht zuletzt von spontanen, nicht autorisierten Interviews ihrer Reporter lebt.

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Wer da nicht hellwach ist, kann sich schnell um Kopf und Kragen reden. Fragen Sie mal Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU): Im Januar, zwei Wochen nach den Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ in Paris, bat ihn „heute show“-Reporter Carsten van Ryssen bei der Grünen Woche in Berlin, ein DIN-A4-Blatt mit der Aufschrift „Je suis Greußener Salami“ in die Kamera zu halten. Schmidt, der gerne den Schutz regionaler Produkte bei den Verhandlungen um das Freihandelsabkommen TTIP anmahnt, tat ihm den Gefallen und ergänzte fröhlich: „Je suis auch Schwäbische Spätzle, Allgäuer Emmentaler.“

Salami, die FDP und noch mehr Spott

Über den „Minister, der sich zur Salami erklärte“ („Welt“), ergoss sich eine Welle Hohn und Spott. Empfindet Oliver Welke heute Mitleid? „Es geht. Ich fand die Heftigkeit der Reaktionen ein bisschen überzogen. Da sind viele in der Bewertung oft so moralinsauer“, sagt er. Es gebe einiges, über das man ernsthaft sauer sein könne bei Politikern. „Diese Nummer fand ich vergleichsweise harmlos.“ Auch ZDF-Redakteur Stephan Denzer redet die Angelegenheit lieber klein. Schmidt habe das offensichtlich ironisch gemeint, kam dabei aber „vielleicht ein bisschen unbeholfen rüber. Warum soll ein Politiker nicht auch mal eine menschliche Schwäche zeigen dürfen?“ Zumal er dazu von der „heute show“ animiert worden war, möchte man hinzufügen.

Schon klar: Wer so schönes Material liefert, muss den Satirikern auch irgendwie sympathisch sein. Es wäre nur folgerichtig, wenn Minister Schmidt bald mal in der Show auftauchen würde. Welke findet das eine gute Idee: „Ich glaube, es gibt gerade keine Einladung, aber er wäre ein super Gast.“ So wie Rainer Brüderle, der FDP-Fraktionsvorsitzende, im Januar 2012 ein super Gast war. In zahlreichen Ausgaben hatte sich die Show über den nuschelnden Weinliebhaber aus der Pfalz lustig gemacht, hatte O-Töne untertitelt und den liberalen Spitzenpolitiker von Kommentar-Choleriker Gernot Hassknecht als „unser aller peinlicher Opa“ niederbrüllen lassen. Doch bei seinem Auftritt in der Show gab Brüderle recht überzeugend den Polit-Senior, der nichts lieber zu tun scheint, als über sich selbst zu lachen. Brüderle hatte durch seinen Auftritt „enorm gepunktet“, gibt Welke zu. Geholfen hat’s der FDP auch nicht.

Angela Merkel zitiert "eine Satiresendung", alle wissen welche es ist

Hat wieder gut lachen: Oliver Welke von der "heute-show".
Hat wieder gut lachen: Oliver Welke von der "heute-show".

© dpa

Diese Ausgabe der Show ist ohnehin in gewisser Weise historisch. Denn bei der Anmoderation zum Brüderle-Auftritt brachte Welke folgende Pointe unter: „Vielleicht hat Gott uns die FDP nur auf die Erde geschickt, um uns zu prüfen.“ Ein knappes Jahr später zitierte Kanzlerin Angela Merkel diesen Satz auf dem CDU-Bundesparteitag in Hannover, mit dem Verweis auf „eine Satiresendung“. Und „kassierte Riesenlacher“, erinnert sich Welke. „Da habe ich gedacht: Jetzt ist mal Ruhe.“ Mit dem FDP-Witz, von dem die Show lange Zeit recht gut gelebt hat. Am Ende hat schon die Erwähnung der drei Buchstaben gereicht, um beim Publikum Heiterkeit auszulösen. Dass da eine gezielte Kampagne gefahren worden sei, wird in Köln-Mülheim energisch dementiert. „Im Prinzip hat jeder die gleiche Chance, in die Sendung zu kommen, und die FDP hat eben erfrischend regelmäßig geliefert“, erklärt Welke. Dagegen lässt sich wenig sagen.

Aber seit das Lieblings-Spaßobjekt FDP 2013 aus Regierung und Bundestag geflogen ist, wollen sich die Macher im sechsten Jahr des Bestehens der „heute show“ weniger denn je auf billigen Klamauk reduzieren lassen. „Die große Koalition ist eigentlich der Feind der Satire, weil diese Konsens-Soße über einem klebt“, sagt Welke. „Aber wir waren gezwungen, uns wieder mehr mit dem Kern von Themen auseinanderzusetzen. Wir gehen weg von den Köpfen und vom klassischen Partei-Bashing und reden wieder mehr über Inhalte. Das finde ich viel spannender.“ In der vorletzten Sendung etwa ging es um Flüchtlinge und TTIP. Im Stile von Kindernachrichten („Unlogo“) erinnerte der Kabarettist Serdar Somuncu daran, dass die EU mit afrikanischen Ländern längst getan hat, wovor sich hierzulande nun viele bei den Verhandlungen mit den USA fürchten: dass der Stärkere dem Schwächeren zum eigenen Nutzen ein Freihandelsabkommen aufdrängt. Die „heute show“ nimmt gerne jeden Schenkelklopfer mit. Aber sie kann, wenn sie will, auch mehr als nur billige Reflexe provozieren.

Die „heute show“ als die neue Apo?

In der Redaktion arbeiten sowohl Comedy-erfahrene Kollegen als auch Nachrichtenjournalisten um den ehemaligen Sat1-Mann Martin Laube. Die Vorbereitung jeder Sendung beginnt acht Tage vorher: Mit einer Donnerstagskonferenz, in der eine Liste von zehn bis zwölf möglichen Themen aufgestellt wird. „Der größte Teil der Debatte dreht sich gar nicht darum: Wie lustig ist das? Sondern: Welche Haltung nehmen wir ein?“, behauptet Denzer. In Zeiten der großen Koalition, in der 80 Prozent des Berliner Reichstags mit einer Stimme sprechen, sei es für eine Satiresendung „enorm wichtig, eine oppositionelle Haltung einzunehmen und so etwas wie die Apo zu sein“. Die „heute show“ als die neue Apo? Dann wäre Oliver Welke der Rudi Dutschke des deutschen Fernsehens?

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Das möchte der „Anchorman“ dann doch „nicht unterschreiben“. Denn spätestens seit sich Kai Diekmann und die ,Bild‘-Zeitung für die Apo halten, ist der Satz kontaminiert“, bemerkt Welke. Die Gefahr sei groß, sich selbst zu überhöhen. Die Show dürfe die Leichtigkeit nicht verlieren und nie zu aufgeblasen daherkommen.

Spuren, dass da jemandem der Erfolg zu Kopf gestiegen sein könnte, findet man durchaus. Der Konferenzraum am Ende des Redaktionsflurs ist schmucklos ausgestattet, an den Wänden stehen nur, stolz aufgereiht, die wichtigsten Preise, die Welke und die ZDF-Satiriker im Lauf der Jahre abgeräumt haben: der Deutsche Fernsehpreis, der Grimme-Preis, der Comedy-Preis, der Bambi. Einen Hauch von Selbstironie verbreitet der goldene Mainzelmann aus Anlass des 50-jährigen ZDF- Bestehens. Jagdtrophäen dagegen sind hier nicht zu entdecken, kein „Je suis Greußener Salami“-Schild, nur ein anderes Requisit: das „Peschmerga Kochstudio“ an der Tür der kleinen Kantinen. Auf der Jagd zu sein, das weist Denzer ohnehin zurück: „Wir wollen Politik kritisieren. Es geht uns nicht darum, Menschen vorzuführen.“

Ist die "heute show" böse im engen Sinne sein?

Oliver Welke moderiert die "Heute Show", Politiker wollen eher nicht in seiner Satiresendung vorkommen.
Oliver Welke moderiert die "Heute Show", Politiker wollen eher nicht in seiner Satiresendung vorkommen.

© Willi Weber

Wo aber beginnt im Fernsehen das „Vorführen“? Wie weit Satire gehen darf, hängt nicht zuletzt vom Rang des „Opfers“ ab. Passanten auf der Straße mit Fangfragen zu überfallen, ist billig. Wer jedoch zu einer Demonstration geht, der muss sich auch das öffentliche Interesse gefallen lassen. Zur Hochzeit der Pegida-Demonstrationen, bei denen die Teilnehmer Interviews mit Reportern zum Teil rüde verweigerten, war erneut Carsten van Ryssen für die „heute show“ unterwegs. Mit Pelzmütze auf dem Kopf und einem selbst gebastelten Mikro von „Russia Today Deutschland“ entlockte er Dügida-Demonstranten in Düsseldorf entlarvende Kommentare zum Islam und zu den angeblich gleichgeschalteten Journalisten. „Russia Today“ galt seinen Gesprächspartnern offenbar als glaubwürdiges Medium.

Was den Nachrichtenreportern nicht gelang, gelang der Satire: die krude Mischung aus seriösem Bürger und Hooligan zum Sprechen zu bringen. Ein aufklärerischer Akt. Ein „grober, unverzeihlicher Fehler“ (Denzer) unterlief der Redaktion dagegen im Fall der jungen Linken-Politikerin Marlena Schiewer aus Görlitz. Das in der Sendung präsentierte Zitat erweckte den Eindruck, als sei Schiewer AfD-Sympathisantin. Dabei hatte sie nur die rechte Gesinnung vieler Leute in ihrem Dorf beschrieben. Welke entschuldigte sich öffentlich.

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Auch der Papst wird aufs Korn genommen

Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate, die den Sinn der Aussage umkehren, sind auch bei prominenteren Zeitgenossen keine Zierde. Aber grundsätzlich müssen sich Spitzenpolitiker mehr gefallen lassen als Erika und Max Mustermann. Wer schlau ist, spielt das Spiel mit – indem er als Gast in der Sendung seine Fähigkeit zur Selbstironie zur Schau stellt. Oder indem er (oder sie) es macht wie Hannelore Kraft, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin. Die fabrizierte vor der Verleihung des Karnevalspreises „Spitze Feder“ eine mehr oder weniger lustige Parodie der „heute show“, bei der sie als Gernotina Hassmagd auftrat. Zur Belohnung wurde sie von Welke eingeladen. „Den Vorwurf müssen wir uns gefallen lassen, dass wir den Politikern in der Show eine kostenlose PR-Fläche geben“, sagt er. Die Wahrheit ist: Die „heute show“ ist nicht nur Scharfrichter und Pranger, sondern auch eine hübsche Bühne für Politiker. Sofern sie Bühnentalent haben natürlich.

„Es gibt durchaus noch ein paar Leute wie Sigmar Gabriel oder Horst Seehofer, die ich gerne mal in der Show begrüßen würde. Auch Gregor Gysi hat uns schon zehnmal abgesagt – aber wir geben nie auf“, sagt Welke. Nur eine wird wohl nie kommen: Angela Merkel. Und doch ist die Kanzlerin präsent in Köln-Mülheim. Als eine, die den Mitarbeiterinnen auch hier den Weg weist. Mit einer Fotomontage auf der Toilettentür. Keine Schande, denn dieser Job wird hochrangig vergeben. Bei den Jungs ist es Papst Franziskus.

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