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I.M. Pei entwarf die Louvre-Pyramide auf Geheiß von Francois Mitterrand.

© Eric Feferberg/AFP

Zum Tode von I.M. Pei: Der Mann, der Licht bauen konnte

I. M. Pei schuf den Annex zum Berliner Zeughaus – und ansonsten Architekurikonen in aller Welt.

Niemand konnte dem Charme von I. M. Pei widerstehen. Der zarte, leise Mann schlug jeden in seinen Bann, auch und gerade diejenigen, die gewohnt waren, die Bühne für sich allein zu beanspruchen. Die Bilder, wie der schon durch seine Statur beherrschende Helmut Kohl neben dem schlanken Pei nicht schrumpfte, aber doch normales Maß zurückerlangte, sind unvergesslich.

Kohl, der nach der glücklich errungenen deutschen Einheit im Zenit seiner Macht stand, entschied 1997 par ordre du mufti, den gebürtigen Chinesen und naturalisierten Amerikaner Pei mit dem Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums in Berlin zu beauftragen, einer seiner Herzensangelegenheiten. Zuvor hatte Museumsdirektor Christoph Stölzl in New York vorsprechen müssen, um Pei zum Besuch Berlins zu bewegen.

Erst an der Spree konkretisierte sich der Auftrag, den Kohl dann freihändig vergab, sehr zum Ärger der auf Wettbewerbe fixierten deutschen Architektenschaft. Pei nahm an – und entwarf den eigenwilligen, aus Dreieck und Kreis zusammengesetzten, in hellem Sandstein leuchtenden Bau hinter dem mächtigen Zeughaus. „Ich will, dass die Leute mich mit meinem Bau bemerken, aber ich will nicht laut schreien“, hatte er 1997 gesagt, als er dem Kanzler und der Öffentlichkeit seine Pläne in Berlin vorstellte.

Auf Geheiß von Mitterrand

Als 2002 das Richtfest für den Pei-Bau, wie er seither genannt wird, gefeiert wurde, kam Pei, zehn  Tage vor seinem 85. Geburtstag, nochmals nach Berlin, doch waren etliche seiner Ansprechpartner nicht mehr im Amt. Noch weniger, als sich nach und nach die Anerkennung der Öffentlichkeit einstellte.

Die öffentliche Anerkennung: Am heftigsten in Peis Laufbahn war es bei der Pyramide im Innenhof des Pariser Louvre. Das französische Nationalmuseum hatte er auf Geheiß von François Mitterrand renoviert und als Höhepunkt eine gläserne Pyramide als Eingang mitten in den Hof gestellt. Frankreich tobte – nur um wenige Jahre später begeistert zu sein von der einladenden Geste, mit der der Louvre seither die Millionenschar seiner Besucher willkommen heißt.

Dreieck, Kreis, Sandstein. Peis Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums in Berlin.
Dreieck, Kreis, Sandstein. Peis Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums in Berlin.

© imago images / Travel-Stock-Image

In der Nacht zu Donnerstag nun ist Ieoh Ming Pei, wie er mit vollem Namen hieß, in seiner Wahlheimat New York im Alter von 102 Jahren gestorben. Geboren wurde er am 26. April 1917 im südchinesischen Kanton, dem heutigen Guanghzou, in die wohlhabende Familie des dortigen Chefs der Bank of China. Bereits 1935 ging er in die USA, um in Cambridge bei Boston am MIT und später in Harvard zu studieren – bei Walter Gropius, der 1938 zum Professor berufen worden war.

Nach China kam er nicht mehr zurück, daran hinderten ihn Bürgerkrieg und Revolution. Er wurde ein ganz und gar amerikanischer Architekt, vor allem als Partner der erfolgreichen Bürogemeinschaft Pei Cobb Freed, von deren Zeichentischen unter anderem auch das Holocaust Museum in Washington stammt.

Jackie Kennedy wusste es besser

Seinen Durchbruch erlebte Pei mit der John-F.-Kennedy-Gedenkbibliothek, eine jener Bibliotheken, wie sie seit Roosevelt amerikanischen Präsidenten nach dem Ende ihrer Amtszeit errichtet zu werden pflegt. Auch dies war ein freihändiger Auftrag, erteilt 1964 von der Präsidentenwitwe Jackie Kennedy. Sie war es, die sich vom höflichen Auftreten des Architekten begeistert zeigte und damit das den Tatsachen entsprechende Stereotyp vom Charme Peis in die Welt setzte.

Der seinerzeit in der Öffentlichkeit wenig bekannte Pei hatte Jackie, so die Legende, Mies van der Rohe empfohlen, der sei „der Beste“. Aber die Witwe wusste es besser.

Im Zickzack zur Antennenspitze. Peis Hochaus für die Bank of China in Hongkong.
Im Zickzack zur Antennenspitze. Peis Hochaus für die Bank of China in Hongkong.

© Philippe Lopez/AFP

Große und öffentlich beachtete Aufträge schlossen sich seither in dichter Folge an, etwa zum Bau des 1990 eröffneten, 72-stöckigen Hochhauses der Bank of China in Hongkong, nicht weit entfernt, aber damals noch durch eine strikte Grenze getrennt von seiner Heimatstadt. Der als „Nobelpreis der Architektur“ geltende Pritzker-Preis war ihm schon Jahre zuvor verliehen worden. Das Hochhaus mit seinen charakteristischen Diagonalstreben, die im Zickzack zur Antennenspitze hinaufführen, wurde eine der Ikonen des an Ikonen, an wiedererkennbaren Bauten reichen Werkes von Pei.

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel hatte Pei 1997 als Kriterien für ein heutiges Museumsgebäude genannt: „erstens Transparenz und zweitens Bewegung“. Man darf diese Aussage auf die ganze, reife Architektur Peis beziehen. So, wie der Erweiterungsbau des Zeughauses von Licht durchflutet wird und dem Besucher zugleich verschiedene Richtungen der Bewegung aufzeigt, ohne ihm eine einzelne aufzudrängen, sind alle Großbauten Peis von Licht und Bewegung erfüllt.

Die Gralshüter und das Sakrileg

Besonders gern hat er Museen entworfen, diese liebste Bauaufgabe heutiger Architekten. Der Ostflügel der Nationalgalerie in Washington, 1978 eröffnet, wurde mit seinem riesigen Foyer, den Treppen und Rolltreppen zum vielerorts beneideten Vorbild.

Pei selbst jedoch ahmte sich nicht nach. Gewiss, er übernahm einzelne Elemente; und seien es die Rolltreppen, die in den Louvre einzubauen – wenn auch harmonisch mit Natursteinwänden kombiniert – die Gralshüter des herkömmlichen Museums als Sakrileg empfanden, die Besucher indessen als Wohltat.

Nie hat es Pei auf Konfrontation abgesehen. Technik war ihm kein Selbstzweck, die er hätte herausstellen müssen, sondern selbstverständliche Zutat, die sich dem Ganzen einfügt. Das chinesische Erbe des auf Harmonie zielenden Konfuzianismus war ihm zeitlebens gewärtig.

Am schönsten konnte er es in dem privaten Miho-Museum in den Bergen nahe der japanischen Kaiserstadt Kyoto ausdrücken. Über Brücke und Tunnel nähert sich der Besucher dem ihm verborgenen, in die Hügel eingebetteten Museumskomplex – und erlebt eine so gut wie vollkommene Harmonie zwischen Gebautem und Gewachsenen. Nur dass die Bäume, die den Ausblick durch die großen Fenster rahmen, genau dorthin gesetzt wurden – Natur als Kunstwerk.

Wasser, Wald und Hügel

Man könnte es auch als „Bauen im Kontext“ bezeichnen. Denn seine Bauten, so hat Pei es in einem Interview gesagt, „müssen genau zu dem ,Strom’, der sie umgibt, passen“ – sei dieser nun Wasser, Wald oder Hügel. In Doha, der Hauptstadt Katars, fand er Wasser und Sand und eine leere Landzunge, auf der er 2008 das Museum für Islamische Kunst errichtete. Es ist eine Etüde aus Geometrie, aus Quadraten und Achtecken, streng und ehrfurchtgebietend. Innen ist alles Licht, Transparenz, Ausblick; und Bewegung über großzügige Treppen hinauf in die Ausstellungsräume.

In Berlin war der umgebende „Strom“ für Pei die Geschichte der Architektur, mit Namen Karl Friedrich Schinkel. Dessen Bauten – und die Spuren derer, die im Krieg zerstört wurden – hat er aufgesucht, und sei es allein im Morgengrauen. Die Neue Wache, dieser formstrenge Bau Schinkels Unter den Linden, war Pei wichtig, wie auch dessen Rückseite: „Das gläserne Treppenhaus schaut auf die Neue Wache“, erläuterte er 1997 seinen Berliner Entwurf.

Durch Gropius, in dessen Büro er 1946 eingetreten war, und den von ferne bewunderten Mies van der Rohe war Pei auf Schinkel gekommen. Lange bevor ihn Kanzler Kohl beauftragte, reiste Pei hin und wieder nach Berlin, um Schinkels Bauten zu sehen – und den städtebaulichen Kontext, in dem sie standen oder gestanden hatten. Im Bewusstsein des architektonischen Erbes hat Pei so gebaut, wie Schinkel forderte: man sei „nur da wahrhaft lebendig, wo man Neues schafft”. Neu, aber nicht modisch. Peis Bauten werden bleiben.

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