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Alexander als Pflanze. Der Berliner Bildhauer Gerald Matzner (1943–2018) hat den Botaniker Humboldt auf originelle Weise verewigt.

© Rena Matzner

Zum 250. Geburtstag des Naturforschers: Im Reich der Pflanzen

Durchaus kein "troknes Studium": Wie Alexander von Humboldt die Botanik in Bewegung brachte. Eine Neuerscheinung.

Festgewurzelt sind sie, die Pflanzen, an ihren Ort gefesselt, schön anzusehen, aber doch ein wenig langweilig. Wer mag sich schon im Detail mit ihnen befassen, mit ihren Variationen und ihren langen lateinischen Namen?

Er entwarf die Vision einer "Pflanzengeographie"

Alexander von Humboldt selbst hat die Botanik einmal als „trocknes, hyperlangweiliges Studium“ bezeichnet. Damit meinte er aber nur jene Pflanzenwissenschaft, die stubenhockerisch auf Feldforschung verzichtet. Grundsätzlich stand für ihn fest: „Die Botanik ist die Wissenschaft, von der sich die menschliche Gesellschaft am meisten zu versprechen hat“, der Pflanzenbau sei „die edelste und wichtigste Beschäftigung des Menschen“. Bereits in jungen Jahren entwarf der preußische Adlige die Vision einer neuen Disziplin, der „Pflanzengeographie“. Damit ging er weit über die Tradition des Klassifizierens hinaus, die der schwedische Botaniker Carl von Linné begründet hatte. Auf seiner Amerikareise schickte er kistenweise Herbarbelege nach Europa – und betrachtete sie im Zusammenhang mit der menschlichen Kultur. „In das Gebiet dieser Wissenschaft“, so Humboldt, „gehören Betrachtungen über lange Seefahrten und Kriege, durch welche ferne Nationen vegetabilische Produkte sich zu verschaffen oder zu verbreiten suchen. So greifen die Pflanzen gleichsam in die moralische und politische Geschichte des Menschen ein.“

Humboldt interessierte sich für Wanderungen und Wechselwirkungen

Anders ausgedrückt: Humboldt brachte die Botanik in Bewegung, er interessierte sich für Wanderungen und Wechselwirkungen, betrachtete die Pflanzen in ihrer historischen Dimension und ihrer geografischen Verbreitung. Wie er das tat und welche Wirkung das hatte, zeigt das neue Buch „Botanik in Bewegung – Alexander von Humboldt und die Wissenschaft der Pflanzen“.

Es ist sicher eins der schönsten und für die breite Öffentlichkeit interessantesten Bücher, die rund um den Geburtstag Alexander von Humboldts publiziert wurden. Denn es bietet Anschauung und Anregung für alle Interessen, und das unterhaltsam erzählt und aufs Schönste bebildert. Der Literaturwissenschaftler Oliver Lubrich, Herausgeber der "Berner Ausgabe", und der Botaniker Adrian Möhl bilden ein Autorenpaar, das sich perfekt ergänzt. Der eine schreibt, auf weißen Seiten, über das Leben des Naturforschers, seine Schriften, seine Wirkung, der andere geht, auf grauen Seiten, stärker ins botanische und naturgeschichtliche Detail, immer höchst lesbar und auch für Laien verständlich.

Bonpland und Humboldt probierten auch indianische Drogen

Das Buch folgt der Biografie Humboldts, seinen frühen Studien an unterirdischen Flechten und Pilzen in Freiberg (Sachsen), der Amerikareise mit dem Botaniker Aimé Bonpland 1799–1804, der Aufarbeitung seiner Amerikareise in Paris, der Russlandreise 1829. Es erzählt vom Drachenbaum, von den indianischen Drogen, die Humboldt probierte, von seiner Nachwirkung, und es stellt die Frage nach der Ambivalenz aller Forschung: „Sogar die scheinbar unschuldige Pflanzenkunde konnte, wenn auch ungewollt und unbewusst, im Dienste des kolonialen Projekts stehen.“

Zusammen mit den Abbildungen – Zeichnungen teilweise aus Humboldts Feder und zeitgenössische Gemälde von seinen Reisen – ergibt sich ein Gesamteindruck ganz im Humboldt’schen Sinne, der Kultur-, Natur- und Geistesgeschichte umfasst. Und Relevanz für heute hat: Humboldts Messungen von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Niederschlagsmengen sind für die historische Klimaforschung von Interesse, und an den Sammlungen, die Bonpland und er mitbrachten, können heutige Forscher DNA-Analysen durchführen.

Oliver Lubrich, Adrian Möhl: „Botanik in Bewegung. Alexander von Humboldt und die Wissenschaft der Pflanzen“. Haupt Verlag Bern, 2019. 271 Seiten, 34 Euro. Dazu gibt es ein Postkartenbuch zu 19,90 Euro.

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