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Schicksale. Die Ausstellung auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof zeigt die Lebenswege der Mendelssohns. Links im Bild: Autor Thomas Lackmann.

© Doris Spiekermann-Klaas

Zeitung im Salon am 3. September: Das Berlin der Mendelssohns

Auf Spurensuche: Familienbiograf Thomas Lackmann lädt zu einer Bilderreise zu den Wohn- und Wirkungsstätten der Familie Mendelssohn ein.

Wildromantisch und verkehrsumtost – das sind die Friedhöfe vor dem Halleschen Tor. Wer hier umherwandelt, hat im Ohr immer die Autos vom Mehringdamm, der Blücherstraße und der Zossener Straße, aber vor den Augen öffnet sich eine wunderbar grüne Welt der Wehmut: von Efeu überwucherte Wandgräber, verwitterte Inschriften, Skulpturen von Trauernden mit gesenktem Blick, schmiedeeiserne Ziergitter und Marmorsäulen. Eine Amsel huscht über die Grabplatte eines Kommerzienrats: Was war das wohl für einer? Nicht mehr herauszufinden – vergessen, verweht.

Unter den vielen Unbekannten und Berühmtheiten, die hier begraben sind, sticht eine Familie hervor: die Mendelssohns. Allein 28 Nachkommen des Philosophen und Aufklärers Moses Mendelssohn und seiner Frau Fromet haben ihre letzte Ruhestätte auf den Friedhöfen vor dem Halleschen Tor gefunden, darunter auch die Komponisten-Geschwister Felix Mendelssohn Bartholdy und Fanny Hensel. Seit 2013 zeigt eine Ausstellung in der Kapelle auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof die Lebenswege der Familienmitglieder, die vor allem zwischen 1770 und 1933 Berlin geprägt haben: als Bankiers, Gelehrte, Musiker, Pädagoginnen und Philanthropen. Neuerdings gibt es zur Ausstellung auch einen prächtigen Katalog: „Die Familie Mendelssohn und ihre Gräber vor dem Halleschen Tor“, erschienen im Nicolai Verlag, reich bebildert und mit Texten von Tagesspiegel-Redakteur Thomas Lackmann.

Vier von sechs überlebenden Kindern konvertierten zum Christentum

Daraus kann man auch erfahren: Moses und Fromet Mendelssohn ruhen nicht hier, sie sind auf dem Jüdischen Friedhof an der Großen Hamburger Straße begraben. Erst ihre Nachkommen traten zum Christentum über: „Von den sechs überlebenden Kindern blieben zwei Juden, zwei wurden evangelisch, zwei katholisch“, sagt Thomas Lackmann. „Die Gründe und Umstände der Konversionen waren ganz unterschiedlich, das macht die Lebensgeschichten so spannend.“ Lackmann ist Lokalredakteur beim Tagesspiegel, aber gleichzeitig ein Mendelssohn-Experte. Er hat 2005 eine Familienbiografie geschrieben, die soeben in einer überarbeiteten Neuauflage erschienen ist: „Das Glück der Mendelssohns“ (Nicolai Verlag, 562 Seiten, 34,95 Euro). Auch eine Biografie von Abraham Mendelssohn-Bartholdy, des Vaters von Felix und Fanny, stammt aus seiner Feder. Am Ausbau des ehemaligen Bankhauses in der Jägerstraße zum Erinnerungsort „Mendelssohn-Remise“ war Lackmann maßgeblich beteiligt, er ist stellvertretender Vorstand der Mendelssohn-Gesellschaft – und selbst ein Nachfahr von Fanny Hensel.

Bodenskulptur von Micha Ullman am Ort des ehemaligen Wohnhauses

Im Tagesspiegel-Salon wird Thomas Lackmann die Gäste mitnehmen auf eine Bilderreise zu den Orten der Mendelssohns in Berlin, dorthin, wo sie lebten und wirkten bis hin zu ihren Grabstätten. Moses Mendelssohn trat 1743 durch das Hallesche Tor in die Stadt ein, wo er als Seidenfabrikant und Philosoph zu Geld und Ruhm kommen sollte. Die Familie lebte zeitweise in einem Haus in der Spandauer Straße 68 – hier soll in Kürze ein Denkmal des israelischen Bildhauers Micha Ullman der Öffentlichkeit übergeben werden: eine Bodenskulptur, die die Front des damaligen Hauses auf das Areal projiziert.

Im Salon am 3. September können die Gäste alle Mendelssohn-Orte in Wort und Bild erleben, und vielleicht wandelt der eine oder andere vorher über die Friedhöfe vor dem Halleschen Tor, die nicht weit entfernt sind vom Tagesspiegel-Haus. Wer einen ganzen Tag investieren und die Orte selbst in Augenschein nehmen möchte, kann an einer Studienexkursion teilnehmen: Am 286. Geburtstag Moses Mendelssohns, am Sonntag, den 6. September., fährt ein Bus mit fünf Stadtführern zu den Wohn-, Wirkungs- und Grabstätten seiner Nachfahren (Tickets zu 45 Euro unter reservierung@mendelssohn-remise.de oder Tel. 81704726.)

Donnerstag, 3. September, 19.30 Uhr, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, Eintritt inkl. Sekt und Snack 16 Euro, zur Anmeldung.

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