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Diwan am 10. März im Tagesspiegel-Haus: Bisschen was Süßes zwischendurch

„Ich komm auf Deutschland zu“: Firas Alshater ist aus Syrien geflüchtet und in Deutschland zum Youtube-Star geworden. Jetzt stellt der Comedian sein Buch im "Diwan" vor.

Nie, nie, nie hätte er das gedacht. Dass er einmal ein ganzes Buch veröffentlichen würde, und noch dazu in Deutschland! Firas Alshater hat zwar schon als Kind in Syrien Bücher geschrieben. Aber das Geschäftsmodell funktionierte nicht ganz, wie er in Folge 14 seiner YouTube-Videoserie „Zukar“ erzählt: „Ich schrieb meine Texte, mein Vater kopierte das alles für einen Euro und ich verkaufte die Bücher für 50 Cent.“ Nun also hat der 26-jährige Comedian und YouTube-Star ein richtiges Buch geschrieben: „Ich komm auf Deutschland zu – Ein Syrer über seine neue Heimat“ heißt es, und der mittlerweile vollbärtige Firas Alshater freut sich darüber, als wäre er noch das kleine Kind in Damaskus. Ums Geldverdienen geht es dabei nicht so sehr, denn wie Alshater in seinem Zukar-Video erklärt: „Reich werden mit Büchern“, das ist auch in Deutschland schwer.

Selbst zu Wort kommen

Egal, es gibt Wichtigeres. Dazu gehört das Verhältnis von Deutschen und Syrern, die Verständigung zwischen beiden und überhaupt erst einmal das Kennenlernen. Alshater, seit 2013 in Deutschland, wundert sich nämlich oft darüber, wie viel über Flüchtlinge in deutschen Medien geschrieben wird – und wie wenig sie selbst zu Wort kommen. In der Tat sind Projekte wie #jetztschreibenwir des Tagesspiegels und der Friedrich-Naumann-Stiftung in der deutschen Medienlandschaft selten: Im Oktober ist eine ganze Tagesspiegel-Ausgabe mit Texten und Fotos von Exiljournalisten erschienen, und dieses Projekt wird mit Beilagen und Veranstaltungen wie der neuen Salon-Reihe „Diwan“ fortgesetzt.

Auch lustige Geschichten im Gepäck

Firas Alshater wird am 10. März in dieser Reihe sein Buch und seine Videos auf Deutsch vorstellen, und dank Simultanübersetzung ins Arabische können auch Neuankömmlinge mit schwachen Sprachkenntnissen teilnehmen. Denn auf den direkten Kontakt kommt es an. Gerade weil die Mehrheit der Deutschen so wenig Kontakt zu Flüchtlingen habe, würden sie als Bedrohung wahrgenommen, sagt Alshater. „Alle wissen, was dieser oder jener Politiker zu der Flüchtlingsfrage gesagt hat. Aber kaum jemand weiß, was die Geflüchteten dazu sagen. Wenn man sie mal fragen würde! Vielleicht haben sie nicht nur traurige Geschichten im Gepäck, sondern auch lustige?“

Firas Alshater selbst hat viele Geschichten „im Gepäck“, sehr traurige und sehr lustige, die er in seinem Buch erzählt. Syrien war für ihn lebensgefährlich geworden. „In Damaskus suchte mich der Geheimdienst, in Nordsyrien waren die Islamisten hinter mir her, und sogar meine Freunde aus der syrischen Revolution hielten mich für einen Geheimdienstagenten der Regierung.“ Er hatte Glück und konnte offiziell nach Deutschland ausreisen: Der deutsche Filmproduzent Jan Heilig, in dessen Auftrag er in Syrien gedreht hatte, brauchte seine Bilder und Mitarbeit für einen Film und lud ihn ein.

Assad-Bilder im Wohnzimmer der Tante

Als Alshater in Berlin seine geliebte, lange vermisste syrische Tante besucht, kriegt er einen Schock: In der Wohnung hängen Bilder des Diktators Assad. „Das ist etwa so, als wenn ein Deutscher irgendwo zu Gast wäre und die Hakenkreuzfahne im Wohnzimmer entdecken würde.“ Der Onkel schmeißt ihn nach wenigen Tagen raus. Beim Karneval der Kulturen erlebt er „Alkohol in Strömen und viele halbnackte Männer und Frauen, die herumtanzen.“ Kulturschock!

Erst schläft er bei Jan Heilig auf dem Sofa im Studio, dann schicken ihn die Behörden ins Asylbewerberheim und er schlägt sich wie alle anderen Flüchtlinge mit dem Papierkram herum. Die deutsche Sprache meistert er inzwischen, wenn er auch ihre Umlaute und Diphthonge merkwürdig findet. „Das hat sich bestimmt jemand mit Nierensteinen ausgedacht: Auauaua, Oioioi, Eeeeäääuuaaarghhhhh.“

Irgendwann macht Alshater ein Experiment, stellt sich auf den Alexanderplatz mit Augenbinde und einem Schild: „Ich bin syrischer Flüchtling. Ich vertraue dir – vertraust du mir? Umarme mich!“ Und er macht ein Video darüber, wie die Menschen erst zögern und vorbeigehen und ihn dann doch umarmen, einer nach dem anderen. Das Video wird ein Hit und der Start zu seiner Reihe „Zukar“, in der Alshater Syrern erklärt, wie die Deutschen ticken – und andersherum.

Kein Kennenlernen ohne Tee mit Zucker

Dreimal war er in Syrien im Gefängnis, insgesamt neun Monate lang, jedes Mal unter Folter. Diese schockierenden Erlebnisse beschreibt er im Buch und warnt seine Leser vorher: „Ihr dürft das nächste Kapitel gerne erst mal überblättern. Das habe ich auch eine Zeitlang gemacht. In meinem Kopf.“ Die Geschichte dieser Wochen stehe „für immer auf meinem Körper“. Doch das Traurigste für ihn sei gewesen, dass ehemalige Weggefährten aus der Freiheitsbewegung ihn für einen Verräter halten. „Das ist leider ziemlich normal, wenn man das Foltergefängnis überlebt hat: Irgendwer vermutet dann immer, man sei übergelaufen.“

Und trotzdem oder gerade deswegen liebt er das Lachen. „Zukar“, das steht für Zucker, und in jedem Video kommen Zuckerstücke vor. „ Bei uns gibt es kein Kennenlernen ohne Tee. Und so gut wie keinen Tee ohne viel Zucker drin. Die Flüchtlingsdebatte ist sauer genug – bisschen was Süßes zwischendurch kann da nicht schaden, oder?“ Witze und Satire zu machen, ist für ihn befreiend und ein Weg, Leute zusammenzubringen. „Ich liebe es, Menschen mit meinem Humor zum Lachen zu bringen. Egal, ob Deutsche, Araber oder Afrikaner – alle lachen in derselben Sprache.“

Diwan mit Firas Alshater, Freitag, 10. März, Beginn 19 Uhr. Mit Simultanübersetzung ins Arabische und Live-Musik: Nabil Arbaain (Oud), Matthias Haffner (Percussion). In Kooperation mit der Friedrich-Naumann-Stiftung. Anmeldung hier.

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