zum Hauptinhalt
Versteckt zwischen Fliederbüschen: E.T.A.Hoffmann-Statue mit dem "Berlinologen" Michael Bienert.

© Dorothee Nolte

Zeitung im Salon mit Michael Bienert: "Das Leben der großen Stadt wirkt ganz wunderbar aufs Gemüth"

Eine Berliner Sehenswürdigkeit: Das war E.T.A. Hoffmann, wenn er die Nächte durchzechte. Der Berlinologe Michael Bienert hat sich auf die Spuren des Schriftstellers begeben.

Man ahnt ja nicht, wer sich alles am Gendarmenmarkt versteckt. Mitten zwischen blühenden Fliederbüschen an der Ecke Charlotten-/Taubenstraße etwa, schräg gegenüber von „Lutter & Wegner“, steht E.T.A. Hoffmann und scheint in sich hineinzukichern – eine schmale mannshohe Statue, deren Inschrift am Boden schwer zu entziffern ist. So steht der Dichter im Grünen und amüsiert sich womöglich darüber, dass er von kaum jemandem bemerkt oder erkannt wird, aber seine ehemaligen Wirkungsstätten fest im Blick hat. Und wer weiß, vielleicht schneidet er des Nachts Fratzen oder wandert umher? Es würde zu ihm passen.

"Das beste Restaurationsmittel für den Geist"

Hier, am Gendarmenmarkt, hat E.T.A.Hoffmann (1776-1822) jahrelang gewohnt, hier spielen einige seiner fantastischen Geschichten, hier hat er miterlebt, wie das Nationaltheater von Langhans abbrannte und das Schinkelsche Schauspielhaus gebaut wurde. Der in Königsberg geborene Schriftsteller, Opernkomponist, Zeichner und Kammergerichtsrat war ein Berlin-Fan, er liebte es, über den Platz und die Linden zu schlendern und das Treiben zu beobachten – und was er sah, das fand Eingang in seine Geschichten, vor allem skurrile Details und Gestalten. „Das lebendige Leben der großen Stadt, der Residenz, wirkt doch nun einmal wunderbar auf das Gemüth“, schreibt Hoffmann 1820 in einem Brief an seinen Freund Theodor Gottlieb von Hippel, „und solcher Kunstgenuß, wie er hier doch zu finden, ist das beste Restaurationsmittel für den Geist, den das Einerley erschlafft, wo nicht tödtet.“

Stammgast im "Lutter & Wegner"

Nicht nur die Kunst, auch der Alkohol war für Hoffmann ein „Restaurationsmittel“, jedenfalls war er bekannt dafür, dass er in seiner Stammkneipe „Lutter & Wegner“ die Nächte durchzechte und dabei die anderen Gäste mit temperamentvollen Erzählungen unterhielt. Heinrich Heine hat ihn gar als Hauptsehenswürdigkeit der Stadt beschrieben: „Bemerken Sie dort am Tisch das kleine bewegliche Männchen mit den ewig vibrierenden Gesichtsmuskeln, mit den possierlichen und doch unheimlichen Gesten? Das ist der Kammergerichtsrat Hoffmann, der den ,Kater Murr’ geschrieben hat.“

Michael Bienert, Tagesspiegel-Autor und Verfasser zahlreicher Berlin-Bücher, hat sich nach seinem erfolgreichen Band „Kästners Berlin“ nun auf die Spuren der schillernden Persönlichkeit Ernst Theodor Amadeus Hoffmanns begeben, der mit seinen Geschichten wie „Der Sandmann“, „Der goldne Topf“, „Die Elixiere des Teufels“ bis heute Leserinnen und Leser anzieht. „E.T.A. Hoffmanns Berlin – Literarische Schauplätze“ heißt der reich bebilderte Band,  und der „Berlinologe“ Bienert zeigt darin nicht nur, wo E.T.A. Hoffmann lebte und wo seine Geschichten spielen, sondern auch wie diese Orte heute aussehen. Denn Bienert, der auch als Stadtführer tätig ist, ist ständig in der Stadt unterwegs und fotografiert.

Hoffmann zeichnete einen mentalen Stadtplan

Und er findet Orte, die sich dem Unkundigen nicht erschließen: An Hoffmanns ehemaliger juristischer Wirkungsstätte etwa, dem ehemaligen Collegienhaus an der Lindenstraße, erinnert nichts an den Kammergerichtsrat, der Aktendeckel gerne mit Karikaturen verzierte. Der barocke Altbau ist heute Teil des Jüdischen Museums, und „wer es nicht weiß, hat keine Chance zu entdecken, dass das Gebäude irgendetwas mit Hoffmann zu tun hat“.

Besonders gerne zeigt Michael Bienert bei seinen Führungen den „Kunzischen Riss“ vor: eine Zeichnung, die E.T.A. Hoffmann 1815 von seiner Wohnung und dem Gendarmenmarkt anfertigte und an seinen Verleger Kunz schickte. Darauf tummeln sich fiktive und reale Personen im Haus, auf dem Platz und im Theatergebäude, „eine mentale Landkarte, man kann sozusagen in E.T.A. Hoffmanns Kopf herumspazieren“, sagt Bienert. Im Tagesspiegel-Salon am 6. Juni wird Bienert mit Andreas Austilat, stellvertretender Leiter des Ressorts „Sonntag“, über das Berlin der Romantik sprechen und mit den Gästen einen Spaziergang durch E.T.A.Hoffmanns Kopf unternehmen. Der Schauspieler Paul Sonderegger liest dazu Original-Passagen aus Hoffmanns Werken.

Am Ende seines Lebens konnte Hoffmann das Leben auf dem Gendarmenmarkt nur noch vom Fenster aus beobachten, denn eine Rückenmarkslähmung fesselte ihn an seine Wohnung. Von seinem Eckfenster in der Taubenstraße 31 aus fiel sein Blick genau dorthin, wo heute seine Statue im Flieder steht. Nur 46 Jahre wurde er alt. Aber am Gendarmenmarkt ist er für Kundige, als Statue und im Geiste, noch heute sehr präsent.

Zeitung im Salon mit Michael Bienert, Montag, 6. Juni, Beginn 19 Uhr, Eintritt inkl. Sekt und Snack 18 Euro, Askanischer Platz 3, zur Anmeldung.

BUCHVERLOSUNG

Wir verlosen Exemplare des Buchs. Mitmachen können Sie hier, Stichwort „Salon“, oder Sie schreiben eine Postkarte an Der Tagesspiegel, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, bis zum 22. Mai.

Zur Startseite