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Nach 80 Jahren erlebt das "Mayor Sofa" von Arne Jacobsen aus dem Jahr 1939 neue Wertschätzung und wurde 2013 als beste Reedition ausgezeichnet. Auf dem Foto im Hintergrund eine Zeichnung von Flemming Lassen für das Zukunftshaus 1927.

© &tradition

Skandinavisches Design: Gutes wird neu

Das dänische Label &tradition verbindet klassisches skandinavisches Design mit den Ideen junger Künstler aus aller Welt.

Die alten Gaslaternen an den Piers des Kopenhagener Hafens haben inspirierend gewirkt. Jetzt, wo der Hafen aus dem Herzen der Stadt nahezu verschwunden ist und weiter Richtung Meer verlagert wurde, schwingt ein Hauch von Nostalgie mit beim Betrachten der wunderbaren Hängeleuchte „Copenhagen Pendant“, die das Designerduo Space Copenhagen für das relativ junge dänische Designerlabel &tradition entworfen hat.

Space Copenhagen sind Signe Bindslev Henriksen und Peter Bundgaard Rützou, die nach dem Besuch der renommierten dänischen Kunstakademie, Abteilung Architektur, 2005 ihr Büro gründeten. Die Hängeleuchte besticht durch ihre ungewöhnliche Form, die auch bei dem nicht mit dem Kopenhagener Hafen Vertrauten Assoziationen mit älteren Leuchten des Industriezeitalters wecken. Der Clou besteht darin, dass der sich zunächst breit öffnende Schirm am Ende wieder verengt, so dass man kaum in das helle Innere der Lampe schauen kann.

Der schmale Hals oben wird von vier gebogenen Metallbügeln gehalten und gewinnt dadurch etwas Modernes, aber auch Filigranes. Ursprünglich diente der Hals der Belüftung der Gaslaterne – jetzt verteilt er ein eher diffuses Licht nach oben. Der matte Metallschirm kontrastiert mit den silbrig schimmernden Bügeln, die ihn fassen. Wer hohe Zimmerdecken hat, kann beruhigt sein: Das Lampenkabel ist vier Meter lang.

 „Copenhagen Pendant“ weckt historische Assoziationen

Ursprünglich sollte es nur eine Hängeleuchte sein, doch dann entdeckten die Designer das Potenzial ihres Entwurfes. Die Lampe gibt es inzwischen in drei Durchmessern; sie lässt sich in der kleineren Variante auch gut als Gruppe hängen. Besonders wirkungsvoll ist sie allerdings in der etwas übergroßen Version „SC 8“ mit einem Schirmdurchmesser von 60 Zentimetern und einer Höhe von 53 Zentimetern. Das kleinste Modell „SC 6“ misst 20 Zentimeter im Durchmesser und 25 Zentimeter in der Höhe. „SC 7“ liegt dazwischen.

Die Stehleuchte "Bellevue AJ 2" stammt von Arne Jacobsen (1929).
Die Stehleuchte "Bellevue AJ 2" stammt von Arne Jacobsen (1929).

© &tradition

„Copenhagen Pendant“ ist ein gutes Beispiel für die Philosophie des Labels &tradition. Versucht wird, gute skandinavische Designtradition zu bewahren beziehungsweise wiederzubeleben und sie mit moderner, zeitgenössischer Formgestaltung zu verbinden. Das ist mit der markanten Hängeleuchte gelungen. Sie weckt historische Assoziationen, ist aber gleichzeitig ein Produkt unserer Tage. „Copenhagen Pendant“ ist das zweite Projekt, das Space Copenhagen für das Label realisiert hat.

Zuvor hatten sie mit der „Fly“-Serie einen guten Einstand gegeben. Wie entwirft man eine Lounge-Serie, die einerseits solide und skulptural wirkt, andererseits aber bequem ist und ebenfalls in der dänischen Designtradition steht? Für den Komfort sorgen die üppigen Sitz- und Rückenkissen, die gesamte Konstruktion aber ist auf ein Minimum reduziert. Die sanft geschwungene Lehne ist mit Gitterstäben wie bei einem Kinderbett versehen, während die Sitzpolster auf einer flachen, an den Rändern leicht abgerundeten Platte ruhen. Die konischen Beine wecken Erinnerungen an die Fünfziger Jahre.

Ein wenig von den alten Zeiten

Sofa mit Ablage: Das "Fly Sofa SC 3" beeindruckt durch seine ungewöhnliche Form.
Sofa mit Ablage: Das "Fly Sofa SC 3" beeindruckt durch seine ungewöhnliche Form.

© &tradition

„Fly“ gibt es als Sessel und Zweisitzer-Sofa. Und in einer dritten Variante mit links und rechts ausladenden, elegant geschwungenen Ablageflächen – fast so, als würden die Polster auf einem übergroßen Nierentisch liegen. Aber eben nur fast. Dank der eleganten Rückenlehne eignet sich „Fly“ auch als Freisteller. Die Serie vereint die Qualitäten eines Stuhles, eines Sessels und eines Relaxsofas und wirkt dabei nicht so wuchtig wie die übergroßen Loungemöbel.

Wie das junge Unternehmen den Namensteil „tradition“ versteht, zeigt das „Mayor Sofa“ von Arne Jacobsen und Flemming Lassen. Es wurde 1939 von den beiden für das von ihnen entworfene Rathaus Sölleröd, heute Rudersdal, geschaffen. Ein Gesamtkunstwerk: von der Bauhülle bis zur Türklinke alles aus einer Hand. Vier Exemplare des Sofas wurden für den Bürgermeister gefertigt. Das Unternehmen &tradition kaufte von der Familie die Rechte an dem gediegenen Möbel, die Zeichnungen lagen zum Glück noch in der Schublade. Die Familie stimmte der neuerlichen Produktion des Sofas allerdings nur unter der Bedingung zu, dass die Herstellung einzig auf der Basis des Originals erfolgen könne. Also besorgte man eines aus dem Rathaus und stellte es, gleichsam als Modell, in die Fabrik.

Das Möbel transportiert ein wenig der alten Zeit, wirkt aber dennoch wie gerade erfunden. Ursprünglich war der Bezug aus cognacfarbenem Leder, heute wird er in verschiedenen Stoffen oder Ledern gefertigt. Charakteristisch sind das massive dunkle Eichengestell und die beiden Knopfreihen auf der schlanken Rückenlehne, die in einer eleganten Kurve nach vorne schwingt.

Eine Lampe wie ein Hocker mit drei Beinen

Ungewöhnlich wirkt der sechsbeinige Tisch „Raft Table NA 2“ von norm.architects. Dahinter verbergen sich die Designer Kasper Rønn und Bjerre-Poulsen, beide 37 Jahre alt. Sie kennen sich schon seit ihrer Schulzeit, beide haben an der Kopenhagener Design Academy studiert. Auch diese Kreativen suchen die Verbindungen zwischen der klassischen skandinavischen Designtradition und den heutigen Vorlieben und Ansprüchen.

Die Leuchte "Milk NA 1".
Die Leuchte "Milk NA 1".

© &tradition

Die Tischplatte aus Räuchereiche, im Farbton modifiziertes Eichenholz, ist an den Rändern nach unten abgerundet und ruht auf einem Stahlrohrgestell, in dem die sechs Beine stecken: je zwei nach außen ausgestellt und das mittlere nach innen gerichtet. Nicht schnurgerade sind sie, sondern eher, wie bei einer Spinne, leicht gebogen. Eine pfiffige Idee. Das solide Holz und das sandstrahlbehandelte Stahlgerüst gehen eine reizvolle Kombination ein.

Aber norm.architects hat sich nicht nur auf den Tisch und passende Stühle konzentriert, sondern auch eine interessante Lampe entworfen, die aussieht wie ein Hocker mit drei Beinen und sich überall gut macht. „Milk NA 2“ besteht aus einem milchweißen Glaskorpus, der wie eine umgedrehte Schüssel auf drei leicht ausgestellten abgerundeten Holzbeinen ruht. Ein rustikal wirkendes Objekt, das gewisse japanische Anklänge ahnen lässt. Dabei ist die Verbindung von japanischer Klarheit und skandinavischer Designtradition naheliegend.

&tradition beschreitet einen spannenden Weg, indem sie klassische Entwürfe durch junge Designer neu interpretieren lässt. Über allem steht: Traditionsbewusstsein.

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