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Bruno Mathsson (1907-1988) arbeitete am liebsten auf von ihm entworfenen Stühlen.

© Tina Stafren

Designer Bruno Mathsson: Philosoph des Sitzens

Bruno Mathsson ist in seinem Heimatland einer der verehrtesten Designer und Architekten. Wer dem Künstler nahe kommen möchte, kann ins südschwedische Småland fahren.

Für die Schweden ist Bruno Mathsson ein Held. Mehr noch, er ist fast so etwas wie ein schwedischer Robin Hood, der sich der Übermacht skandinavischer Designgötter entgegenstellt: Alvar Aalto, Arne Jacobsen, Finn Juhl und Verner Panton – Dänen und Finnen allesamt. Es stinkt den Schweden schon ein wenig, dass sie, wenn es um Möbel geht, allzu oft auf den global agierenden Möbelkonzern Ikea reduziert werden. Für sie ist Bruno Mathsson weltberühmt, schließlich hat er Möbel für die Internationale Bauausstellung in Berlin 1957 und Stühle fürs Museum of Modern Art in New York entworfen.

Natürlich sind die Schweden stolz auf den Ikea-Gründer Ingvar Kamprad – doch ihr Herz gehört dem Underdog Bruno Mathsson. Der hat mit den Sesseln „Pernilla“ und „Karin“ die schwedische Variante einer Designikone der skandinavischen Moderne entworfen. Bis heute stehen die gzschwungenen Bugholzmöbel, deren Sitz- und Liegefläche mit Sattelgurten bespannt ist, in vielen Haushalten und werden immer noch vom Möbelhersteller Dux gefertigt.

Dabei sind sich Ingvar Kamprad und Bruno Mathsson ganz ähnlich. Sie wurden beide im südschwedischen Småland geboren, und letztlich bestimmten bei beiden die sozialdemokratischen Grundsätze der schwedischen Gesellschaft ihre Arbeit. Bei Ikea sollten es Möbel sein, die sich jeder leisten kann, bei Mathsson solche, die für jeden bequem sind. Und wenn sich Ingvar Kamprad ein DIY-System ausdachte, um Möbel günstig auf den Markt zu bringen, ging Mathsson sein Leben lang der Frage nach, wie das richtige Sitzen bei verschiedenen Tätigkeiten funktioniert. Schon 1933 entwarf er drei Grundmodelle: den Arbeits-, den Ruhe- und den Liegestuhl. Nicht von ungefähr ließ er sich meistens im Sitzen fotografieren, am liebsten bei der Arbeit, bei der er eine fast liegende Position bevorzugte. Für sein Wochenendhaus entwarf er eine mobile Küche mit Arbeitsstuhl, auf einem Foto sieht man, wie seine Frau fast liegend in den Töpfen rührt.

Schon sein Ururgroßvater war Schreiner

Um sich Bruno Mathsson und seinem Werk zu nähern, sollte man nach Småland in Südschweden fahren. Die Region dort ist karg und felsig und wird von dunklen, sich schier endlos hinziehenden Kiefernwäldern dominiert. Sie geben schon seit Jahrhunderten den Rohstoff vor, mit dem in Småland am meisten gearbeitet wird.

Holz war viele Generationen in der Familie Mathsson bestimmend. Schon Brunos Ururgroßvater war Schreiner in Värnamo. Hier wurde der Designer 1907 geboren, hierhin kehrte er bis zu seinem Tod im Jahre 1988 immer wieder zurück, und hier entstanden die meisten seiner Möbel und Objekte.

Wohnen in Småland. In seinem Haus spielen Pernilla-Sessel eine wichtige Rolle.
Wohnen in Småland. In seinem Haus spielen Pernilla-Sessel eine wichtige Rolle.

© Tina Stafren

Eine Hochschule hat Mathsson nie besucht, denn sein Vater wusste genau, was der Sohn einmal werden sollte – Schreiner. Also verließ der Junge mit 16 Jahren die Schule und begann seine Lehre. Das war 1921. Aber Schaukelstühle zu bauen und Tischbeine zu drechseln, das reichte dem jungen Mathsson bald nicht mehr. Er lieh sich Bücher und Zeitschriften aus dem Kunsthandwerksmuseum in Göteborg und erfuhr darin, wie rasant sich die Welt der Gestaltung durch Strömungen wie dem Bauhaus in Deutschland in den zwanziger Jahren veränderten. Mit dem Geld, das er bei einer Handwerksausstellung mit einem Stuhl im traditionellen barocken Stil gewann, reiste er 1930 nach Stockholm zu einer Designmesse. Damals setzte sich der Funktionalismus in Schweden durch. Auch Bruno Mathsson begann in der Folge, eine ganz neue, eigene Formsprache zu entwickeln.

Er hörte, dass Alvar Aalto ein Krankenhaus eingerichtet hatte, und überredete den Arzt der örtlichen Klinik von Värnamo, seine Sessel zu kaufen. Das Personal rümpfte die Nase über die hässlichen „Grashüpfer“ und ließ sie schnell auf dem Dachboden verschwinden. Erst, als sich Mathsson international einen Namen als Designer und Architekt gemacht hatte, wurden die verstaubten Sessel wieder hervorgekramt und aufgestellt.

Er baute sich für die Terrasse ein Feldbett

Inmitten der kleinen Stadt Värnamo befindet sich ein Haus, das sich auf den ersten Blick abhebt von all den roten und gelben Holzhäusern mit spitzen Dächern und weißen Fensterläden, die aussehen wie liebevoll dekorierte Puppenhäuser aus einer Geschichte von Astrid Lindgren. Den verglasten Pavillon mit flachem Dach baute sich Mathsson nach eigenen Entwürfen, um seine Möbel auszustellen. Hier sind sie heute noch zu besichtigen.

Im Glaspavillon von Bruno Mathsson in Värnamo werden bis heute seine Möbel ausgestellt.
Im Glaspavillon von Bruno Mathsson in Värnamo werden bis heute seine Möbel ausgestellt.

© Tina Stafren

Mathsson gab nicht viel auf das, was in den Lehrbüchern der Architekten stand und experimentierte so lange, bis alles genau so aussah, wie er es gebrauchen konnte. So baute er sich für die Terrasse ein schlichtes Feldbett. Es bestand aus einem mit Leinen bespannten Metallrahmen mit Rollen, weil er im Sommer gern im Freien schlief. Hier ist auch sein Tisch „Superellips“ zu bewundern. Den entwarf er zusammen mit dem dänischen Mathematiker und Erfinder Piet Hein. Durch die filigran gebogenen Stahlbeine scheint es, als schwebe die Tischplatte darauf.

Auch seine Bugholzsitzmöbel haben diese zeitlose Leichtigkeit. Das sieht man besonders gut, wenn man die große Ehre hat, das private Haus von Bruno Mathsson zu besuchen, das er für sich und seine Frau Karin 1965 an das Ufer eines der Seen außerhalb von Värnamo baute. Der Wohnraum öffnet sich mit einer verglasten Fensterfront zum Wasser hin, auf dem Boden ließ Mathsson ein Mosaik aus wassergrünen Glassteinen verlegen, die von der Glasbläserei Kostas geliefert wurden. Für diese Manufaktur entwarf er auch Vasen. Gleich von drei „Pernilla“-Sesseln aus kann man in die Natur hinausblicken. Man sieht den bequemen Möbeln sofort an, dass sie intensiv genutzt wurden.

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