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In der Berliner Kantstraße 79 sitzt Boccis erste europäische Dependance.

© Bocci

Bocci Leuchten: Die Lampe wird Skulptur

Bocci steht für die hohe Kunst der Glasbläserei – aus Kanada. Nun hat die Manufaktur einen Ableger in Berlin und inszeniert hier sinnliche Lichtkunst.

Wenn Omer Arbel zum Glas greift, geschehen seltsame Dinge. Das Material wirft Blasen, nimmt die Form von flachen Kürbissen an oder sieht aus, als habe jemand die Samen von Pusteblumen in die noch flüssige Masse geblasen. Den Gründer und Kreativchef von Bocci interessiert überhaupt nicht, wie perfekt gläserne Lampen aussehen können. Aus seiner kanadischen Manufaktur kommen im Gegenteil Leuchten, deren ästhetischer Reiz genau darin liegt, dass sie vermeintliche Fehler zum Thema machen.

Die Liebe zum Experiment hat Arbel, Jahrgang 1976, schon als Architekten begleitet. Dreidimensionale Modelle lagen ihm näher als Zeichnungen, aus der Handarbeit erwuchs der Wunsch, mit vertrauten Werkstoffen neue Dinge auszuprobieren.

2013 entwarf Bocci-Gründer Omer Arbel die Lampe 57 mit in jede Richtung biegbaren Kabeln.
2013 entwarf Bocci-Gründer Omer Arbel die Lampe 57 mit in jede Richtung biegbaren Kabeln.

© Bocci

Vor elf Jahren gründete er dann Bocci. Aus der eigenen Glasbläserei in Vancouver kommen seither Lampen, die Räume nicht bloß erhellen, sondern emotional aufladen und durch ihre Präsenz definieren. Was das heißt, kann man seit Kurzem auf der Kantstraße 79 sehen: Hier sitzt Boccis erste europäische Dependance mit einer Ausstellungsfläche von mehr als 2000 Quadratmetern.

In jedem Stock eine andere Farbe

Gerade jetzt, wo die Abende länger werden, leuchten die Leuchten schon von Weitem durch die großen Fenster. Omer Arbel ist mit seiner Firma in ein ehemaliges Gerichtsgebäude aus dem späten 19. Jahrhundert gezogen. Die Berliner Architekten Grüntuch Ernst haben den Komplex in Charlottenburg 2014 gekauft und behutsam saniert. Seitdem glüht in jedem Stockwerk eine andere Farbe.

Den Saal im Hochparterre füllen an die hundert transparente Glaskugeln in einem intensiven Gelbgrün. Im Treppenhaus entfaltet sich ein silbernes Blätterdach mit weißen Leuchtbällen. In den Fluren hängen vielteilige Lichtinstallationen, die an ein Bündel von farbigen Murmeln in monumentaler Größe erinnern. Tütenlampen aus Keramik hängen so schlaff über den Glühbirnen, dass sie jeden Moment hinabzugleiten scheinen. Und jene keramischen Objekte, die wie platte Kürbisse ausschauen, formieren sich an einer der Decken dank ihrer biegsamen Kabel zu einem chaotischen Gespinst.

Schönheit ist keine Frage der Oberfläche, sie entsteht im kreativen Prozess.
Schönheit ist keine Frage der Oberfläche, sie entsteht im kreativen Prozess.

© Bocci

Die Entscheidung für die eklektische Architektur einer vergangenen Epoche begründet Arbel im Wortsinn einleuchtend: Sie sei in einer Zeit entstanden, in der räumliche Qualitäten anders wahrgenommen wurden. Ein ganzer Teil des Hauses ist seiner Erschließung gewidmet. Die Treppen und Korridore gehorchen nicht der ökonomischen Effizienz heutiger Bauwerke, sondern verstehen sich als Geste der Repräsentation.

Hier breitet der Designer seine Lampenserien aus und inszeniert sie als Lichtobjekte geradezu skulptural. Jede Arbeit, denen er Zahlen wie 14, 28 oder 57 als Namen gibt, bekommt ihren eigenen Ort und entfaltet dort individuelle Qualitäten – immer im Dialog mit dem Umraum.

Beim Preis wird klar, wie groß der Produktionsaufwand ist

Arbel sieht die großzügige Ausstellung über mehrere Etagen als eine Art „lebendes Archiv“, in dem sich Ideen bündeln und Prototypen entfalten können. Seine meterlangen Girlanden aus galvanisierten Kupferdrähten sind ein gutes Beispiel dafür: Das silbrig glänzende Metall, das sich an den umwickelten Drähten festgesetzt hat, wirkt wie organisch gewachsen. Man denkt an Algen, die sich durch mehrere Räume winden und das vorhandene Licht sanft abstrahlen.

Die „Girlanden“ sind mehr Reflektor als Lampe und bestehen aus galvanisierten Materialien.
Die „Girlanden“ sind mehr Reflektor als Lampe und bestehen aus galvanisierten Materialien.

© Bocci

Eine konkrete Funktion hat dieses Experiment noch nicht, jedoch entspringt ihm am Ende ein ebenso brauchbares wie ästhetisches anspruchsvolles Objekt.

Das Thema Beleuchtung scheint bei Bocci ein Aspekt unter vielen. Die Lampen erhellen erst einmal sich selbst, beleuchten die Blasen und unterschiedlichen Farben im Glas und setzen den Makel in Szene. Die technisch komplexen Prozesse der Entwicklung sieht man ihnen nicht an – aber spätestens beim Preis wird klar, wie aufwendig die Herstellung der Objekte ist.

Alles hat das Unternehmen selbst durchdacht und passend umgesetzt, vom Kabel bis zur Deckenbefestigung. Bald wird man die Lampen auch made in Berlin kaufen können, denn Arbel plant eine Werkstatt im Haus. Spätestens in einem Jahr sollen hier ebenfalls Glasbläser arbeiten. Parallel wird eine Porzellanwerkstatt aufgebaut. Bocci will künftig noch viel mehr ungewöhnliche Ideen umsetzen und dazu mit Künstlern und Manufakturen kooperieren.

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