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Waldböden speichern in einer Modellierung von US-Forscher:innen weniger CO2 als Böden in Graslandschaften.

© Arne Dedert/dpa

Zweifel an Aufforstungen: Mehr Bäume könnten CO2-Speicher in Böden gefährden

Sind mehr Bäume am Ende auch immer mehr gespeichertes CO2? Eine Studie stellt das infrage, weil auch die Böden eine Rolle spielen.

Viele Bäume gegen die Klimakrise wachsen lassen? Dieser Ansatz ist möglicherweise zweifelhaft, wie ein Forschungsteam um den US-amerikanischen Forscher César Terrer in einer neuen Studie im Fachmagazin „Nature“ zeigt.

Prinzipiell regt eine durch den Menschen verursachte höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre das Pflanzenwachstum an, denn Pflanzen und Bäume benötigen das Kohlendioxid für den Aufbau ihrer Zellen. Allerdings gefährdet ein solch beschleunigtes Pflanzenwachstum der Analyse zufolge einen weiteren CO2-Speicher: der in den Böden.

Wachsen nämlich viel mehr Pflanzen und Bäume durch erhöhte CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre, entweicht im Gegenzug in Böden gespeichertes CO2.

Als wahrscheinliche Ursache dafür vermuten die Forscher, dass Pflanzen beim Wachsen den Böden Nährstoffe entziehen. Das wiederum beschleunigt die Aktivität von Kleinstlebewesen in den Böden, was Kohlendioxid aus dem Untergrund in die Atmosphäre freigibt. Auf diese Weise gelangt klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre, das ohne zusätzliches Pflanzenwachstum im Untergrund gespeichert geblieben wäre.

Die Ergebnisse der Studie ziehen laut den Wissenschaftlern die weitverbreitete Annahme in Zweifel, nach der das in Böden gespeicherte CO2 erhalten bleibt, während die Masse an Pflanzen wächst.

Je mehr Pflanzenwachstum, desto weniger gespeichertes CO2 in Böden

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler:innen Daten aus 108 Experimenten analysiert und vor allem drei Faktoren beobachtet: das in Böden gespeicherte CO2, das Pflanzenwachstum und erhöhte CO2-Konzentrationen in der Luft.

„Es war viel schwieriger als angenommen, das Pflanzenwachstum und in Böden gespeichertes CO2 gleichzeitig zu steigern“, sagte Rob Jackson, ein Erdsystemforscher an der Universität Stanford und Studienautor.

Mehr Pflanzen und Bäume können das in Böden gespeicherte CO2 unter Umständen freisetzen, sagen US-Wissenschaftler:innen.
Mehr Pflanzen und Bäume können das in Böden gespeicherte CO2 unter Umständen freisetzen, sagen US-Wissenschaftler:innen.

© Paul Zinken/dpa

„Wenn Pflanzen die Biomasse vergrößern, sinkt in der Regel das in den Böden gespeicherte CO2“, fügte der Hauptautor César Terrer von der US-amerikanischen Forschungseinrichtung Lawrence Livermore National Lab hinzu. Laut den Forschern speicherten Böden in den von ihnen untersuchten Experimenten nur dann mehr CO2, wenn das Pflanzenwachstum höchstens geringfügig zunahm.

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Manche Umweltschutzorganisationen wie die deutsche „Plant-for-the-Planet“-Stiftung haben es sich zur Aufgabe gemacht, weltweit Millionen Bäume gegen die Klimakrise zu pflanzen. Ist das nun alles vergebens? „Wir sagen nicht, dass Baumpflanz-Initiativen in allen Fällen das in Böden gespeicherte CO2 verringern“, erklärt César Terrer auf Anfrage.

Dennoch könnte Terrer zufolge das gespeicherte CO2 in Waldböden entweichen, wenn oberirdisch mehr Pflanzen und Bäume wachsen.

Böden von Graslandschaften nehmen mehr CO2 auf als Waldböden

„Wir müssen die langfristigen Effekte von Aufforstung besser verstehen, bevor wir drastische Maßnahmen vornehmen wie Bäume in Savannen, Graslandschaften oder Tundren zu pflanzen.“

Diese Vorsicht sei umso gerechtfertigter, da die Analyse nach den Worten Terrers auch etwas anderes zeigt: „Ökosysteme wie Graslandschaften und Buschland haben ein viel höheres Potenzial als Wälder, Kohlenstoff in ihren Böden zu binden, wenn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt.“

Ein Junge nördlich der jordanischen Hauptstadt Amman macht bei einer Aufforstungsaktion mit.
Ein Junge nördlich der jordanischen Hauptstadt Amman macht bei einer Aufforstungsaktion mit.

© Khalil Mazraawi/AFP

In einem Szenario mit erhöhter CO2-Konzentration in der Atmosphäre nehmen Böden von Graslandschaften acht Prozent mehr CO2 auf, während Waldböden kaum weiteres CO2 aufnehmen.

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Die Berechnung der Forscher:innen bezieht also das gesteigerte Pflanzenwachstum durch erhöhte CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre mit ein: Wälder steigern ihre pflanzliche Biomasse in so einem Szenario um 23 Prozent, Graslandschaften um 9 Prozent.

Da Bäume nur einen kleinen Teil des in ihnen gespeicherten Kohlenstoffs in den Untergrund geben, nehmen Böden von Graslandschaften auch unterm Strich mehr CO2 auf, wie die Modellierung zeigt. Bisherige Klimamodellierungen könnten laut den Autor:innen der Studie daher Waldböden in ihrer Fähigkeit überschätzen, CO2 zu binden.

Böden speichern weltweit mehr Kohlenstoff als Pflanzen

„Wenn eine Pflanze stirbt, kann ein Teil des gespeicherten Kohlenstoffs in ihrer Biomasse wieder in die Atmosphäre gelangen. In Böden allerdings kann Kohlenstoff über Jahrhunderte oder Jahrtausende gespeichert werden“, erklärt Terrer. Aus diesem Grund seien auch grasige Ökosysteme mit wenigen Bäumen wichtig als CO2-Senke.

Der Erdsystemforscher Rob Jackson sagte: „Böden speichern weltweit mehr Kohlenstoff als in der gesamten pflanzlichen Biomasse.“ Deshalb bräuchten sie auch viel mehr Aufmerksamkeit, wenn es um das künftige Schicksal von Wäldern und Graslandschaften in einer sich wandelnden Atmosphäre geht.

Aufforstungsprojekte dürfen nicht das Ende von natürlichen Graslandschaften bedeuten, die viel Artenvielfalt und viel gespeichertes CO2 mit sich bringen – das mahnte bereits ein Forschungsteam um den Ökologen Jean-François Bastin an der ETH Zürich an. Dennoch könnte Wiederaufforstung von vormals gerodeten Wäldern eine der „wichtigsten Strategien beim Klimaschutz“ sein, stellten die Wissenschaftler damals in ihrer Studie fest.

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