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Pioniertat vor 50 Jahren: Der US-Astronaut Buzz Aldrin auf dem Mond.

© Neil Armstrong/Apollo 11/Nasa/dpa

Zukunft der Raumfahrt: „Wir werden vor 2040 keinen Deutschen auf dem Mond haben“

Der Physiker Dittus fordert mehr Geld für ein europäisches Mondprogramm und erklärt, warum Roboter den Menschen im All nicht ersetzen können. Ein Interview.

Hansjörg Dittus (61) ist Geophysiker und Vorstand für Raumfahrtforschung und -technologie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Die Nasa will bis 2024 wieder Menschen auf den Mond bringen und rechnet mit Kosten von 20 bis 30 Milliarden Dollar. Roboter können das doch billiger machen, warum sollte man Menschen da hinschicken?

Die Zahlen sind die Untergrenze, das wird sehr viel teurer. Trotzdem ist es sinnvoll, Menschen auf den Mond zu bringen, denn sie sind Robotern weit überlegen. Wenn automatische Systeme heute auf dem Mond fahren, dann mit Geschwindigkeiten von einigen Metern pro Tag. Ein Fußgänger ist deutlich schneller, um den Faktor 10.000. Daran lässt sich ermessen, welchen Nachteil ein Roboter gegenüber Menschen hat. Nimmt man noch die kognitiven Fähigkeiten hinzu, dann sind Astronauten besser geeignet als Roboter. Und wenn man dann wieder aufs Geld schaut, kommt man auf ähnliche Größenordnungen. Auch robotische Missionen zum Mond kosten weit über eine Milliarde Euro, da kann man doch gleich überlegen, ob man nicht lieber einen Menschen hinbringt.

Ist es nicht sinnvoll, die Fähigkeiten von Mensch und Maschine zu kombinieren?

Das muss man ohnehin tun, da sind wir uns alle einig. Roboter können nur die menschliche Arbeit ergänzen und zum Beispiel Routineaufgaben übernehmen.

Können Roboter auch zur Erkundung beitragen?

Das ist das Ziel, nicht nur auf dem Mond. Wir arbeiten mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung zusammen, die das Gleiche wollen: Exploration unter extremen Umweltbedingungen. Wenn Sie ein Areal von 100 mal 100 Kilometern haben, dann können Sie das nicht zu Fuß ablaufen. Da wäre ein Roboter ideal, der es selbstständig erkundet, interessante Orte erkennt, Bilder macht und Proben nimmt und der nach sechs Wochen wieder zurückkommt. Das Gleiche hätten wir auch gern für den Mond.

Dafür ist vor allem Künstliche Intelligenz nötig. Ist diese schon soweit?

Wir hätten liebend gern viel mehr KI, aber das wird noch einige Zeit dauern. Dass wir heute Roboter haben, die den Go- oder Schach-Großmeister schlagen, bedeutet nicht, dass sie in der Lage sind, zu denken, sich auf unbekanntem Terrain zu bewegen und zudem noch Entscheidungen zu treffen, die Menschen in Sekundenschnelle fällen. Das fängt bereits mit dem Fahren an. Die Nasa-Astronauten haben bei Apollo-17 mit dem Mondmobil in drei Tagen über 30 Kilometer zurückgelegt. Autonom wäre das unmöglich, bis heute. Die Roboter etwa auf dem Mars werden noch von Hand kontrolliert. Bei der Künstlichen Intelligenz sind wir weit von den Leistungen entfernt, die wir benötigen.

Damit meinen Sie aber nicht nur das Fahren in fremder Umgebung.

Da ist so viel mehr. Würden wir heute einen autonomen Roboter auf den Mond schicken, er wäre völlig überfordert. Ein anderer Himmelskörper ist eine ganz andere Umgebung. Wir wissen nur zu einem Bruchteil, was uns dort erwartet, wenn überhaupt. Nehmen wir den Kometen Tschurjumow-Gerassimenko, auf dem wir 2014 mit einer Sonde gelandet sind. Wir haben dort weiches Material erwartet, aber die Oberfläche war bretthart. Wir brauchen Geräte, die auf jede Eventualität vorbereitet sind. Um sie zu entwickeln, ist viel menschliche Intelligenz vonnöten. Und am besten geht das, wenn man schon einmal selber dort war. Das haben mir übrigens auch die Polarforscher gesagt: Ihr müsst selbst dort sein, mindestens 20 Jahre, dann wisst ihr, wie die Roboter aussehen müssen.

Hansjörg Dittus.
Hansjörg Dittus.

© DLR

Wenn Sie träumen dürfen und 20 Jahre in die Zukunft schauen, wie könnte das Leben an einer Mondstation aussehen?

Wie viel Geld geben Sie mir dafür?

Sagen wir, das Nasa-Budget, umgerechnet rund 20 Milliarden Euro im Jahr.

Dann werden wir in 20 Jahren eine Station haben, in der sich Menschen permanent aufhalten, wobei sie einen Großteil ihrer Zeit aufwenden werden, um die Station auszubauen und zu warten. Aber wir werden nur an einem Ort auf dem Mond sein, den Umkreis von 20 oder 50 Kilometern erkunden. Wir können aber noch lange nicht behaupten, dass wir den Mond kennen. Unsere Idee ist daher, in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten Roboter zu entwickeln, die Strecken von bis 1000 Kilometern fahren können und dann selbstständig erkunden.

Das kostet dann aber noch mal extra.

Sie hatten doch gesagt, ich darf ein bisschen träumen. Im Ernst: Allein mit dem Nasa-Budget ist das nicht zu schaffen. Man müsste drei-, viermal im Jahr zu der Mondstation fliegen, und jeder einzelne Flug kostet schon drei bis vier Milliarden Dollar. Wir bräuchten für ein solides Mondprogramm fünfmal mehr Geld, als wir derzeit haben.

Muss Europa und damit auch Deutschland mehr Geld ausgeben, um bei Mondmissionen sichtbar dabei zu sein?

Wenn sich Deutschland nennenswert beteiligen will, dann brauchen wir deutlich mehr Geld. Deutschland zahlt in das Explorationsprogramm der Esa etwa 150 Millionen Euro pro Jahr, in den Bereich bemannte Raumfahrt – das ist die Raumstation – etwa 130 Millionen. Sagen wir in Summe gut gerundet etwa 300 Millionen pro Jahr, das ist die Hälfte der gesamten Esa-Aufwendungen für diese beiden Bereiche. Gehen wir zurück zur Hochzeit des Apolloprogramms, da hat jede Mission umgerechnet auf heutige Verhältnisse rund drei Milliarden gekostet. Und wir meinen, mit 600 Millionen pro Jahr aus ganz Europa sei das erledigt? Ich finde, eine aufgeklärte Industriegesellschaft wie die europäische kann es sich leisten, drei Milliarden Euro im Jahr für ein Mondprogramm auszugeben.

Welche Kompetenz kann Deutschland einbringen, abgesehen vom Servicemodul des „Orion“-Raumschiffs, wenn es zu einer Budgetsteigerung kommt?

In der Robotik sind wir weltweit führend. Das wäre ein Thema, bei dem wir mit links einsteigen könnten. Auch in der bemannten Raumfahrt haben wir viel Kompetenz aufgebaut, insbesondere durch unser Engagement auf der Raumstation.

Höhere Beiträge erhöhen die Chance, dass ein Mann oder eine Frau aus Deutschland den Mond betritt. Wann ist es soweit?

Das kann ich nicht sagen. Deutschland trägt derzeit vier Prozent der Kosten der Internationalen Raumstation. Überträgt man das Verhältnis aufs Mondprogramm, wird man nicht der Erste auf dem Mond sein, sondern vielleicht der Zwanzigste. Wenn sich nicht grundlegend etwas ändert, werden wir nicht vor 2040 einen Deutschen auf dem Mond haben. Wir haben eine ausgezeichnete Basis, industriell und technologisch. Das könnten wir gut einbringen, aber es muss auch bezahlt werden. Dafür brauchen wir eine politische Entscheidung.

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