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Hohes Schlafbedürfnis. Bleibt es abends länger hell, kommen Schülerinnen und Schüler später zur Ruhe, sagt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL).

© picture alliance / dpa

Zeitumstellung: "Die dauerhafte Sommerzeit wäre für Schüler besonders belastend"

Sechs Wochen länger im Dunkeln zur Schule: Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, über Pläne zum Ende der Normalzeit.

Herr Meidinger, das EU-Parlament hat sich für das Ende der Zeitumstellung ab 2021 ausgesprochen. Jetzt sollen sich die Mitgliedsstaaten auf eine einheitliche Linie verständigen. Es ist denkbar, dass in Deutschland dann bald nur noch die Sommerzeit gilt. Was wären die Folgen für die Schule?

Für die Sommerzeit wird die Uhr eine Stunde nach vorne gestellt. Das ist eine dauerhafte Abweichung von der Norm, die sich massiv auf den Schlaf- und Biorhythmus auswirkt. Für Kinder und Jugendliche wird das besonders belastend, weil sie noch ein größeres Schlafbedürfnis haben. Die länger andauernde Dunkelheit am Morgen wird zudem dazu führen, dass sie Schwierigkeiten haben, wach zu werden. Abends kommen sie wegen der langen Helligkeit später zur Ruhe. Leistungs- und Konzentrationsstörungen werden zunehmen, Schlafstörungen, Stoffwechselstörungen und Depressionen auch, wie etwa der Münchener Schlafforscher Tilmann Roenneberg verdeutlicht hat. Richtig wäre es, dauerhaft auf Normalzeit umzustellen.

Schon jetzt gilt der übliche Schulanfang um acht Uhr als zu früh.

Ja, viele Schüler müssen an meiner Schule schon um sechs Uhr aufstehen, um den Schulbus um halb sieben zu erreichen. Manche haben da noch nicht mal gefrühstückt. Stellt man jetzt auch noch auf die Sommerzeit um, würden die Schüler mehr als sechs Wochen länger im Dunkeln zur Schule gehen als in der Normalzeit. An den kürzesten Tagen im Winter hätten sie ihre erste große Pause – üblicherweise um 9.30 Uhr –, wenn die Sonne gerade aufgeht. Studien zeigen auch, dass die Dunkelheit am Morgen schon jetzt zu mehr Verkehrsunfällen führt. Das Risiko darin verwickelt zu werden, ist für Kinder besonders groß. Die Sommerzeit würde das Unfallrisiko noch erhöhen.

In Deutschland haben Umfragen aber große Sympathien für eine dauerhafte Sommerzeit gezeigt.

Ja, die Leute stellen sich vor, dass sie dann länger im Biergarten sitzen können. Auch führt die Fragestellung nach der „Sommerzeit“ manche wohl in die Irre. Hätte man gefragt: „Wollen Sie im Winter gerne eine Stunde früher aufstehen?“, wäre allen wohl klar, worum es wirklich geht. Selbst wenn manche gerne im Sommer noch lange bei Tageslicht draußen sein wollen: Die Fürsorgepflicht gegenüber Kindern und Jugendlichen, die einen gesunden Tagesablauf brauchen, muss doch schwerer wiegen als die Freude eines Biergartenbesuchs um 21.30 Uhr im Hellen. Mich hat darum geärgert, dass ausgerechnet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sich für die dauerhafte Sommerzeit ausgesprochen hat.

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL).
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL).

© Gregor Fischer/dpa

Sollte es tatsächlich dazu kommen, könnte der Schulbeginn von acht auf neun Uhr verlegt werden, wird etwa von Grünen-Politikern vorgeschlagen.

Das ist illusorisch. Die Schule beginnt ja weitgehend im Gleichklang mit dem vielfach üblichen Berufsbeginn. Fängt der Unterricht später an, verlagert er sich außerdem an allen Schulen soweit in den Nachmittag, dass eine Mittagspause in der Schule zwingend wäre. Sehr viele Schulen haben aber noch immer keine Mensa.

Jede Schule kann ja selbst entscheiden, wann sie anfängt, das ist schon jetzt möglich.

In gewissen Grenzen ja, aber das löst das Problem nicht, weil viele Familien Kinder an unterschiedlichen Schulen haben. Es würde für sie schwieriger, das Familienleben zu organisieren.

Wie stehen die Chancen, die dauerhafte Sommerzeit zu verhindern?

Ich glaube, die Chancen das noch zu verhindern, sind sehr gut, zumindest in Deutschland. Je intensiver sich die Menschen mit dem Thema beschäftigen, desto klarer werden die Nachteile sichtbar. Womöglich geht die ganze Debatte in der EU aber auch aus wie das Hornberger Schießen und am Ende bleibt alles so, wie es jetzt ist.

Das Interview führte Anja Kühne. – Heinz-Peter Meidinger leitet ein Gymnasium in Deggendorf (Bayern) und ist Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL), der Dachorganisation von 165.000 Lehrkräften, die in verschiedenen Bundesverbänden organisiert sind.

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