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Eine Studentin jobbt im Café, hier schäumt sie Milch auf.

© imago/Reporters

Wiarda will’s wissen: Unis, wagt endlich mehr Teilzeit!

Abseits der Norm und mittendrin: Hochschulen müssen mehr Studiengänge in Teilzeit ermöglichen - für jobbende Studierende jeden Alters, fordert unser Kolumnist.

Noch nie haben so viele Menschen in Teilzeit studiert wie heute. Doch wenn man sich den Prozentwert anschaut, der für den Rekord genügt, mag man es kaum glauben: 7,7 Prozent. Das entspricht 223.000 Studierenden.

So berichtet es das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), ein von Bertelsmann-Stiftung und Hochschulrektorenkonferenz getragener Think Tank, mit Verweis auf den HRK-Hochschulkompass und das Statistische Bundesamt. Erhebungszeitraum war das Wintersemester 2019/20. (Einen CHE-Bericht zum Thema vom Vorjahr finden Sie hier.)

Seit Jahren beschwören Hochschulexperten und Rektoren das Ideal eines für unterschiedliche Lebensentwürfe und Lebensphasen flexiblen Studiums. Sie verkünden das Ende des Norm-Studenten als Orientierungspunkt hochschulischer Planung – und dann studieren 92,3 Prozent in klassischen Vollzeitstudiengängen?

Nun könnte man sagen: Vielleicht war ja das ganze Gerede Humbug. Die meisten wollen und können eben auch heute noch klassisch studieren: vormittags in den Hörsaal, dann in die Mensa, nachmittags vielleicht ein Seminar oder die Studiengruppe, noch ein bisschen in die Bibliothek oder zu Hause pauken.

Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

© Privat

Nur ist die Realität der Studierenden eine andere, und zwar schon lange: Die übergroße Mehrheit muss für ihren Lebensunterhalt jobben, manche haben Kinder zu versorgen oder Eltern zu pflegen. Und die Realität der Studierenden könnte nochmal eine ganz andere sein, wenn offizielle Teilzeit-Angebote selbstverständlicher wären.

Start Up gründen und weiterstudieren - fast unmöglich

Solange sie es nicht sind, werden nämlich ältere Berufstätige gar nicht erst den Weg zurück an die Hochschulen finden. Wer schon als junger Mensch eine Firma gründen will, kann das parallele Weiterstudieren auch meist vergessen.

[Lesen Sie auch unseren Bericht über das neue Berliner Hochschulgesetz, das Studierenden einen Rechtsanspruch auf Teilzeitstudiengänge geben will]

Warum aber tut sich so wenig? Die Antwort ist vor allem für die staatlichen Hochschulen wenig schmeichelhaft: Die meisten machen kaum Teilzeit-Angebote, weil sie ihre Studiengänge auch so vollbekommen. Zumindest solange die Abiturienten-Jahrgänge groß genug bleiben und die meisten Abiturienten studieren wollen.

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Und so sind es die privaten Hochschulen, die Anlaufpunkte jener werden, die abseits der Norm studieren wollen. Folgende Zahlen in der CHE-Auswertung belegen das besonders drastisch: Nur zehn Prozent der deutschen Studierenden sind an privaten Hochschulen immatrikuliert, aber die Hälfte aller Teilzeitstudierenden. Von denen, die an staatlichen Hochschulen in Teilzeit studieren, tut das wiederum fast die Hälfte an einer einzigen Hochschule: der Fern-Universität in Hagen.

Klar, es wird hunderttausende Studierende geben, die versuchen, sich in Vollzeit-Studiengängen irgendwie ihr persönliches Teilzeit-Modell zurechtzuzimmern. Mit allen Problemen und Nachteilen, die das im Alltag bedeuten dürfte. So dass das CHE Recht hat, wenn es kommentiert: Wer in Deutschland berufsbegleitend studieren oder sein Studium aus persönlich-familiären Gründen reduzieren will, müsse Glück oder Geld haben. Glück, an einer der wenigen staatlichen Hochschulen mit großzügigen Teilzeit-Regeln zu studieren. Oder Geld, weil das Studium an einer Privathochschule kostet.

Vor allem aber müssen sich staatlich finanzierte Hochschulen fragen lassen, inwiefern sie ihren gesellschaftlichen Bildungsauftrag erfüllen – wenn inzwischen viele private Hochschulen trotz Studiengebühren eine sozial diversere Studierendenschaft haben.

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