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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will’s wissen: Starke Unis nur mit Mitbestimmung

Eine starke Hochschulleitung funktioniert nur, wenn sie auch von denen akzeptiert wird, die geleitet werden, sagt unser Kolumnist.

Eines möchte ich vorab versichern. Ich bin keiner, der sich Universitäten zurückwünscht, wie sie in den 70er und 80er Jahren organisiert gewesen sein sollen. Teilweise unregierbar, gefangen in der Selbstblockade zwischen den Statusgruppen, schwachen Rektoren und Dekanen, die keine Lust zum Führen hatten. Keine Ahnung, ob und wann Hochschulen wirklich so eine miese Governance hatten, aber das ist das Bild, das viele heute von ihnen zeichnen.

Zum Beispiel mein Mitkolumnist George Turner. Vergangene Woche befand er: „Mitbestimmung lenkt nur ab.“ Dass Berlin eine Arbeitsgruppe „Demokratische Hochschule“ eingerichtet habe, zeige, „wie weit man sich von der Kernfrage entfernt“. Die da laute: „Wie Einrichtungen zu organisieren sind, deren Aufgabe Forschung und Lehre ist.“

Wenn Macht nur eine auf dem Papier ist

Nun hat George Turner eindeutig den Erfahrungsvorteil. Ich kann dem vor allem meinen womöglich naiven Glauben entgegensetzen, dass nur eine Hochschule, die mit sich und allen ihren Mitgliedern im Reinen ist, eine starke, eine handlungsfähige Hochschule sein kann.

Eines weiß ich allerdings genau: In den vergangenen 20 Jahren war das vielerorts nicht der Fall. Die Macht der Rektoren und Präsidenten mag gestärkt worden sein, doch es ist eine Macht auf dem Papier, solange sie nicht Akzeptanz bei denjenigen findet, die geführt werden sollen. An einigen Hochschulen gelangten Persönlichkeiten an die Spitze, die trotz ihrer Machtfülle (oder weil sie sie geschickt ausgenutzt haben) diese Akzeptanz gefunden haben. An anderen Hochschulen entstanden neue Formen des Gegeneinander-Arbeitens und der Verweigerung.

Was ich damit sagen will: Die Frage, wie Hochschulen idealerweise organisiert sein sollten, um ihre Kernaufgaben möglichst effektiv erledigen zu können, ist eben genau nicht zu trennen von der Frage der Mitbestimmung. Auch der Wissenschaftsrat, dessen neulich veröffentlichte „Empfehlungen zur Hochschulgovernance“ Turner zitiert, positioniert sich ganz bewusst nicht für oder gegen ein bestimmtes Governance-Modell. Seine plakative Zustandsbeschreibung lautet schlicht: „Es knirscht an vielen Stellen.“

Ja, es knirscht

Ja, es knirscht, weil alle Reformen es bislang nur in Ansätzen und ganz sicher nicht flächendeckend vermocht haben, die notwendige Stärkung der Hochschulleitungen mit dem besonderen Wesen und dem Selbstverständnis akademischer Institutionen zu versöhnen. Das gelang, siehe oben, nur einigen besonderen Führungspersönlichkeiten. Systematik geht anders.

Gegen eine Arbeitsgruppe „Demokratische Hochschule“ ist also nichts zu sagen. Solange sie den Blick nach vorn richtet und nicht nach hinten. Solange sie nicht nur der alten Gruppenuniversität neues Leben einhaucht, sondern fragt: Wie kann moderne Mitbestimmung im 21. Jahrhundert aussehen? Und welches Modell passt zu welcher Hochschule? Nur wenn diese Fragen angemessen beantwortet werden, können die starken Hochschulleitungen, die Turner zu Recht fordert, wirklich stark sein.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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