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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will's wissen: Reform des Medizin-NC - leider verpatzt

Die Reform des Medizin-NC ist weitgehend misslungen, meint unser Kolumnist. Der Kardinalfehler aber bleibt, dass es zu wenig Medizin-Studienplätze gibt.

Die Wissenschaftsminister haben es geschafft, mit einer einzigen Entscheidung drei Fehler zu machen. Vor genau einem Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht ihnen aufgetragen, die Studienplatzvergabe im Fach Medizin neu zu regeln. Das haben sie getan: Vor zehn Tagen hat die Kultusministerkonferenz (KMK) die Reform beschlossen, die für die medizinischen Studiengänge und für die Pharmazie gelten und Anfang 2020 in Kraft treten soll. Ein Detail sticht dabei heraus. Künftig sollen im sogenannten Hauptverfahren statt 20 satte 30 Prozent der Studienplätze allein über die Abiturnote vergeben werden. Der inoffizielle Grund: Zumindest alle 1,0-Abiturienten sollen zum Zug kommen können.

Fehler Nummer eins: Während die Aussagekraft des Abischnitts angesichts der anhaltenden Noteninflation abnimmt, wertet die KMK seine Bedeutung sogar noch auf – wohl vor allem, weil sie sich dem Druck der Gymnasiallobby beugt. Absehbar ist, dass in Kürze auch die 30 Prozent nicht mehr für alle 1,0er reichen werden. Und dann?

Wo bleibt das Ziel, mehr Berufserfahrene zuzulassen?

Daraus folgt Fehler Nummer zwei: Weil 60 Prozent der Studienplätze – Stichwort Hochschulautonomie – weiter durch die Unis vergeben werden sollen, bleiben für die neue „zusätzliche Eignungsquote“ nur zehn Prozent. Die Eignungsquote ist die einzige im Hauptverfahren, in die Studenten komplett unabhängig von ihrer Abiturnote oder – das ist großartig – sogar ohne Abitur hineinrutschen können. Aber lautete nicht eines der erklärten Ziele vor der Reform, deutlich mehr Leute fürs Medizinstudium zuzulassen, die durch inhaltlich verwandte Berufsausbildungen, durch berufliche Vorerfahrung oder durch ihr soziales Engagement überzeugen können?

Der dritte Fehler ergibt sich dadurch, dass die Wissenschaftsminister dann auch noch versucht haben, in diese zehn Prozent eine Lösung für die sogenannten Altwartenden hineinzupressen. Das sind diejenigen Bewerber, die wegen ihrer nicht ganz so exzellenten Abinote (wir reden in vielen Fällen immer noch von 2,0 oder besser) seit zehn, zwölf und mehr Semestern auf einen Studienplatz gewartet haben. Für sie war bislang die Wartezeitquote gedacht, die 20 Prozent der Studienplätze umfasste und jetzt – zu Recht – gestrichen wurde. Weil sie zu absurd langen Verzögerungen im Leben tausender junger Menschen geführt hat.

Für zwei Jahre sollen die Betroffenen jetzt einen Bonus abhängig von ihren Wartesemestern bekommen – was kaum mehr als ein Symbolakt ist und einer zu geringen Zahl junger Leuten helfen wird. Aus der langen Wartezeit mag juristisch kein Anspruch folgen, aber hätte man sich hier nicht großzügiger zeigen müssen?

Positives wie die Aufwertung zentraler Eingangstests geht unter

All das garantiert keinen guten Start für die Neuregelung und sicher keine höhere Akzeptanz. Daran ändert wenig, dass die KMK auf Druck Thüringens ein paar Öffnungsklauseln vorgesehen hat. Zudem verblassen hinter dieser Fehlentscheidung viele positive Aspekte der NC-Reform – seien es die Aufwertung zentraler Studieneignungstests oder anderer notenunabhängiger Auswahlkriterien, die die Bewerberauswahl objektiver machen sollen. Diese Aspekte könnten sogar die Richtung für eine neue Logik der Studienplatzvergabe auch in anderen Fächern weisen.

Die Folgen der Neuregelung wären übrigens weniger gravierend, wenn die Länderfinanzminister endlich ihrer eigentlichen Verantwortung nachkommen würden: mehr Medizin-Studienplätze zu bezahlen. Das Kernproblem ist nicht die Verwaltung des Mangels, sondern der Mangel selbst.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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