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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will’s wissen: Leistungsstarke besser fördern

Die Bund-Länder-Initiative, mehr Leistung in der Schule zu fördern, ist ein Aufbruch: Weil es nicht um Elitenförderung geht, sondern im Breitenförderung im besten Sinne, meint unser Kolumnist.

Mit Behauptungen, etwas sei noch nie da gewesen, sollte man vorsichtig sein. Irgendwer protestiert sonst garantiert: Kalter Kaffee, gab es schon. Doch im Falle der Bund-Länder-Initiative, die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka und ihre Kollegin Stefanie Hubig aus Rheinland-Pfalz am Dienstag vorstellen, könnte der Superlativ tatsächlich passen. In der Presseeinladung von Kultusministerkonferenz und BMBF steht etwas unrund, Ziel von „Leistung macht Schule!“ (man beachte das Ausrufezeichen) sei es, „die schulischen Entwicklungsmöglichkeiten von begabten Schülern im Regelunterricht zu verbessern“.

Machen wir es konkreter: In den nächsten fünf Jahren werden 300 Schulen bundesweit ausprobieren, mit welchen Methoden sich das Potenzial besonders schlauer Schüler besonders gut entdecken und fördern lässt. Und zwar nicht, indem man einige von ihnen in Spezialschulen steckt. Sondern indem sie in ihrer normalen Umgebung bleiben. Begleitet werden die Lehrerkollegien von einem Verbund von 28 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die beobachten, beraten, auswerten. Mit dem Ziel, dass in den zweiten fünf Jahren die Erkenntnisse von den Pilotschulen auf die über 30 000 Schulen in Deutschland überspringen können.

Spätestens jetzt dürften doch die Einwände kommen: Startete nicht vor zwanzig Jahren SINUS, das Modellprogramm zur „Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Unterrichts“, an rund hundert Pilotschulen im ganzen Land, begleitet von Wissenschaftlern, gefolgt von SINUS-Transfer, das die erfolgreichsten Ansätze „flächendeckend“ ausbreiten sollte? Richtig, nur dass, wie der Bildungsforscher Eckhard Klieme beklagt, SINUS Opfer der Föderalismusreform 2006 wurde.

Das Projekt schaut nicht allein auf den Unterricht

Jetzt machen sich Bund, Länder, Schulen und Wissenschaft an ein Projekt, das noch ehrgeiziger ausfällt: über die MINT-Fächer hinaus, Deutsch und Englisch sind ebenfalls von Anfang an dabei – und im Gegensatz zum SINUS-Start alle Schulformen und Altersstufen. „Leistung macht Schule!“ schaut nicht allein auf den Unterricht, sondern auf die Strategie der Schulen insgesamt, auf ihr „Leitbild“ und ihre Vernetzung untereinander, und nimmt zusätzlich außerschulische Angebote in den Blick.

So wird die 125-Millionen-Euro-Initiative zum Aufbruchsignal. Dafür, dass Bund und Länder sich vom Geist von 2006 verabschiedet haben und sich, unabhängig von dem, was in der Verfassung steht oder stehen wird, wieder gemeinsam – und evidenzbasiert! – in der Schulentwicklung engagieren wollen. Vor allem aber dafür, dass der ideologische Streit über die Begabtenförderung der Vergangenheit angehört. Weil die Förderung von – in Wissenschaftlersprache – „leistungsstarken und potenziell leistungsfähigen“ Schülern nicht anderes bedeutet, als dass allen Besonderes zugetraut wird. Und die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Es geht um den differenzierten Blick auf jedes Kind und um differenzierte Antworten auf die unterschiedlichen Potenziale, die da sind. Eliteförderung? Nein. Das ist Breitenförderung im besten Sinne.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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