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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will’s wissen: Jetzt ist mal gut mit dem digitalen Förderhype

Mit viel Geld will die Politik das Digital-Entwicklungsland Deutschland nach vorn katapultieren. Doch das ist oft Schaufensterpolitik, meint unser Kolumnist.

Es ist ja gut, dass die Politik aufgewacht ist. Aber wie. In den vergangenen zwei Jahren hat die Bundesregierung folgende Forschungsinstitute und -verbünde angeschoben oder angekündigt: Das Deutsche Internet-Institut. Bundesweit vier Kompetenzzentren für maschinelles Lernen. Ein öffentlich verantwortetes Zentrum für künstliche Intelligenz zusammen mit Frankreich. Ein Zentrum für digitale Innovationen in der Systemforschung mit Polen. Eine Agentur für Cybersicherheit. Und, ganz frisch, ein neues Helmholtz-Zentrum – für Informationssicherheit. Ich behaupte nicht, dass diese Liste vollständig ist. Zumal viele Bundesländer parallel eigene Initiativen vorantreiben. Ich behaupte aber, dass es dann irgendwann auch mal gut ist.

Mit aller Macht wollen die Forschungspolitiker aller Parteien demonstrieren, dass sie endlich kapiert haben, woraus Zukunft gemacht wird. Mit viel Geld wollen sie das Digital-Entwicklungsland Deutschland nach vorn katapultieren. Es gibt dabei allerdings zwei Probleme.

Was fehlt, sind konsequente Investitionen in digitale Infrastrukturen

Erstens stand die Bundesrepublik in Sachen Highend-Forschung zu KI und Digitalisierung schon bislang ziemlich gut da im internationalen Vergleich. Was fehlte, waren konsequente Investitionen in den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Was fehlte, war ein Schulsystem, das endlich die digitale Bildung vorantreibt, das die Gesellschaft vorbereitet auf die tiefgreifenden Veränderungen. Was fehlte, waren Konzerne, die den Mut haben, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken.

Zweitens folgt der Förderhype einer politischen, keiner forschungsimmanenten Logik. Es soll möglichst schnell möglichst viel entstehen. Ob dadurch Doppelstrukturen wachsen, ob die Mitnahmeeffekte größer sind als die Innovationswirkung, ist offen. Die Politik spricht wolkig von der „Vernetzung“ der neuen mit den bestehenden Instituten und mit der Wirtschaft, vom Aufbau nationaler Forschungskonsortien und Plattformen.

Klar: Man darf darauf hoffen, dass das ziemlich beeindruckende Aufgebot einschlägiger Forschungseinrichtungen mittelfristig einen Run von Spitzenforschern aus dem Ausland nach sich zieht. Doch reichen die im öffentlichen Dienst gezahlten Gehälter dazu? Spielen Berlin, Karlsruhe oder das Saarland da wirklich schon in einer Liga mit dem Silicon Valley oder Israels Hightech-Szene?

Absurder Wettbewerb um geeignete Wissenschaftler

Solange sie es nicht tun, entsteht ein teilweise absurder Wettbewerb um die nicht gleichermaßen über Nacht gewachsene Zahl geeigneter Wissenschaftler. Jede neue Einrichtung braucht ein paar wohlklingende Namen auf ihrer Liste, schon um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie das Geld wert ist, und so kommt es, dass einige von denen, die besonders gut im Geschäft sind, gleich bei drei oder vier der neuen Projekte gleichzeitig unter Vertrag genommen werden. Man könnte auch sagen: verschlissen werden. Ob all das zur Effizienz beiträgt oder doch eher zur Schaufensterpolitik, ist eigentlich nicht mal mehr eine rhetorische Frage.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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