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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will's wissen: Die Unis müssen die Lehre aufwerten

Keine Akkreditierung mehr ohne Lehrverfassung: Darüber reden die Bundesländer. Beschließen sie es, könnte das große Wirkung entfalten, meint unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda

Vielleicht ist diese Kolumne ein Fehler. Womöglich stoße ich einige Wissenschaftsminister erst auf das U-Boot, das ihnen ihre Beamten untergejubelt haben. Andererseits wäre es sehr seltsam, wenn plötzlich in der nächsten Version des Kleingedruckten die „Lehrverfassung“ nicht mehr auftauchen würde.
Der Reihe nach. Seit anderthalb Jahren verhandeln die Bundesländer über die Reform eines Systems, dessen Name so abschreckend klingt, wie es laut seiner Kritiker überflüssig ist: die Akkreditierung. Kurz gesagt überprüfen Experten von außen die Qualität von Studiengängen, um sie, logisch, besser zu machen.
Wen die Details nicht interessieren, kein Problem. Wichtig ist nur, dass das Verfassungsgericht den Ländern gesagt hat: So dürft ihr das nicht machen. Dabei ging es gar nicht um die Begutachtungen und deren (Un-)Sinn als solche, sondern um ihre „grundgesetzkonforme“ Organisation zwischen privaten Agenturen und staatlichem Akkreditierungsrat.

Trockener Satz, große Wirkung

Ein Thema für juristische Feinschmecker, könnte man denken, erst recht wenn ich noch den Begriff „Musterrechtsverordnung“ einwerfe. Auf einen neuen Staatsvertrag haben sich die Länder inzwischen geeinigt, jetzt wollen sie in der Verordnung die Details regeln. Da steht nun in Paragraph 17: „Die Hochschule verfügt über eine Lehrverfassung, die sich in ihren Studiengängen widerspiegelt.“
Trockener Satz, große Wirkung. Keine Akkreditierung mehr ohne Lehrverfassung, genauer: keine Systemakkreditierung, auf die zumindest die größeren Hochschulen spitzen, weil sie sich damit die externe Akkreditierung von Studiengängen sparen können.
Und nein, so eine Lehrverfassung wäre kein Papiertiger, sie könnte, wie der Name sagt, nicht von oben durchgedrückt werden. Die Rektorate wären gezwungen, eine hochschulweite Debatte anzustoßen. Fertig wäre die Verfassung erst, wenn Professoren, Mitarbeiter und Studenten ihre Inhalte gemeinsam ausgehandelt haben.

Ein Gesellschaftsvertrag einer Hochschule

Die Hochschulen müssten endlich verbindlich festlegen, mit welchen Maßnahmen sie die Lehre im Verhältnis zur Forschung aufwerten wollen, runtergebrochen auf jeden Studiengang. Eine Hochschule könnte beschließen, dass alle Studierenden ein Semester im Ausland verbringen. Die Professoren müssten sich verpflichten, die Voraussetzungen zu schaffen; die Studenten, dann auch zu gehen. Unis könnten nicht mehr nur behaupten, Jungwissenschaftler, die sich in der Lehre engagieren, genauso zu fördern wie erfolgreiche Forscher. Sie müssten zeigen, wie. Die Lehrverfassung wäre der Gesellschaftsvertrag einer Hochschule. Wer das für illusorisch hält, erkennt nicht den tiefen Pragmatismus, der in der Idee steckt.
Sie stammt vom Wissenschaftsrat, und als er sie zuletzt im Mai veröffentlichte, reagierten viele Minister, nun ja, zurückhaltend. Das wollen wir mal sehen, sagten sie. Doch – zack – haben ihre Beamten sie ihnen in die Verordnung geschrieben, und da steht sie nach Durchsicht durch die Staatssekretäre immer noch. Wünschen wir dem U-Boot weiter sichere Fahrt.
Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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