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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will’s wissen: Die digitale Agenda ist gesetzt

Die Schulen hinken in Sachen IT der digitalen Gegenwart meilenweit hinterher. Der Bund hat das Geld und Jamaika bräuchte ein Bildungsprojekt: Es dürfte keine Frage sein, dass der Digitalpakt für Schulen kommt, sagt unser Kolumnist.

In Berlin laufen die Jamaika-Sondierungsgespräche, zu den beliebtesten und zugleich schwammigsten Schlagwörtern zählen dabei „Digitalisierung“ und „Bildung“. Deutschland solle künftig zu den „Spitzenländern bei den Bildungsinvestitionen“ aufschließen, haben Union, Grüne und FDP verkündet. Und allen Bürgern die digitale Teilhabe und die Nutzung der damit verbundenen „großen Chancen“ versprochen.

Wohlklingende Ziele, auf die man sich im Gegensatz zu anderen Themenfeldern wie Migration oder Klima schnell einigen konnte. Das Problem, das die potenziellen Koalitionäre jetzt lösen müssen: Was heißen ihre Bekenntnisse, abgesehen davon, dass sie viel kosten würden, eigentlich konkret?

Dass es deutlich mehr echte (also gebundene) Ganztagsschulen geben soll und der Bund den Ländern dabei helfen wird, scheint bereits ausgemacht. Aber für den demonstrativ-programmatischen Schul-Kraftakt wäre das zu wenig.

Die Bertelsmann-Stiftung betreibt Agenda-Setting

So ist es erneut die Bertelsmann-Stiftung, die in fast schon traumwandlerischer Sicherheit Agenda-Setting betreibt. Am Freitag und damit mitten in die Sondierungen hinein hat sie wie berichtet eine Studie veröffentlicht, derzufolge die vernünftige IT-Ausstattung aller Schulen in Deutschland mit 2,8 Milliarden Euro zu Buche schlagen würde. Pro Jahr. Dauerhaft. Die Berechnung stammt von Forschern um den Bremer Informatikprofessor Andreas Breiter.

Nun kann man sich an einigen der in der Studie genannten Grundannahmen, welche Digital-Ausstattung die durchschnittliche Schule braucht, durchaus festbeißen, und einige Forscher tun das auch bereits. Doch egal, ob nun jede Schule im Jahr 2017 noch einen Computerraum braucht und ob die tatsächlich nötigen Ausgaben nun bei 2,5, bei 2,8 oder bei 3,5 Milliarden Euro liegen: Die Debatte, die Bertelsmann mit seiner Studie auslöst, ist erwartungsgemäß so leidenschaftlich, dass sie den Jamaika-Unterhändlern ihr dringend gesuchtes Bildungsthema ansehnlich verpackt vor die Füße legt.

Die Ausstattung von Schulen mit IT ist eine Daueraufgabe

Wer unsicher war, ob der von der scheidenden Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) vor genau einem Jahr versprochene Digitalpakt noch kommt, kann spätestens seit Freitag mit dem Zweifeln aufhören. Mehr noch: Angesichts der holzhammerartigen Betonung in der Studie, dass die Ausstattung der Schulen mit moderner IT eine Daueraufgabe sei, könnte das Jamaika-Vorhaben am Ende sogar umfangreicher und länger ausfallen als Wankas auf fünf Jahre und fünf Milliarden Euro ausgelegte Bund-Länder-Vereinbarung.

Die Schulen hinken in Sachen IT der digitalen Gegenwart meilenweit hinterher. Der Bund hat das Geld und die neue Koalition braucht ein Bildungsprojekt: So macht man Politik, werden jetzt einige sagen, die die Aktivitäten der Bertelsmann-Stiftung, und das mit Recht, kritisch beobachten. Allerdings ist es nicht verboten, wenn gesellschaftliche Akteure, eigennützig oder nicht, ein von der Politik gelassenes Deutungsvakuum mit Inhalt füllen und zu diesem Zweck renommierte Wissenschaftler beauftragen. Am Ende zählt das Ergebnis. Und das dürfte in diesem Fall ein gutes sein.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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