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Im November hatte die Polizei von Hongkong den Zugang zur Polytechnischen Universität blockiert und versucht, Demonstranten zu verhaften, die sich im Inneren versteckt hatten.

© Foto: Vincent Thian/AP/dpa

Wiarda will's wissen: Bei China reicht Mahnen nicht aus

Deutschland sollte in der Wissenschaft weiter mit der Volksrepublik kooperieren. Aber wenn rote Linien überschritten sind, müssen auch Konsequenzen folgen.

Der künftige DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee zählt es zu den "schwierigen Partnerländern". Hans-Christian Pape, Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, spricht von "roten Linien", die es bei wissenschaftlichen Kooperationen mit der Volksrepublik China festzulegen gelte.

Von vermeintlich kleinen Aufregern (das zweimonatige Wegsperren eines japanischen Forschers wegen "Spionageverdachts") bis hin zu dramatischen staatspolitischen Affären (die Massenproteste in Hongkong, die Rolle der Studierenden und ihre Behandlung durch die Staatsorgane): Es würde die Länge dieses Textes sprengen, alle Fälle aufzählen zu wollen, die allein in den vergangenen Monaten den Umgang Chinas mit den Menschenrechten im Allgemeinen und mit der Wissenschaft im Besonderen zum Gegenstand weltweiter Berichterstattung gemacht haben.

Hinzu kommen weniger diskutierte, aber für die Wissenschaft ebenfalls wichtige Themen wie die Beachtung wissenschaftlicher Standards oder auch die Frage, wie frei und unabhängig von Weisungen aus Peking eigentlich die chinesischen Studierenden in Deutschland agieren.

Wissenschaft lebt vom freien Fluss der Ideen

Vor diesem Hintergrund erscheint es fast schon skurril, wie sehr das Verhältnis von Deutschland und anderen westlichen Staaten zu China auch und gerade in der Wissenschaft von einem "business as usual" geprägt ist. Denn anders als in der Wirtschaft, lebt der wissenschaftliche Austausch ja geradezu vom freien Fluss der Ideen und ihrer angstfreien Verfolgung, was deren Verteidigung zu einem Ausdruck der wissenschaftspolitischen Selbstachtung macht.

Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

© Privat

[Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.]

Doch sogar Deutschlands wissenschaftliche Chefdiplomaten belassen es, siehe oben, bei Warnungen, die den Machthabern in China nicht allzu weh tun werden. Das hat zwei Gründe. Einer bezieht sich auf die Macht des Faktischen, den anderen sollte man auch inhaltlich ernster nehmen.

Den ersten formulierte Humboldt-Chef Pape neulich im Handelsblatt: "Deutschland kann es sich nicht mehr leisten, mit China in der Forschung nicht zu kooperieren." Die Volksrepublik liegt bei den Forschungsinvestitionen mittlerweile auf Platz zwei, bei den Patentanmeldungen laut Weltorganisation für Geistiges Eigentum sogar auf Platz eins – mit großem Abstand auf die USA. Verkürzt lautet Grund eins also: Man muss halt tanzen, wo die Musik spielt.

Chinesische Studierende treffen in Deutschland auf neue politische Gedanken

Der zweite Grund steckt schon im Motto des DAAD: Wandel durch Austausch. Die Argumentation lautet, dass in China und anderswo nichts besser wird dadurch, dass internationale Zusammenarbeit verweigert wird, im Gegenteil.

Nicht nur die westlichen Staaten müssen dann Kompromisse eingehen – zum Beispiel, indem sie auf Verletzungen der Wissenschaftsfreiheit nur mit einem Zeigefingerschwenken reagieren – sondern auch China. Oder wie Mukherjee sagt: Nur durch Kooperationen könne man "überhaupt Einfluss nehmen auf die Wissenschaftsszene und die Gesellschaft in China."

So mag das Land zwar seine in Deutschland Studierenden gut vorsortieren. Dass sie hier aber nicht nur mit dem deutschen Ingenieurwesen, sondern auch mit neuen politischen Gedanken in Kontakt kommen, kann die Pekinger Führung nicht verhindern.

Immer nur zu mahnen reicht nicht

Beide Argumente sind richtig und doch schmerzhaft, wenn zum Beispiel der Asta der TU Berlin nach einer Solidaritätserklärung für die Hongkonger Studierenden mit offenbar aus China stammenden Morddrohungen und Hassbotschaften überzogen wird.

Oder wenn die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der FDP zu den 19 Konfuzius-Instituten in Deutschland antwortet, sie nehme die "unzulässigen Einflussnahmen ausländischer Akteure (…) sehr ernst". Die meist eng mit den deutschen Hochschulen verflochtenen Institute werden demnach von der chinesischen zentralen Propagandaabteilung beeinflusst, gleichzeitig aber erhalten sie auch deutsche Steuergelder.

Es kann und darf nicht darum gehen, die Brücken nach Peking abzubrechen. Entscheidend wird aber sein, dass Politik und Wissenschaft in Deutschland nicht immer nur rote Linien anmahnen, sondern dass deren Überschreitung hin und wieder auch geahndet wird. Beispiele dafür sucht man indes meist vergeblich.

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