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Benjamin List.

© Ill.: nobelprize.org

Wenn‘s aus Stockholm zweimal klingelt: Benjamin List im ersten Interview nach Bekanntgabe des Nobelpreises

Fragen an einen, der an einem "Institut für Kohlenforschung" arbeitet. In Mülheim an der Ruhr - und das alles sehr zukunftsträchtig und nobelpreiswürdig.

Der Chemiker Benjamin List erhält für seine Entdeckung organischer Katalysatoren den Nobelpreis 2021, gemeinsam mit dem Briten David MacMillan. Er ist nach Klaus Hasselmann der zweite deutsche Preisträger in diesem Jahr.

Der berühmte Anruf aus Stockholm erreichte den am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr arbeitenden Forscher im Urlaub in Amsterdam, beim Frühstück. Wenig später klingelte sein Telefon erneut. Diesmal beantwortete er Fragen von Journalisten, die in Stockholm vor Ort waren, unter anderem auch der Deutschen Presseagentur. Wir haben dieses erste Interview, das er als Nobelpreisträger gegeben hat, aufgezeichnet.

Herr Dr. List, wir erreichen Sie im Urlaub, richtig?
Ja, ich bin in Amsterdam, wir waren in einem wunderbaren Konzert im Concertgebouw, wir haben einen wunderschönen Tag hier, ich habe das absolut nicht erwartet, es war eine große Überraschung.

Wie war das, als Sie diesen berühmten Telefonanaruf aus Stockholm bekamen heute Morgen?
Ich dachte, jemand spielt mir einen Streich. Ich saß mit meiner Frau beim Frühstück. Sonst sagt sie immer, guck mal auf Dein Telefon, ob jemand aus Schweden anruft. Diesmal haben wir diesen Witz nicht einmal gemacht. Und dann, ich gucke aufs Telefon: Schweden, ich schau sie an, sie schaut mich an, ich renne raus aus dem Café, und tatsächlich, es war dieser Anruf. Man kann nicht beschreiben, was man da fühlt, ein wunderbarer Moment, ein sehr besonderer Moment, den ich nie vergessen werde.

Sie haben diese Katalysatoren vor etwa 20 Jahren gefunden. Wo stehen Sie heute mit Ihrer Arbeit?
Leute fragen sich manchmal, warum es so lange dauert bis so eine Entdeckung gewürdigt wird. In unserem Falle war es so, dass diese frühen Katalysatoren so etwa eine Million Mal weniger effizient waren als die, die wir heute haben. Die wirkliche Revolution hinsichtlich unserer Entdeckungen passiert erst jetzt, da wir diese extrem reaktiven Organokatalysatoren haben, die Sachen können, welche mit Enzymen oder selbst den besten Metall-Komplexen unmöglich sind.

Als Sie vor 20 Jahren diese Entdeckungen machten, wussten Sie sofort, was für einen Impakt das haben würde? Oder hat Sie die Entwicklung seither überrascht?
Damals dachte ich, ich sei der einzige Mensch, der an diesen Sachen arbeitet. Ich wusste nicht, dass David in Kalifornien da auch dran arbeitete. Wir wussten damals nichts voneinander. Als ich das Experiment machte, dachte ich, vielleicht ist das eine dumme Idee, oder jemand hat das längst versucht. Aber als ich sah, dass es funktionierte, hatte ich schon das Gefühl, dass das etwas Großes sein könnte. Aber das dies hier mal passieren würde, das habe ich in keinster Weise erwartet.

Wie kommt es, dass diese organischen Katalysatoren nur eine Form der beiden möglichen spiegelbildlichen Strukturen dieser Moleküle machen?

Das ist ein Mysterium, das Chemiker und sonstige Wissenschaftler bislang nicht fähig waren, aufzuklären. Warum in aller Welt ist Biologie einhändig? Warum gibt es diese Präferenz in der Natur? Wie wissen es bis heute nicht. Zum Glück können wir diese Moleküle aus natürlichen Quellen gewinnen. Sie werden ja gemacht von Organsimen, sie haben diese „Einhändigkeit“, und die wird in der Katalyse an das Substrat weitergegeben, so dass man mehr von genau diesen Molekülen bekommt. Das ist ein großes Geschenk, das die Natur uns hier macht.

Was ist ihr Lieblingskatalysator, und Ihr Lieblingsverfahren?
Mein Lieblingskatalysator muss Prolin sein, weil mir da erstmals klar wurde, was organische Moleküle können. Und es ist ein wunderschönes Molekül, ein essbares Molekül. Leute nehmen es als Nahrungsergänzung – auch wenn ich nicht recht weiß, wieso. Wir machen es in unseren eigenen Körpern. Es ist völlig harmlos, schmeckt leicht süß. Meine Lieblingsverfahren, das sind die, mit denen wir grad arbeiten. Wir haben jetzt Katalysatoren, die Sachen machen, die selbst Enzyme nicht können, das haut mich echt um. Wir arbeiten an vielen solchen Reaktionen derzeit, sie sind alle meine Lieblinge.

Was bedeutet der Preis für Ihre Forschung in Zukunft?
Das habe ich mich selbst grad gefragt: Was mach‘ ich jetzt? Wir haben einige Pläne. Ich nähere mich gerne den Extremen: Könne wir Sachen machen, die zuvor schlicht unmöglich waren? Und ich denke der Preis gibt mir noch mehr Freiheit als ich ohnehin als Max-Planck-Forscher schon habe. Denn wir haben ja die Freiheit, zu tun was wir wollen - also hinsichtlich der Forschung. Jetzt fühle ich mich gleichsam noch freier. Und ich hoffe, ich kann dieser Anerkennung gerecht werden und weiterhin wunderbare Entdeckungen machen.

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