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Tropische Fische schwimmen am Rand eines von Korallenbleiche betroffenen Korallenriffs am Great Keppel Island vor der Küste von Queensland (Australien).

© Dan Peled/AAP/dpa

Wenn der Ozean so nicht mehr kann: „Den Zug haben wir verpasst, dass alles wieder wird, wie es war“

Korallenbleiche, Fische unter Stress und ein riesiger CO2-Speicher, der langsam versauert. Ein Gespräch mit dem Biologen Felix Mark über Meer und Klima.

Felix Mark, Öko-Physiologe am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven hat gerade viel Zeit - er sitzt in Kapstadt im Hotel in Quarantäne. Von dort wollen er und seine Kollegen und Kolleginnen auf eine Antarktis-Expedition aufbrechen. Mark forscht seit Jahren zu den Folgen der Klimakrise auf die Biodiversität im Meer. Das Gespräch wurde über Zoom für den Tagesspiegel-Klimapodcast Gradmesser geführt. Hier können Sie eine Auszug lesen, die ganze Unterhaltung können Sie hier hören.

Herr Mark, Sie brechen Anfang März demnächst zu einer Expedition in die Antarktis auf. Was wollen Sie herausfinden?
Da geht es um die HAFOS-Reise, die alle paar Jahre stattfindet, und bei der ozeanographische Parameter gemessen werden. Stationen auf dem Meeresgrund prüfen unter anderem Wasserströmung, Temperatur, Salzgehalt um die Stabilität des Systems zu erforschen und auch zu sehen, ob sich die Ozeantemperatur in der Antarktis verändert. Zusätzlich wollen wir Biologen jetzt auf einen Teil dieser Messvorrichtungen Stationen setzen, an denen wir uns auch die biologische Vielfalt anschauen können.

Mittels dieser Daten soll eine Basislinie entwickelt werden, auf der wir über die kommenden Jahrzehnte nachverfolgen können, wie sich der Klimawandel im antarktischen Ozean auswirkt. Denn die Folgen der Erderwärmung spüren wir auch hier immer mehr.

Welche Rolle spielen die Ozeane im Blick auf die Klimakrise? Stimmt es, dass sie sogar die Erderwärmung bremsen?
Die Ozeane können aus der Atmosphäre sowohl Gase als auch Temperatur aufnehmen und puffern dadurch den Klimawandel ab. Wasser kann viel mehr Wärme und Energie aufnehmen als Luft. Das weiß jeder, der beim Essen schon mal in eine heiße Tomate oder Kartoffel gebissen hat. Überall wo Wasser drin ist, bleibt die Wärme länger erhalten.

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Die Ozeane wiederum nehmen einen Großteil der Temperaturerwärmung aus der Atmosphäre auf und binden diese Energie. Allerdings fällt uns das irgendwann auf die Füße, weil die Ozeane selbst dadurch immer wärmer werden.

Und wie verhält sich das mit der CO2-Aufnahme durch das Meer?
Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre steigt seit 150 Jahren immer stärker an, weil wir Menschen immer mehr fossile Energieträger wie Gas und Öl verbrennen. Die Ozeane können dieses Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre binden, im Meer wird es dann zu Kohlensäure. Je mehr CO2 in der Atmosphäre ist, umso mehr Kohlenstoffdioxid landet im Ozean. Bisher haben die Meere etwa die Hälfte des bisher von uns Menschen ausgestoßenen CO2s gebunden.

Der Ozean hat also einen doppelten Effekt auf unser Klima: Erst puffert er viel Treibhausgas weg, und wenn sich trotzdem die Atmosphäre weiter erhitzt, nimmt er einen Teil der Wärme auf. Allerdings lässt die Kohlensäure die Meere immer mehr versauern. Und diese Ozeanversauerung tut den Organismen gar nicht gut.

Strand Costa de la Luz mit Wolken und Brandungswellen, Spanien.
Strand, Wolken und Brandungswellen in Spanien.

© imago images/blickwinkel

Sie haben mal die Versauerung der Ozeane „den bösen kleinen Bruder der Erderwärmung genannt. Was meinen Sie denn damit?
Beides, Ozeanversauerung und Klimaerhitzung sind CO2-gemachte Probleme. Beide wirken sich massiv auf die Organismen im Meer aus. Der höhere Säuregehalt des Wassers führt zum Beispiel dazu, dass sich Tiere anders verhalten, der Stoffwechsel verändert sich, das Säure-Base-Gleichgewicht im Organismus selbst gerät komplett aus dem Gleichgewicht. Gegen diese ganzen Vorgänge anzuregulieren kostet so einen Fisch oder einen anderen Organismus viel Energie.

Dazu kommt das immer wärmere Wasser. Bei den meisten Tieren diktiert die Wassertemperatur die Körpertemperatur, die dann auch direkt ansteigt, was wiederum bedeutet, dass auch Stoffwechsel- und Lebensvorgänge in immer schnellerem Tempo ablaufen.

Das klingt anstrengend.
Das ist extrem anstrengend! Wenn sich die Temperaturen erhöhen, macht so ein Fisch statt gemütlich im Wasser zu schwimmen dann gefühlt ständig einen Dauersprint. Dafür muss er sehr viel mehr Energie aufbringen als es der Organismus eigentlich vorgesehen hat. Die Klimakrise kostet die Tiere schlicht Energie. Und einem solchen Prozess sind natürliche Grenzen gesetzt, wie Sie sich sicher vorstellen können.

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Die Versauerung ist auch ein Problem für Muscheln, Schnecken oder Korallen mit ihrer kalkhaltigen Skelettstruktur. Werden diese Organismen sich anpassen und weiter im Meer existieren können?
Die Aussichten sind nicht besonders rosig. Bei der Anpassung an die Versauerung ist der Spielraum sehr begrenzt. Zwar können sich die meisten kalkbildenden Organismen ein bisschen schützen, aber klar ist: Je saurer das Wasser wird, umso eher werden Kalkstrukturen aufgelöst. Das kennt man ja aus dem eigenen Badezimmer: Mit Essigreiniger bekommt man Kalkflecken hervorragend aufgelöst.

Unsere Ozeane sind jetzt natürlich nicht mit Essigreiniger vergleichbar. Aber der Anstieg im Säuregehalt des Wasser greift die Kalkstrukturen immer mehr an. Besonders dramatisch wird es, wenn Kalkstrukturen offen liegen und nicht von einem Häutchen oder einer Wachsschicht geschützt werden. Bei Korallenriffen geschieht das ganz häufig.

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Zuerst kommt es durch das zu warme Wasser zur Korallenbleiche, bei der das tierische Gewebe über den Korallenriffen teilweise abstirbt. Dann ist der Kalkkörper dem saureren Meerwasser schutzlos ausgesetzt. Solche Auflösungsprozesse können ein ganzes Riff zum Einsturz bringen. Wenn dann noch Stürme dazukommen, die ja auch häufiger werden, weil mehr thermische Energie im Ozeanwasser gebunden ist, sind Korallenriffe stark gefährdet. Das sieht man zum Beispiel sehr deutlich in den Tropen, wo es den Korallenriffen inzwischen durch die Bank schlecht geht.

Im aktuellen Bericht des Weltklimarates, der am 28. Februar veröffentlicht wird, haben Sie am Kapitel für die Ozeane mitgearbeitet. Wie blicken Sie in die Zukunft?
Wir sollen ja immer versuchen, möglichst positiv in die Zukunft zu blicken. Aber die Situation wird sich wohl auf absehbare Zeit nicht verbessern, eher im Gegenteil. Das Problem ist ja: Selbst wenn wir ab morgen überhaupt kein CO2 mehr emittieren würden, würden Ozeanversauerung und Ozeanerwärmung weiterfortschreiten, weil das Klimasystem eher träge reagiert. Wir werden ziemlich sicher an Punkte kommen, an denen einige Ökosysteme unwiederbringlich geschädigt werden. Den Zug haben wir verpasst, dass wir die Möglichkeit hätten, dass alles mal wieder so wird, wie es war.

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