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Mars

© dpa

Weltraum: Die Narben des Mars

Der gewaltige Einschlag eines Himmelskörpers vor vier Milliarden Jahren hat den Roten Planeten gezeichnet. Der entstandene Krater ist so groß wie Europa, Asien und Australien zusammen.

Seitdem der Mensch die Landschaft auf dem Mars auf Bildern studieren kann, fragen sich Forscher, warum die Oberfläche auf der Nordhalbkugel so glatt und eben ist, während im Süden die Gipfel eines Gebirges in den kosmischen Himmel ragen und viele kleine Krater die Landschaft mit Narben durchsetzen. Jetzt haben Forscher um Jeffrey Andrews-Hanna vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) im amerikanischen Cambridge mit Kollegen vom California Institute of Technology in Pasadena neue Anzeichen dafür gefunden, dass die Ebene in der Nordhemisphäre des Mars – das Borealis-Becken – bei einem gigantischen Asteroideneinschlag oder der Kollision mit einem Kometen entstanden sein könnte. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachblatt „Nature“ (Band 453, Seite 1212) veröffentlicht.

„Marsforschern war schon lange die seltsame Aufteilung der Landschaft auf dem Roten Planeten in zwei unterschiedliche Hälften aufgefallen“, erklärt Ernst Hauber vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof. Doch zu der Frage, wie es dazu kam, gab es unterschiedliche Theorien.

Einige Wissenschaftler glaubten, dass „konvektive Strömungen“, also Kräfte im Planeteninneren, das elliptische Flachland des Borealis-Beckens schufen. Doch für diese Überlegung hatten sie keine Beweise – das Gegenteil belegte aber auch niemand. Andere gingen schon im Jahr 1984 vom Einschlag eines Himmelskörpers aus. Rasch aber wurde diese Theorie wieder zu den Akten gelegt, weil die bekannten Krater auf dem Mond, der Erde und auch auf dem Mars immer annähernd kreisrund sind. Und das Borealis-Becken, das immerhin 40 Prozent der Fläche des Roten Planeten bedeckt, ist eiförmig. Doch jetzt haben Margarita Marinova vom California Institute of Technology in Pasadena und ihre Kollegen berechnet, dass nur bei Einschlägen kleiner Asteroiden, die auf eine ebene Fläche treffen, runde Krater entstehen. Trifft ein sehr großer Himmelskörper auf den Mars, entsteht der Einschlagkrater nicht auf einer Ebene, sondern auf einem Ausschnitt des nahezu kugelförmigen Planeten – und zwar in Form einer Ellipse. Nach den Modellrechnungen der Forscher, die sie ebenfalls in „Nature“ (Band 453, Seite 1216) veröffentlicht haben, könnte der Einschlag eines Asteroiden mit 1600 bis 2700 Kilometern Durchmesser das Borealis-Becken auf dem Mars erzeugt haben, der selbst einen Durchmesser von 6780 Kilometern hat.

In einem dritten „Nature“-Artikel (Band 453, Seite 1220) zeigt ein Team von den Universitäten von Kalifornien und London, dass auch Einschläge anderer Himmelskörper ein ähnliches Becken erzeugen könnten. Weshalb bisher niemand die so entstandene Riesenellipse exakt identifizieren konnte, erklären Jeffrey Andrews-Hanna und seine Kollegen so: An einem Teil des Kraterrandes bildete sich vor mindestens 3,9 Milliarden Jahren die mächtige Kette der Tharsis-Vulkane, die seither jenem Gebiet ihren Stempel aufprägen. Mit Hilfe vieler Satellitendaten, die Strukturen an der Oberfläche und im Inneren des Mars zeigen, rechneten die Forscher diese Vulkane aus der Gegend heraus. Jetzt entpuppte sich das Borealis-Becken als der mit Abstand größte Krater, der bisher im Sonnensystem entdeckt wurde. Mit einer Länge von 10 600 und einer Breite von 8500 Kilometern ist die Fläche in seinem Inneren so groß wie Europa, Asien und Australien zusammen. Und das ist weit größer als die bisher auf dem Mars mit 2400 mal 1800 Kilometern und dem Mond mit 2100 mal 1500 Kilometern entdeckten Krater.

In der Zeit, als der Mars von dem gigantischen Asteroiden oder einem Kometen getroffen worden sein könnte, waren solche Einschläge nicht selten. „Das frühe Sonnensystem war ein gefährliches Pflaster für Planeten“, sagte der MIT-Forscher Andrews-Hanna. Aus dem Material, das bei der Entstehung der Sonne übrig geblieben war, klumpten damals im Laufe einiger Millionen Jahre kleinere und größere Himmelskörper zusammen. Insgesamt waren so viele dieser oft durchaus planetengroßen Trümmer entstanden, dass gewaltige Zusammenstöße kaum ausbleiben konnten. So wurden etliche junge Planeten vermutlich kurz nach ihrer Entstehung gleich wieder zerstört.

Neben dem gigantischen Einschlag auf dem Roten Planeten haben Astronomen nur für zwei weitere Kollisionen von ähnlichem Ausmaß Indizien gefunden: Ein Zusammenstoß scheint vom innersten Planeten unseres Sonnensystems Merkur alle leichten Elemente an der Oberfläche weggerissen und nur den schweren Kern übrig gelassen zu haben. Und dann gibt es noch den Himmelskörper Theia, der ein wenig größer als der heutige Mars war. Er traf die junge Erde mit ihren heute 12 756 Kilometern Durchmesser in einem Streifschuss und sprengte dabei den Mond aus ihr heraus. All diese Ereignisse geschahen wohl in den ersten 100 Millionen Jahren des Sonnensystems, das sich vor ungefähr 4,57 Milliarden Jahren bildete. Damals war es eben ein gefährliches Pflaster für Planeten.

Vom Roland Knauer

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