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071106Kosmos

© Nasa

Weltraum: Die dunkle Seite des Kosmos

Schwarzes Geheimnis: 96 Prozent des Universums sind für die Teleskope der Astronomen unsichtbar. Doch die Himmelsforscher setzen alles daran, diese unerforschten Bereiche des Kosmos zu ergründen.

Von Rainer Kayser, dpa

Es gibt Regionen im All, die sind dunkel, senden keine Strahlung aus und verraten sich nur indirekt, weil sie die Bewegung der sichtbaren Himmelsobjekte beeinflussen. Woraus diese dunkle Seite des Kosmos besteht, ist bislang völlig unklar.

Dänische Forscher haben jetzt versucht, bei einem fernen Galaxienhaufen Röntgensstrahlung aufzuspüren, die beim Zerfall von Teilchen der dunklen Materie entstehen könnte – ohne Erfolg. Die Wissenschaftler ziehen daraus den Schluss, dass die dunkle Materie aus extrem stabilen Elementarteilchen bestehen muss. Ihre Zerfallszeit ist, so haben sie errechnet, größer als drei Billiarden Jahre – mehr als das 200 000-Fache des Alters des Universums.

„Wir wissen nicht, woraus die dunkle Materie besteht – aber es muss sich um irgendeine Art von Elementarteilchen handeln“, erklärt Signe Riemer-Sørensen vom Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen. Ein von vielen Forschern favorisierter Kandidat ist dabei das Axion. Die Existenz dieses Teilchens wird von der Quantenchromodynamik vorhergesagt. Letzteres ist die Theorie, die sich mit den im Atomkern wirkenden Kräften beschäftigt (siehe Kasten).

Axionen können der Theorie zufolge in andere Teilchen zerfallen. Dabei sollte Röntgenstrahlung entstehen, die sich bei großen Ansammlungen von dunkler Materie, wie etwa in Galaxienhaufen, nachweisen lassen sollte. Das ist jedoch nicht einfach, denn die Messung wird durch große Mengen eines heißen Gases gestört, das in Galaxienhaufen vorkommt und ebenfalls Röntgenstrahlung aussendet.

Zum Glück gibt es den Galaxienhaufen 1E0657-56. Er ist 3,8 Milliarden Lichtjahre alt und durch Kollision zweier kleinerer Galaxienhaufen entstanden. Dabei sind normale und dunkle Materie getrennte Wege gegangen.

Während diese beiden Arten von Materie in einem Galaxienhaufen üblicherweise etwa gleich verteilt sind, ist dies in 1E0657-56 völlig anders. Dies zeigten Messungen mit optischen Teleskopen. Da die dunkle Materie weder mit sich selbst noch mit normaler Materie in Wechselwirkung tritt, bewegt sie sich bei dem Zusammenprall der Galaxienhaufen nahezu unbeeinflusst weiter.

Während also das heiße Gas der beiden Haufen aufeinandergeprallt ist und sich in der Mitte von 1E0657-56 verdichtet hat, hält sich die dunkle Materie der beiden Haufen immer noch in zwei deutlich voneinander getrennten Bereichen auf. In diesen Regionen sollte sich die Strahlung des heißen Gases nicht auf die Messung auswirken. Die Astronomen hofften daher, dort die Röntgenstrahlung zerfallender Axionen ungestört nachweisen zu können.

Riemer-Sørensen und ihr Team konnten jedoch im Rahmen der Messgenauigkeit nichts finden. „Wir haben nichts gesehen“, erklärt die Forscherin, „demnach muss es sehr, sehr lange dauern, bis dunkle Materie zerfällt.“ Drei Billiarden Jahre, so wurde errechnet, muss die mittlere Zerfallszeit der Axionen mindestens betragen. Freilich entspricht dies nur dann der Lebensdauer der dunklen Materie, wenn diese tatsächlich aus Axionen besteht – und nicht aus etwas noch Seltsamerem.

Dass es dunkle Materie geben muss, wissen die Himmelsforscher seit mehreren Jahrzehnten. Denn die Anziehungskraft der sichtbaren Materie reicht allein nicht aus, um Galaxien zusammenzuhalten. Sie würden durch die Fliehkraft ihrer Eigendrehung auseinandergerissen. Rund 80 Prozent der Masse von Galaxien und Galaxienhaufen müssen demnach in Form von bisher unbekannten Elementarteilchen vorliegen.

Materie macht aber nur einen kleinen Teil des dunklen Geheimnisses unseres Universums aus. Ende der 1990er Jahre zeigte die Beobachtung ferner Sternexplosionen („Supernovae“), dass die Expansion des Kosmos nicht, wie bis dahin vermutet, durch die Schwerkraft langsam abnimmt, sondern sich im Gegenteil beschleunigt. Es scheint im Kosmos also eine Art abstoßender Kraft, eine Energie des Vakuums, zu geben, die der Gravitation entgegenwirkt. Nach heutigen Erkenntnissen besteht das Universum sogar zu 74 Prozent aus dieser dunklen Energie. Die dunkle Materie trägt 22 Prozent und die gewöhnliche, sichtbare Materie lediglich vier Prozent bei.

Voraussichtlich ab dem Jahr 2013 will die US-Raumfahrtbehörde Nasa mit einem speziellen Weltraumteleskop die dunkle Energie genauer erforschen. Das Snap-Teleskop – die Abkürzung steht für Supernova Acceleration Probe – soll drei Jahre lang den Himmel nach Supernovae in weit entfernten Galaxien absuchen.

Mit der Entdeckung von 2000 solcher explodierenden Sterne pro Jahr rechnen die Forscher. Aus der Beziehung zwischen Helligkeit und Entfernung der Supernovae wollen die Astronomen dann vermessen, welchen Einfluss die dunkle Energie auf die Expansion des Weltalls hat – und damit vielleicht auch ergründen, welches physikalische Phänomen sich hinter der dunklen Energie verbirgt.

Im Vergleich zur geheimnisvollen Energie ist die dunkle Materie für die Astronomen inzwischen trotz ihrer Unsichtbarkeit leichter zu vermessen. Denn dank ihrer Schwerkraft beeinflusst sie nicht nur die Bahnen von Sternen und Galaxien, sondern sie verbiegt auch die Lichtstrahlen ferner Himmelsobjekte.

Dieser „Gravitationslinseneffekt“ verzerrt das Aussehen von hinter einem Galaxienhaufen stehenden Galaxien. Aus der Verzerrung lässt sich die Verteilung der dunklen Materie bestimmen. Aber auch die Suche nach Röntgenstrahlung aus dem Zerfall der dunklen Materie ist noch keineswegs ausgereizt. „Noch können wir nicht sicher sein, dass es gar keine Strahlung von zerfallenden Axionen gibt“, sagt Riemer-Sørensen, „sie könnte einfach nur zu schwach für unsere Instrumente sein. Wir müssen also mit besseren Instrumenten weitersuchen.“

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