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Engagiert. Professoren unterrichten und prüfen große Mengen von Studierenden, werben Millionen ein. Doch in Berlin sollen sie bei der Besoldungsreform leer ausgehen.

© dpa

Was Professoren in Berlin verdienen: „Wir fühlen uns verschaukelt“

Exzellente Arbeit, wenig Wertschätzung? Berliner Professoren hadern mit der geplanten Reform der leistungsorientierten Besoldung - und sprechen über ihren Alltag und ihre Ansprüche.

Berlin reformiert seine Professorenbesoldung – ein bisschen. Wenn das vom Senat beschlossene Gesetz wie geplant durchs Abgeordnetenhaus geht, haben viele Hochschullehrer vergebens gehofft, dass ihre Grundgehälter aufgestockt werden. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom Februar 2012 waren Anpassungen der Grundgehälter nötig geworden. Berlin will das aber möglichst kostenneutral schaffen. Nur Professoren, die noch keine Leistungsbezüge hatten, werden fortan mehr im Portemonnaie haben. Das Berliner Grundgehalt in der Besoldungsgruppe W2 liegt nach Angaben des Hochschulverbands in Berlin bei 4315 Euro - beim Spitzenreiter Sachsen-Anhalt bei 5336 Euro. Auch in der höchsten Gruppe W3 bekommen Berliner Professoren mit 5240 Euro bundesweit am wenigsten, in Bayern starten Professoren bei 6129 Euro. Bei der Berufung verhandeln die meisten Professoren - auch in Berlin - Zulagen aus, etwa 300 bis 500 Euro sind üblich. Für weitere Leistungen können die Professoren noch Geld hinzuverdienen, oft zwischen 300 bis 500 Euro, etwa als "Funktionszulage" für die Leitung des Dekanats. - Wir haben Berliner Professoren gefragt, wie sie den Senatsbeschluss bewerten.

Doris Kolesch (49), Professorin für Theaterwissenschaft und Dekanin des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität

Seit zweieinhalb Jahren haben wir eine illegale Situation: Die Grundgehälter hiesiger W2-Professoren liegen unter den vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten in Hessen. Und vom Senat kommt kein Zeichen, daran etwas ändern zu wollen. Das ist in etwa so, als ob man den BER mit mangelhafter Brandschutzanlage in Betrieb nimmt und ihn dann laufen lässt.

Doris Kolesch, Professorin für Theaterwissenschaft und Dekanin an der FU Berlin
Doris Kolesch, Professorin für Theaterwissenschaft und Dekanin an der FU Berlin

© FU Berlin

Als Dekanin konnte ich bereits mehrere hochkarätige Berufungen nicht realisieren, weil die Erstplatzierten vor den niedrigen Berliner Gehältern auch in W3 zurückgeschreckt sind. Zumal die Leute wissen, dass man in Berlin ungleich mehr leisten muss als anderswo. Unsere Zielvereinbarungen erzeugen einen enormen Druck, Drittmittel einzuwerben. Und gerade in den stark nachgefragten Fächern sitzen drei Studierende auf einem Studienplatz, das führt zu einer nie zuvor dagewesenen Betreuungs-, Prüfungs- und Korrekturlast. Die Berliner Politik hat keine Ahnung, unter welchen Bedingungen wir an den Universitäten arbeiten, und zeigt keinerlei Wertschätzung für unsere Leistungen, die national wie international immer wieder als exzellent evaluiert werden.

"Frustrierend und demotivierend"

Die „Sprünge“, die wir dann durch besondere Leistungen in Forschung und Lehre oder durch Leitungspositionen machen können, bringen jeweils nur 200 Euro brutto. Wenn ich das Führungskräften aus der freien Wirtschaft erzähle, lachen die mich aus für unser „Leistungsprinzip“. Im Gegensatz zu früher kann sich heute kein FU-Professor mehr ein Haus in Dahlem leisten. Und diese kleinen Zulagen führt die Berliner Politik jetzt auch noch durch die verrechenbaren Aufstockungsbeträge ad absurdum.

Wer sich also in Forschung und Lehre besonders engagiert hat, bekommt nach den derzeitigen Plänen des Senats keinen Cent mehr – das ist frustrierend und demotivierend. Skandalös finde ich auch, dass die ohnehin unterbezahlten Juniorprofessoren gar nichts bekommen sollen.

Mit 42 Jahren wird man im Schnitt auf eine Lebenszeit-Professur berufen, hat sich in den Jahren davor von Stelle zu Stelle gehangelt, eine Dissertation, eine Habilitation oder ein anderes zweites Buch geschrieben – ohne sichere Perspektive. Als Professoren bringen wir Spitzenleistungen, bilden künftige Generationen aus, managen Forschungsgruppen, beschaffen und verwalten Millionenbeträge. Da sollte man uns wenigstens die Angleichung an das bundesweite Gehaltsniveau gönnen. In Berlin ist das Minimum an sittlichen Gehältern unterschritten.

Professor Michael Lehmann: "Der Senat verweigert uns Wertschätzung"

Michael Lehmann (49), Professor für Experimentalphysik an der Technischen Universität Berlin

Um an der TU auf 500 Euro Leistungszulagen zu kommen, muss man beispielsweise über drei Jahre jeweils eine Million Euro an Drittmitteln einwerben und je 100 Abschlussarbeiten als Erstgutachter betreuen. Oder ich hätte die Füße hochlegen können. Dann würde ich jetzt den Aufstockungsbetrag von 464 Euro vom Land erhalten. Wir Professorinnen und Professoren bringen Spitzenleistungen, werben Rekordsummen ein und bewältigen eine Rekordzahl von Studierenden. Aber so, wie uns die Politik jetzt behandelt, kommt das einer deutlichen Missachtung unserer Leistungen gleich.

Michael Lehmann, Professor für Experimentalphysik an der TU Berlin
Michael Lehmann, Professor für Experimentalphysik an der TU Berlin

© privat

"Ich bin getrieben von Neugier"

Die Leistungsbilanz, die wir der Unileitung jedes Jahr im Januar vorlegen müssen, spornt durchaus an. Es geht darum, die individuellen Leistungsvereinbarungen zu erfüllen, die Leistungszulagen festzulegen, und die Daten regeln die Mittelzuteilung vom Land. Was mich aber eigentlich antreibt, ist die Begeisterung dafür, Studierenden Bildung zu vermitteln, mit ihnen zu diskutieren, interessante Forschung zu betreiben sowie mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzukommen und spannende Themen zu bearbeiten. Ich bin getrieben von Neugier und beflügelt von dem riesigen Freiheitsgrad, den ich als Wissenschaftler genieße.

Dafür arbeite ich auch gerne bis zu 60 Stunden, schreibe abends auf der Couch Mails, lese am Wochenende Aufsätze und im Urlaub Lehrbücher. Und ich akzeptiere durchaus ein niedrigeres Gehalt als ich es in der Industrie erhalten würde. Was ich aber nicht akzeptieren kann, ist die Wertschätzung, die uns der Senat verweigert.

Professor Steffen Prowe: "Was Berlin vorhat, ist echte eine Spaßbremse"

Steffen Prowe (49), Professor für Mikrobiologie an der Beuth-Hochschule für Technik
Die 500 Euro Zulage, die ich herausgehandelt habe, als ich 2009 von einem Pharmakonzern an die Hochschule wechselte, haben mein früheres Monatsgehalt trotz der Vorteile des Beamtenstatus nicht ausgeglichen. Allein die jährlichen Boni haben einen fünfstelligen Betrag gebracht. Doch mich hat auch das Leistungsprinzip in der W-Besoldung überzeugt.

"18 Stunden Lehre pro Woche"

Engagement in der Lehre mit bis zu 18 Stunden pro Woche bedeutet bei uns, voll für die Studierenden da zu sein: bei Laborpraktika betreuen wir selbst, an der Uni übernehmen das zuweilen Doktoranden. In der Forschung besondere Leistungen zu erbringen, ist an einer FH auch nicht so leicht. Als ich anfing, gab es dafür keine Infrastrukturen. Seitdem habe ich eine halbe Million Euro an Drittmitteln eingeworben, ein molekulardiagnostisches Projekt mit Partnern aus der Wirtschaft auf die Beine gestellt und für mein Biogasprojekt die Einrichtung eines Sicherheitslabors durchgesetzt.

Steffen Prowe, Professor für Mikrobiologie an der Beuth-Hochschule für Technik
Steffen Prowe, Professor für Mikrobiologie an der Beuth-Hochschule für Technik

© privat

Das alles macht mir großen Spaß. Und klar, mit Grundgehalt und Leistungszulagen kann ich meine Familie ernähren. Aber was das Land Berlin da mit uns vorhat, ist eine echte Spaßbremse. Das Leistungsprinzip wird komplett ausgehebelt. Wie viele meiner Kollegen habe ich das Gefühl, hinsichtlich erbrachter Leistungen einfach auf null gestellt zu werden.

Man mag das für Klagen auf hohem Niveau halten. Wenn wir Leistungsträger jedoch an die Kollegen denken, die alternativ in ihrem Ingenieurbüro oder als Gutachter einen guten Nebenverdienst erzielen und jetzt trotzdem den vollen Aufstockungsbetrag bekommen sollen, fühlen wir uns von der Politik verschaukelt.

Professor Beate Bergter: "Sobald der erste Professor klagt, kippt das Gesetz"

Beate Bergter (44), Professorin für Mathematik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW)

Für mich ist es irritierend, dass der Senat für eine derartige Nullnummer zwei Jahre gebraucht hat. Die Berliner Regelung mit den Aufstockungsbeträgen, die de facto durch bereits erworbene Leistungszulagen konsumiert werden, wird doch ohnehin rechtlich keinen Bestand haben. Sobald der erste Professor klagt, kippt das Gesetz. Die Verrechnung widerspricht dem Leistungsprinzip der W-Besoldung.

Beate Bergter, Professorin für Mathematik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Beate Bergter, Professorin für Mathematik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

© promo

Es gibt viele Realisten unter den Kollegen, die a priori davon ausgegangen sind, dass der Senat nichts tun wird, um die Schlechterstellung der Berliner Professoren zu korrigieren. Grundsätzlich wird man ja nicht wegen des Geldes Professor. Die Motivation liegt woanders.

"Wir liegen deutlich hinter anderen Bundesländern"

Aber ich finde es kontraproduktiv, dass in Berlin auch zukünftige Leistungen verrechnet werden. Eine Kollegin hat ermittelt, dass ein neu berufener Professor zehn Jahre besondere Leistungen in Lehre und Forschung erbringen muss, bevor er sich über den Aufstockungsbetrag hinaus etwas dazuverdienen kann. Wie erklärt man das potenziellen Bewerbern? Berufungsverhandlungen werden jedenfalls in Zukunft nicht leichter, zumal es ja dabei bleibt, dass wir in Berlin mit dem Grundgehalt bis zu 1000 Euro hinter anderen Ländern liegen.

Professor Stefan Beck: "Wissenschaftler brauchen keine finanziellen Anreize"

Stefan Beck (54), Professor für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität

Natürlich geht es bei Gehaltsfragen auch um symbolische Anerkennung. Insofern kann ich die Verärgerung über die Berliner Pläne nachvollziehen. Statt 200 Euro mehr wäre mir aber eine substanzielle Änderung der Arbeitsbedingungen für Studierende, Kolleginnen und Kollegen und für mich lieber. Die Seminare platzen aus allen Nähten, die Prüfungslast hat enorm zugenommen, Studienordnungen haben eine Halbwertszeit von wenigen Jahren, die Betreuung von Doktoranden muss man als Hobby nebenher betreiben. Ich wäre glücklich, von den vielen administrativen Aufgaben entlastet zu werden. Das allerdings sind alles Aufgaben, die in den Besoldungsschemata nicht angemessen abgebildet werden – weil man sie schlecht messen kann.

Stefan Beck, Professor für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität
Stefan Beck, Professor für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität

© privat

Die Vorstellung hinter der „leistungsbezogenen“ W-Besoldung, Wissenschaftler bräuchten finanzielle Anreize von einigen hundert Euro, um sich in Forschung und Lehre zu engagieren, ist ohnehin völlig wirklichkeitsfremd. Finanzielle Erwägungen sind das Letzte, was Wissenschaftler antreibt. Ihnen geht es darum, ein Thema voranzutreiben. Die Besoldungsfrage ist ein Symptom dafür, dass Politik nicht versteht oder verstehen mag, was Wissenschaft ausmacht.

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