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Gebäude oder hohe Masten nehmen Vögel zwar wahr, sie reagieren aber nicht immer, wodurch es zur Kollision kommen kann.

© Foto: Arne Dedert/dpa

Warnsignale für Vögel: Kollisionen mit Bauten verhindern

Durch den Zusammenstoß mit hohen Gebäuden sterben viele Vögel. Forschende wollen das nun mit „Akustischen Leuchttürme“ verhindern.

Glasfassaden, Windräder, Stromleitungen – viele Bauwerke sind für Vögel eine Gefahr. Wie viele Tiere dort umkommen, kann keiner genau sagen. Solide Schätzungen gehen in die Millionen, allein in Deutschland. Forscherinnen und Forscher haben verschiedenste Methoden entwickelt, um die Tiere besser zu schützen. Der Erfolg ist meist überschaubar, die Todeszahlen sind weiterhin hoch.

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Einen neuen Ansatz stellt nun ein Team von US-Biologen vor. Bei ihrem „akustischen Leuchtturm“ werden Schallsignale genutzt, um Vögel fernzuhalten. Getestet wurde das Prinzip an zwei Funkmasten auf der Delmarva-Halbinsel in Virginia, die sich in einer der Hauptrouten des nordamerikanischen Vogelzugs befinden. Die Masten sind mehr als 100 Meter hoch und damit schon optisch auffallend. Allerdings sollte man den visuellen Effekt nicht überschätzen, schreibt das Team um Timothy Boycott in der Fachzeitschrift „Plos One“. 

Vögel schauen im Flug weniger nach vorne

Vögel, deren Augen sich weiter seitlich befinden als beim Menschen, schauen im Flug vor allem nach links und rechts sowie nach unten, um die Umgebung zu beobachten. Mit Objekten vor ihnen dürften sie wohl nicht rechnen, zumindest nicht in größerer Höhe, mutmaßen die Forscher – schließlich seien menschliche Bauwerke gemessen an der Evolution des Fliegens sehr neue Hindernisse.

Geräusche können helfen, die Aufmerksamkeit der Tiere zu erregen, das zeigten bereits etliche Untersuchungen. Boycott und Kollegen bauten daher Lautsprecher am Fuß der Masten auf, die schräg gen Himmel gerichtet waren. Eine halbe Stunde lang beschallten sie mehrfach den Luftraum mit Geräuschen, deren Frequenzen zwischen vier und sechs sowie sechs und acht Kilohertz lagen.

Daraufhin nahm die Aktivität von Vögeln an den Masten um 12 bis 16 Prozent ab, berichten die Forscher. Zusätzlich verfolgten sie 145 „riskante“ Flugbahnen von einzelnen Tieren und stellten fest: Nahe der Masten wurden die Vögel langsamer und lenkten ihren Kurs um die Objekte herum. Das Konzept des „akustischen Leuchtturms“ sei erfolgreich, schreiben die Autoren. Es könnte auch an andere Bauwerken dazu beitragen, das Kollisionsrisiko zu verringern, etwa an großen Gebäuden oder Windkraftanlagen.

Warum Vögel Bauten ignorieren ist unbekannt

„Mittels Tönen zu warnen, ist grundsätzlich eine gute Idee“, sagt Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell, der an der aktuellen Studie nicht beteiligt ist. Anders als bei Glasscheiben, die Vögel häufig nicht sehen können, würden sie Gebäude oder hohe Masten durchaus wahrnehmen können. „Warum sie diese teilweise ignorieren, ist nicht ganz klar.“ 

Ein akustisches Signal, das die Aufmerksamkeit erregt, sei offenbar hilfreich. Dass diese Methode eine umfassende Lösung sein kann, bezweifelt der Forscher. Zum einen funktioniere sie wohl nur bei einem Teil der Vögel. Zum anderen dürfte der Einsatz nicht überall möglich sein. „Wenn ich mir vorstelle, dass ein Strand dauerhaft mit sechs Kilohertz beschallt wird, bezweifle ich, ob das wirklich umsetzbar ist.“

Zu klären wäre auch, ob die Methode langfristig effektiv ist. In der Vergangenheit wurden beispielsweise Warnschreie von Vögeln aufgezeichnet und abgespielt, um sie aus Obstplantagen zu vertreiben. „Den Staren wurde vorgegaukelt, es gäbe da Raubvögel und sie wären in Gefahr“, sagt Fiedler. Nach einer Weile hätten sich die lokalen Tiere daran gewöhnt und die Warnung ignoriert. „Höchstens ein paar durchziehende Vögel ließen sich davon noch beeindrucken.“

Der Einsatz von Warnschreien wurde über Jahrzehnte erforscht und forciert. Dabei ging es nicht nur um Schäden an Obstplantagen, sondern auch um Flugsicherheit, berichtet Dieter Wallschläger von der Universität Potsdam. Bei Start und Landung sind die Maschinen in den gleichen Höhen unterwegs wie Vögel – gerät eines der Tiere in eine Turbine, kann sie ausfallen. „Besonders bei Militärmaschinen, die nur ein Triebwerk haben, kann das schlimme Folgen haben; etliche sind infolge eines Vogelschlags abgestürzt.“ 

In den Siebzigerjahren begannen in der damaligen Sowjetunion Forscher, Warnschreie von Vögeln aufzunehmen. Diese lassen sich, so Wallschläger, beispielsweise entlocken, indem man die Tiere in die Hand nimmt. „Die Töne wurden auf Schallplatten gepresst und an Flugplätze geschickt, wo es Probleme mit Vögeln gab“, erzählt Wallschläger. Man habe nicht nur einzelne Schreie abgespielt, sondern die Klänge variiert. 

Über die militärischen Projekte war wenig bekannt

Da es militärische Projekte waren, wurde wenig darüber bekannt. „Aber sie waren recht erfolgreich“, sagt der Forscher. Er selbst hat entsprechende Experimente in einem stargeplagten Berliner Hinterhof gemacht sowie in Plantagen und einer Geflügelfarm, wo Rabenvögel Jungenten attackierten. Warum sich die Methode im Obstbau nicht durchsetzte, liegt seiner Einschätzung nach auch am technischen Aufwand für Lautsprecher und Personal sowie möglicher Lärmbelästigung für Menschen. Manche Bauern hätten die Mühe gescheut und lieber eine Versicherung abgeschlossen, die bei Vogelschäden zahlt.

Eine relativ neue Gefahr für Vögel sind Windkraftanlagen. Hier wird bereits während der Planung versucht, das Kollisionsrisiko gering zu halten, teilt der Bundesverband WindEnergie auf Anfrage mit. „Bereits auf Regionalplanungsebene werden für den Natur- und Landschaftsschutz hochwertige Bereiche für die Windenergienutzung ausgeschlossen. Deutschlandweit stehen dadurch rund 98 Prozent der Gesamtfläche für deren Nutzung gar nicht erst zur Verfügung.“ Wird ein Windpark errichtet, versucht man insbesondere Greifvögel wegzulocken, indem andere Lebensräume verbessert werden. 

Bei Windrädern werden Vögel nicht verscheucht

Unmittelbar am Fuß des Windturms hingegen sollte die Vegetation dicht gehalten werden, um Rotmilanen die Sicht auf den Boden und mögliche Beutetiere zu erschweren. Aktive Vergrämungen – ob akustisch oder visuell – seien derzeit keine gängige Maßnahme, so der Verband. Dies könnte sich ändern, wenn Forschungen wie die von Boycott und Team sich als effektiv erweisen. 

MPI-Wissenschaftler Fiedler nennt hierzu auch ein Projekt in einem Windpark auf der Insel Smøla in Norwegen, wo an einzelnen Anlagen je eines der Rotorblätter schwarz lackiert wurde. Die Zahl der Schlagopfer ging um bis zu 70 Prozent zurück, insbesondere bei Seeadlern, berichten die Forscher in „Ecology and Evolution“. Ob der Effekt auf die Lackierung zurückgeht oder es eine orts- beziehungsweise artspezifische Ausnahme ist, wird kontrovers diskutiert, weitere Forschungen sind nötig.

Insekten hingegen werden durch Windräder kaum beeinträchtigt. Dieser Verdacht war durch eine Studie aufgekommen, wonach in Deutschland pro Jahr 1200 Tonnen Insekten durch Windkraftanlagen getötet werden. Die Untersuchung wurde inhaltlich stark kritisiert und gilt nicht als solide. 

Direkte Messungen nachtaktiver Insekten an Rotoren, wie sie Robert Trusch vom Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe vorgenommen hat, widerlegen die These. „Die Tiere sind hauptsächlich in der Höhe von Sträuchern und Bäumen unterwegs, aber nicht so weit oben wie die Rotoren von Windrädern“, sagt er. „Insbesondere moderne Windkraftanlagen mit großen Nabenhöhen beeinträchtigen Insektenpopulationen nicht.“

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