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Luftaufnahme des Tambora-Vulkans.

© AFP/Nasa

Vulkanausbruch mit Folgen für das Klima: Inferno am Tambora brachte Europa ein "Jahr ohne Sommer"

Vor 200 Jahren brach der indonesische Vulkan aus. Die stärkste Eruption der Neuzeit hatte weitreichende Folgen. In Europa gab es Missernten, Hungersnöte und Krisen.

Sommer 1816: Seit Wochen regnet es und Kälte liegt über der Nordhalbkugel. Missernten, Hungersnöte, Wirtschaftskrisen machen den Menschen in vielen europäischen Ländern zu schaffen. Warum es zu dem „Jahr ohne Sommer“ kam, wusste damals keiner. Über Sonnenflecken wurde diskutiert, den „Großen Kometen“ von 1811, die außergewöhnlich große Zahl von Eisbergen im Nordatlantik. Erst später stellte sich heraus, dass es maßgeblich auf einen Vulkanausbruch im April 1815 zurückzuführen war, den größten der Neuzeit.

Der Gipfel wurde vollständig weggesprengt

Am 5. April 1815 explodierte der Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa und sprengte die obersten 1500 Meter seines Gipfels komplett weg. Der Himmel war von Asche verdunkelt, der Vulkan tobte weiter. Berichten zufolge stiegen am 10. April Flammensäulen empor, vereinigten sich und verwandelten den Berg in ein Inferno aus „flüssigem Feuer“. Dann jagten pyroklastische Ströme über die Insel. So bezeichnen Vulkanologen tödlich-heiße Mischungen aus Gas und feiner Asche, die mit mehreren hundert Kilometern pro Stunde vom Vulkan herunterrasen und weit ins Umland vordringen. Der Kommandant eines englischen Seglers, der einige Tage später die verwüstete Insel erreichte, berichtete von Tausenden von Toten, die Überlebenden seien von der Explosion taub gewesen.

„Mit 30 bis 50 Kubikkilometern an ausgeworfenem Material war der Ausbruch mindestens dreimal stärker als der des Krakatau im Jahr 1883“, sagt der Vulkanexperte Olivier Bachmann von der ETH Zürich. Schuld am ausgefallenen Sommer im Folgejahr waren aber die Schwefelemissionen. In Verbindung mit der Lage des Tambora am Äquator und der passenden Jahreszeit konnten sie das Klima in unseren Breiten zeitweilig massiv verändern.

Weltweite Spurensuche nach Klimadaten

Diese Erkenntnis ist das Resultat einer jahrelangen Puzzlearbeit eines Teams um Stefan Brönnimann vom Oeschger Zentrum für Klimaforschung in Bern. Die weltweite Spurensuche umfasste Eisbohrkerne, Sedimente, Baumringe bis hin zu zeitgenössischen Dokumenten und meteorologischen Beobachtungen. Die Informationen flossen in Klimamodelle und ermöglichten so eine klimatische Zeitreise zurück ins frühe 19. Jahrhundert.

Damit der Tambora das Klima so nachhaltig verändern konnte, musste er große Mengen an Schwefelgas in die Stratosphäre befördern. In der Äquatorregion beginnt diese in 15 Kilometern Höhe. Sie liegt ein Stockwerk über der Troposphäre mit der eigentlichen Wetterküche, in der wir leben. In der Troposphäre wären Asche und Abgase aus Vulkaneruptionen schnell wieder aus der Luft ausgewaschen. In der Stratosphäre hingegen können feinere Aerosole jahrelang um die Welt reisen.

Massenhaft Schwefel in die Atmosphäre gepumpt

Diese Höhen erreichen aber nur sehr explosive Ausbrüche, wie der des Tambora. Weit über 20 Kilometer reichte die Eruptionssäule. Auf dieser Höhe „impfte“ der Vulkan massenhaft Schwefeloxid in die Stratosphäre. Dort entsteht durch chemische Reaktionen Schwefelsäure, die Wasser anzieht und so winzige Tröpfchen formt – kaum größer als einen tausendstel Millimeter. Diese „schlucken“ einen Teil der Wärmestrahlung der Sonne und heizen so die Stratosphäre auf. Am Boden wird es kühler.

Solche Schwefelaerosole sind klein genug, dass sie sich in der Stratosphäre einige Jahre aufhalten können, bevor sie allmählich absinken – genug Zeit, um sich um die Erde zu verteilen. Doch es ist nicht ihr direkter Abschirmeffekt, der 1816 für den nasskalten Sommer in Mitteleuropa sorgte. Denn das Abschirmen des Sonnenlichts verlangsamt den Wasserkreislauf in der Atmosphäre und führt damit eher zu Trockenheit. Es musste also einen indirekten Zusammenhang geben, den Brönnimanns Team dingfest machen konnte. Dabei kommt die Lage des Tambora ins Spiel.

Mehr Stürme gelangten nach Europa und brachten viel Regen

Damit ein Vulkan das Weltklima wirksam beeinflussen kann, muss er in der Nähe des Äquators liegen. Nach dem Tambora-Ausbruch breiteten sich zunächst die Aerosole um die Erde aus. Wie die Forscher herausfanden, schwächte dies einen großen Klimamotor namens Hadley-Zelle. Durch diesen steigt Warmluft am Äquator auf und zirkuliert in Richtung der mittleren Breiten. Auf diese Weise kommt die Monsunsaison in Asien und Afrika zustande. Die Berner Forscher vermuten: Die Aerosole des Tambora können bewirkt haben, dass sich der afrikanische Monsun im Sommer 1816 abschwächte. Daraufhin gelangten mehr Stürme vom Nordatlantik zum europäischen Festland, wo es bis zu 80 Prozent mehr Niederschläge gab als gewöhnlich.

Für Wissenschaftler ist das „Jahr ohne Sommer“ auch im Hinblick auf zukünftige Vulkanausbrüche interessant. Das schließt die Frage ein, wie sie sich auf die heutige Situation der Menschheit auswirken würden. Eines ist klar: Auf dem heute erheblich dichter besiedelten Planeten würde ein großer Ausbruch viele Menschen in Bedrängnis bringen.

Vulkanausbruch als Experiment für Climate Engineering

Die Folgen könnten von denjenigen des Tambora auch abweichen, weil die Menschheit die Atmosphäre inzwischen verändert hat. Die langlebigen Chlorkohlenwasserstoffe etwa, die für das Ozonloch verantwortlich sind, könnten im Zusammenspiel mit vulkanischen Schwefelaerosolen zu einem globalen Abbau der Ozonschicht führen. In der Folge würde mehr schädliches UV-Licht die Erdoberfläche erreichen. Nicht zuletzt können Klimaforscher aus solchen Vulkanausbrüchen auch viel über die potenziellen Folgen von künstlichen Eingriffen in die Atmosphäre (Climate Engineering) lernen, mit denen manche Wissenschaftler die Erderwärmung bremsen wollen.

Roland Wengenmayr

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