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Bis ins letzte Detail. Lucys Knochen wurden mit einem hochauflösenden Computertomographen genau gescannt.

© Marsha Miller, UT Austin

Vormenschen: Lucy stürzte wohl von einem Baum in den Tod

Kaum ein Skelett ist so bekannt wie die 3,18 Millionen Jahre alten Überreste von Lucy, einer Vormenschen-Frau der Art Australopithecus afarensis. Nun haben Anthropologen ihre Todesursache ermittelt.

Die Verletzungen der Knochen ähneln Brüchen nach einem Sturz aus mehr als zwölf Metern Höhe, schreiben Forscher um John Kappelman von der Universität Texas im Fachblatt „Nature“. Lucy sei vermutlich mit etwa 56 Kilometern pro Stunde auf hartem Boden aufgeschlagen und habe noch versucht, den Aufprall mit ausgestreckten Armen abzubremsen. Der Befund liefere zudem Hinweise auf die Lebensweise von Australopithecus afarensis. Wahrscheinlich haben diese Vormenschen zumindest die Nacht auf hohen Bäumen verbracht, obwohl sie sich bereits durch den aufrechten Gang an ein Leben am Boden angepasst hatten.

Replika. Auf der Grundlage der CT-Scans hat der John Kappelman Lucys Knochen im 3D-Drucker gedruckt - und die Bruchstellen analysiert.
Replika. Auf der Grundlage der CT-Scans hat der John Kappelman Lucys Knochen im 3D-Drucker gedruckt - und die Bruchstellen analysiert.

© Marsha Miller, UT Austin, dpa

„Als mir das Ausmaß von Lucys Verletzungen klar wurde, fühlte ich über Zeit und Raum hinweg eine Woge der Empathie“, sagt Kappelman. „Lucy war nicht länger eine Schachtel mit Knochen, sondern ein kleiner, zerbrochener Körper, der hilflos unter einem Baum lag.“ Lucys Skelett wurde 1974 in Äthiopien entdeckt und ist eines der ältesten Fossilien von Vormenschen. Aus den aufrecht gehenden Australopithecinen haben sich wahrscheinlich die ersten Vertreter der Gattung Homo entwickelt. Ob sie hauptsächlich am Boden oder noch überwiegend auf Bäumen lebten, ist bisher nicht geklärt.

Der aufrechte Gang veränderte den Körper - und machte beim Klettern tollpatschiger

Kappelman und seine Kollegen analysierten sämtliche Knochen von Lucy – die etwa 40 Prozent des ursprünglichen Skeletts ausmachen – mithilfe hoch auflösender Computertomografie. Mehr als 35 000 Aufnahmen ermöglichten es, 3-D-Modelle in Originalgröße herzustellen. An Oberschenkel- und Oberarmknochen entdeckten die Forscher Bruchstellen, die für Kompressions- oder Stauchungsbrüche typisch sind. Solche Schäden entstehen, wenn Knochen durch einen Sturz aus großer Höhe in der Längsachse gestaucht werden. Auch die Brüche im Hüft- und Brustbereich ähnelten Sturzverletzungen von Menschen. Da sie scharfe, saubere Kanten aufwiesen und keine Anzeichen einer Heilung zeigten, seien sie wahrscheinlich zum Zeitpunkt des Todes entstanden – nicht vorher und auch nicht während der Jahrmillionen danach, schreiben die Forscher.

Naheliegend sei die These, dass Lucy aus einem Baum in den Tod stürzte. Vielleicht hätten die mit der Entwicklung des aufrechten Gangs verbundenen Veränderungen des Körperbaus dazu geführt, dass Australopithecinen beim Klettern weniger geschickt waren, spekulieren die Forscher. Analysen von Knochenbrüchen anderer Vormenschen könnten klären, wann die Vorfahren des Menschen endgültig von den Bäumen gestiegen sind. wsa

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